„Wir weigern uns, Feinde zu sein” – Der palästinensisch-christliche Friedensaktivist Daoud Nassar besucht den Untermain

Daoud Nassar © Johannes Zang

Daoud – zu Deutsch David – besitzt ein 42 Hektar großes Stück Land südlich von Bethlehem, 950 Meter über dem Meeresspiegel. Von dort läßt sich das nach Westen abfallende Plateau des West-Jordanlandes überblicken, bei guter Sicht ist das Mittelmeer zu erkennen.

Daouds Großvater Daher – daher der Name Dahers Weinberg für das umkämpfte Land – hat dieses 1916 von einem palästinensischen Bauern aus Nahalin gekauft. Später zog er mit seiner Familie dorthin, sie lebten in einer Höhle und begannen, Bäume zu pflanzen, von Granatapfel über Mandel bis zu Feigen und Oliven sowie Rebstöcke.

Einen ersten Einschnitt in die Ruhe auf dem Weinberg brachte das Jahr 1990. Daoud hörte, dass israelisches Militär und jüdische Siedler auf seinem Grundstück gewesen seien, stellte Nachforschungen an und erfuhr, dass das gesamte Gebiet um Dahers Weinberg Staatsland sei; binnen 45 Tagen könne gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden. Seitdem hat Daoud Nassar keine Ruhe mehr, geht bei Rechtsanwälten ein und aus, muss vor dem Militärgericht erscheinen, Zeugen beschaffen und Gutachten anfertigen lassen. Selbst für das Aufstellen eines Zeltes benötigt er die Zustimmung der Militärbehörde, da sein Grundstück im C-Gebiet des West-Jordanlandes liegt, wo die palästinensische Behörde nichts und Israel alles zu sagen hat .

Einmal teilte diese Behörde ihm mit: „Ein großer Teil des Landes ist nicht kultiviert, was kultiviert ist, gehört euch, der Rest fällt an den Staat.“ Daoud musste Augenzeugen bringen, um die Bearbeitung des Landes nachzuweisen. Er gewann 50 Angehörige, Nachbarn und Freunde, um auszusagen. Zwischen vier und fünf Stunden mußten sie in der Hitze warten, dann teilte man ihnen mit: „Heute haben wir keine Zeit mehr. Kommt morgen wieder.“ Daoud gelang es, die Zeugen nochmals zu motivieren. Wieder organisierte er einen Bus zur Militärbehörde. Es habe knifflige Fragen gegeben, erzählt Daoud. Seine Mutter sei vier Stunden lang verhört worden.

Zusätzlich zum Kampf mit Israels Gerichten kommen die Übergriffe israelisch-jüdischer Siedler der nahegelegenen Siedlung Neve Daniel: Einmal rissen sie frisch gepflanzte Ölbäume aus und zerstörten Wassertanks, ein andermal planierten sie mit Bulldozern eine Straße durch sein Grundstück, sie hielten Daouds Mutter auch schon einmal eine Waffe an die Schläfe.

An manchen Tagen sagt Daoud Nassar Sätze wie: „Es gibt keine Gerechtigkeit” oder „Es geht nur darum, uns müde zu machen. Die Israelis wollen, dass wir mit der Zeit aufgeben.” Der Kampf um sein Land hat ihn bisher 140.000 US-Dollar gekostet. Es überwiegt aber bei dem 38-Jährigen das Anpacken und das positive Denken. Zu Beginn des 2. Palästinenseraufstandes (Intifada) begann er das Projekt Zelt der Völker. Damit hat Daoud die Vision seines Vaters umzusetzen begonnen: einen Ort für Menschen, vor allem Jugendliche, zu schaffen, einen Raum für Begegnungen zwischen Kulturen und Religionen. Wer das Grundstück betritt, wird mit der Botschaft auf einem großen Stein begrüßt: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.”

In Zeiten, die ungewisser gar nicht sein könnten, bringt Daoud Nassar Christen und Muslime zusammen, manchmal auch Israelis und Palästinenser. Das beflügelt ihn, dann kommen ihm solche Sätze über die Lippen: „Ich möchte nicht aufgeben. Wir haben eine Chance zu gewinnen. Eines Tages muss die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen. Daran glaube ich.“

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Infos:

www.tentofnations.org

Daoud Nassar wird zwei Vorträge im Raum Aschaffenburg halten:

Freitag, 4.9., 19.30 Uhr: Sulzbach/Main, St. Annakirche (vorher: 19 Uhr Friedensgebet)

Mittwoch, 9.9., 20 Uhr: Goldbach, Haus Effata, Schulstraße

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