Willkommen im Club der 100er – Lisa Seiler, die Sonnebergerin aus der Jenaer Eliteschule, im Interview

Lisa Seiler © Foto: Silke U. Winkler

Spielzeugstädter aus Südthüringen

Sonst nehmen die Seilers immer den "Umweg" über Naila, wo es auf die A9 geht und am Hermsdorfer Kreuz auf die A 4. Ausflüge in die Stadt am Fuße der Kernberge stehen für die Spielzeugstäder immer dann an, wenn der FF USV Jena ein Heimspiel hat.  Die Mannschaft, in dessen Kader mit Tochter Lisa Seiler eine waschechte Sonnebergerin steht. An diesem 8. Spieltag der Frauenfußball-Bundesliga heißt der Gegner Bayer 04 Leverkusen. Und Jürgen Seiler ist sich sicher: "Das wird heute ein 2:0". Dass nach 90 Minuten genau dieses Resultat stehen wird, kann in diesem Moment zwar noch niemand wissen. Klar ist aber im Vorfeld bereits: für Lisa Seiler wird es der 100. Bundesligaseinsatz im Trikot des FF USV Jena sein. Wir sprachen nach dem Jubiläumsspiel mit der 23-Jährigen, die in Jena die Rückennummer 17 trägt.

Lisa, Dein 100. Erstligaspiel für Jena wurde live auf Eurosport übertragen. War das eine zusätzliche Motivation für euch?

Ich glaube, es ist für jede Spielerin eine zusätzliche Motivation, wenn ein Spiel live übertragen wird. Wir hatten uns für das Spiel gegen Leverkusen sehr viel vorgenommen, da uns die 0:5-Pleite in München alle hart getroffen hat.  Die ganze Woche haben wir fokusiert trainiert, um uns auf dieses Spiel optimal vorzubereiten. Wir wollten unbedingt gewinnen und haben uns durch den Sieg drei wichtige Punkte für unser Saisonziel gesichert.

Ihr habt Potsdam und Wolfsburg ein Unentschieden abgetrotzt, gegen Frankfurt nur knapp verloren und, abgesehen vom Spiel in München, mit guten Leistungen aufgewartet. Was macht Jena in dieser Saison so stark, was ist anders, da der Kader ja weitestgehend gleich geblieben ist?

Das ist richtig. Unser Kader ist in den letzten paar Jahren im Großen und Ganzen gleich geblieben. Auf einzelnen Positionen wurden Verstärkungen geholt, so wie aktuell Abby Erceg in der Abwehr und Stenia Michel im Tor. Die Neuzugänge wurden jeweils sehr schnell in das Team integriert. Unsere Stärke ist die Geschlossenheit. Der größte Teil der Mannschaft spielt seit ca. zwei Jahren zusammen, da nur auf einzelnen Positionen Veränderungen notwendig waren. So konnten die Neuen schnell in unser Spielsystem eingefügt werden.

Kannst du dich noch an den 18. Mai 2008 erinnern?

Ja, das kann ich sehr gut. Es war das vorletzte Spiel der Saison in der 2. Bundesliga Süd, unser letztes Heimspiel. Gegen den FC Sand gab es nur ein Ziel – einen Sieg. Den brauchten wir, um unseren 3-Punkte-Vorsprung auf den Tabellenzweiten Sindelfingen zu halten, zu dem wir am letzten Spieltag mussten. Wir wollten unbedingt mit diesem Punktepolster auf Reisen gehen. Das Torverhältnis sprach für uns, so dass eine Niederlage mit weniger als acht Toren Unterschied in Sindelfingen für den Aufstieg in die 1. Bundesliga gereicht hätte. Alle waren ziemlich angespannt und es dauerte über eine Stunde, bis das erlösende 1:0 für uns fiel. Es war mir vorbehalten, dieses Tor zu erzielen. Ich schob den Ball aus gut zehn Metern ins linke Eck. Das war einer jener sportlichen Momente, die ich nie vergessen werde. Wir verloren zwar eine Woche später 3:2 in Sindelfingen, schafften aber auf Grund der Tordifferenz den Aufstieg.

Du warst erst 17, als du mit diesem Treffer in der 67. Minute sozusagen den Aufstieg in die Eliteliga des deutschen Frauenfußballs gesichert hast. Wie siehst du deine eigene Entwicklung und die des FF USV Jena seitdem?

Wir spielen jetzt unsere 6. Saison in der ersten Bundesliga und ich bin von Anfang an dabei. Die Entwicklung ist enorm. Wir haben uns als Mannschaft ebenso äußerst positiv entwckelt wie der Verein selbst. Es ist schön und macht stolz, ein Teil dieser Geschichte des FF USV Jena zu sein.

Euer Ziel vor der Saison hieß meist: Klassenerhalt. Will man nicht irgendwann mehr?

Der Klassenerhalt war immer unser primäres Ziel. Allerdings haben wir in den letzten Jahren hart an uns gearbeitet. Wir haben taktisch sowie spielerisch sehr viel dazugelernt und es mehr und mehr verstanden, das auch umzusetzen. Das erlaubt es uns mittlerweile, die Latte für die Saisonziele ein wenig höher zu legen. In der aktuellen Saison haben wir einen wirklich guten Start hingelegt. Es sollte unser Ziel sein, diese Spielzeit im oberen Mittelfeld abschließen.

In deiner Zeit in Jena hast du schon einige Trainer/innen erlebt. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir das halbe Jahr mit Martina Voss-Tecklenburg, die heutige Nationaltrainerin der Schweiz. Als wir damals erfuhren, dass sie unsere neue Chaftrainerin wird, habe ich mich schon sehr auf die Zusammenarbeit gefreut. Sie hat uns viel im Bereich Taktik gelehrt und das Training sehr professionell gestaltet. Natürlich bleibt mir ebenso die Zeit mit Heidi Vater immer in Erinnerung. Mit ihr schafften wir den Aufstieg in die 1. Bundesliga und unter ihrer Leitung erreichten wir das DFB-Pokalfinale 2010.

Ihr habt drei neuseeländische Nationalspielerinnen, eine aus Kroatien, eine aus der Schweiz. Was macht Jena so  besonders? Dem Etat nach kann es nicht das ganz große Geld sein.

Ich denke, es ist das Mannschaftsklima. Wir sind ein junges Team mit dennoch erfahrenen Spielerinnen. Es passt einfach alles gut zusammen, die Menschen, das Umfeld. Das spricht sich rum.

Was fehlt Jena für den ganz großen Sprung nach oben, also etwa einen Tabellenplatz unter den ersten Vier?

Erstens die finanziellen Mittel für einen breiteren Kader, dann die Konstanz. Wir müssen dahin kommen, die gesamte Saison über auf einem hohen Level zu spielen. Jede einzelne muss in jedem Spiel nahezu an ihre Leistungsgrenze gehen.

Dein Vertrag läuft im Sommer aus, du beendest dein Studium. Hast du schon konkrete Vorstellungen, wie es danach weitergeht?

Ich würde gerne ein Jahr ins Ausland gehen. Zum Beispiel eine Saison in England spielen. Falls das nicht klappen sollte, werde ich eventuell ein "work & travel-jahr" einlegen. Nach dem Auslandsaufenthalt möchte ich ein Masterstudium beginnen, vielleicht in Richtung Lebensmitteltechnik. Das ist der grobe Fahrplan.

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