Berlin, Deutschland (Weltexpress). In Anspielung auf das Fazit von Otto Rehhagel aus dem Jahr 1995, „Geld schießt keine Tore“ sagte damals der Trainer des FC Bayern München, dürfte der Titel „Tradition schießt keine Tore“ zustande gekommen sein. Und wenn nicht, dann wäre das dennoch eine kurze wie beeindruckende Erzählung, zumal Rehhagel als Trainer seine besten Jahre in Bremen hatte, beim SV Werder Bremen. Dort nicht nur dort, wo die Weser einen großen Bogen macht, gilt Otto I. als König. In Griechenland gilt er als König Rehakles, nachdem er zur Überraschung aller mit der Männerfußball-Nationalmannschaft EM-Geschichte schrieb so wie 1992 die Dänen, die gegen die Deutschen siegten, und die Europameisterschaft 2004 in Portugal mit Griechenland als Trainer gewann. Was für ein Wunder – ganz zu schweigen von den Wundern an der Weser!
Dagegen ist das Buch von Bode und Schulze-Marmeling geradezu graue Wirklichkeit, bittere und biedere Wahrheit in Klarheit für „Werder“. Beide Autoren geben Einblicke in eine Welt der Ware und des Spektakels, in der die Spinner und Trottel des Totalitarismus Legion sind und die Reklame total. Der Bielefelder Verlag Die Werkstatt teilt in einem Waschzettel zum 240 Seiten umfassenden Buch, auf dessen Deckel das nach einer Kapitalgesellschaft benannte Weserstadion zu sehen ist, unter der Überschrift „Wir werden nie mehr Deutscher Meister!“ mit: „Haben Traditionsvereine im hyperkommerzialisierten Profifußball unserer Tage perspektivisch noch Chancen auf sportlichen und damit materiellen Erfolg?“ Seit wann ist eine Kapitalgesellschaft ein Verein, vor allem ein eingetragener? Auch die nächste Frage muß kritisiert werden. Sie lautet: „Oder siegt am Ende in der Bundesliga nur noch der FC Bayern“? Nun, gemeint dürfte die FC Bayern München AG sein, also eine Kapitalgesellschaft. Die eine Veranstaltung ist eine AG, die andere eine GmbH & Co. KGaA. Daß Kapitalgesellschaften keine Vereine sind also auch keine Traditionsvereine, das sollte auch dem Dümmsten früher oder später klar werden.
Weiter im „Buchinformation“ genannten Text für Werbenutten und Trendhuren: „Am Beispiel des SV Werder Bremen geben Marco Bode und Dietrich Schulze-Marmeling vielschichtige, überraschende Antworten auf diese Fragestellungen und münden in einer treffsicheren, exakten Analyse des modernen Fußballgeschäfts.“ Nun, auf den Begriff bringen sie es nicht, weil sie ein Anschauung haben, die auch üble Christen und Sozen, Olivgrüne und Besserverdienende der üblichen Einheitsparteien schwätzen und schmieren könnten. Die Kritik der Autoren keine dialektisch-materialistische, sondern eine, die über die Ebene der Erscheinungen kaum hinausweist und vom Standpunkt des kleinbürgerlichen Moral-Morasts aus fragt: „Weshalb schließt ’50+1′ wirklich ernstgenommen, die ‚Werksklubs‘ aus Leverkusen und Wolfsburg sowie Konstrukte wie Hoffenheim und Leipzig eigentlich aus? Wer die Veranstaltungen in Hoffenheim und Leipzig „Konstrukte“ und die in Leverkusen und Wolfsburg „Werksklubs“ nennt, der hat die aktuelle kapitalistische Gesellschaft offensichtlich nicht begriffen. Aber sicherlich ist das ein schöner Zeitvertreib, wenn zwei Männer „über den Tellerrand“ schauen und über „Werder Bremen und die Herausforderungen des modernen Fußballs“ schreiben. Wenn das Buch auch noch gut wäre, dann wäre das ein Wunder.
Bibliographische Angaben
Marco Bode, Dietrich Schulze-Marmeling, Tradition schießt keine Tore – Werder Bremen und die Herausforderungen des modernen Fußballgeschäfts, 240 Seiten, Bindung: kartoniertes Taschenbuch, Format: 13,5 x 231,5 cm, Verlag: Die Werkstatt, Bielefeld, 1. Auflage, Frühjahr 2022, ISBN: 978-3-7307-0619-0, Preis: 19,90 EUR (Deutschland), auch als E-Buch, ISBN: 978-3-7307-0620-6, für 16,99 EUR erhältlich