Das war nicht nur spannend, sondern entbehrt nicht einer gewissen Symbolik für den bisherigen Eintrachttrainer Friedhelm Funkel. Dieser hatte nämlich zwei Tage zuvor um die Auflösung seines Vertrages gebeten. Das war eine Make-up-Maßnahme, die ihm den Vortritt der Entscheidung ließ. Der Aufsichtsrat der Eintracht konnte die seit Monaten immer drängender werden Fansproteste gegen Funkel nicht mehr negieren und so wurde für alle eine klare, aber die Demütigung etwas ersparende Entlassungsarie gesungen. Deshalb wurde Funkel auch zu Beginn mit Applaus begrüßt, was all die letzten Spiele mit lautem Gestöhne und Protest verbunden gewesen war. Nicht nur in der Fankurve, wo „Funkel raus“-Rufe schon Alltag waren, sondern eben auch in den gehobenen Klassen der VIPs, wo solches Rufen ansonsten Seltenheitswert hat.
Das Symbolische zeigt sich nun in den beiden Torschützen. Mit Alexander Meier schoß Funkels Lieblingsschüler dem Meister ein Tor. So kann man diese Aktion durchaus werten. Aber mit Caio war es dann derjenige, der zum Ausgleich kam, den Funkel allzu oft, eigentlich immer, hatte auf der Bank sitzen lassen, auch wenn die Fans inzwischen schon bei den durch den Lautsprecher kündenden Aufstellungen laut Caio riefen, obwohl dieser wieder nicht dabei war. Daß nun ausgerechnet Caio in diesem letzten Spiel von Anfang an dabei war und dann auch noch das Tor schoß, das ist auch so einer der magischen Momente, die Fußball zu einer unberechenbaren Sache macht.
Was an diesem Tor durch Caio so wichtig ist, ist eher Zukunftsmusik. Denn an diesem Tage zeigte der Brasilianer, daß er nicht umsonst den Frankfurtern so viele Millionen wert war. Er war nicht nur unermüdlich im Balleinsatz, er hatte tatsächlich mit 77 die meisten Ballkontakte aller Spieler, sondern er spielte einen derart eleganten, leichtfüßigen Fußball, daß es nur so eine Freude war. Ihm gelangen auch die meisten Torschußvorlagen und die waren zudem paßgenau und wie sanft gemeißelt serviert. Aber dieser versöhnende Schuß brachte dennoch keinen versöhnlichen Schluß.
Es kam –auch hier durchaus symbolisch – wie es in der letzten Saison mit der Funkelelf immer kam. Es haute nicht hin. Zwar war ein Bemühen da, aber das half nicht. Obwohl nach dem Ausgleich das nächste Eintrachttor über Minuten stärker möglich schien, als ein Siegestreffer der Hamburger, erlahmte der aufbäumende Elan der Eintracht und die letzen Minuten standen im Zeichen der Hamburger, die jetzt echt losballerten und jede Chance suchten. Und daß es in der gerade beginnenden Nachspielzeit von zwei Minuten war, daß gegen eine aufgelöste Eintracht Trochowski zum 2: 3 für Hamburg kam, das war so typisch wie diese ganze Saison. Die Eintracht und Funkel glücklos, bemüht, aber nicht ausreichend. Alles in allem war das genau das Spiel, das diese ganze Saison symbolisiert.
Der in Ehren verabschiedete Trainer Friedhelm Funkel versprach der Pressekonferenz, eines Tages hier wieder zu erscheinen und sich als Trainer einer anderen Mannschaft über seinen Auswärtssieg zu freuen. Ansonsten waren ihm, der die fünf Frankfurter Jahre als die glücklichsten seines Lebens bezeichnete, die Rührung über den Abschied anzumerken. Immerhin hatte die Eintracht innerhalb von zehn Jahren unzählige Trainer verschlissen, da ist das schon ein Bewältigungsrekord. Die nächste Saison: neue Chancen, neuer Trainer.
Wer dies werden wird, ist heute noch nicht klar. Das Kandidaten-Karussell dreht sich, nachdem die Verpflichtung von Armin Veh für Wolfsburg bekannt wurde, werden derzeit noch als Namen Michael Skibbe, Mirko Slomka und Bruno Labbadia genannt. In Frankfurt als Trainer der anderen Bundesligamannschaften auch auf Pressekonferenzen gut bekannt. Sieht man das nicht ungerechte Ergebnis noch einmal unterm Strich, zeigt sich, daß der Sieg für die Hamburger sehr viel wichtiger ist, als es ein Unentschieden für die Eintracht gewesen wäre. Nach Punkten. Wie sehr aber die Moral und die Gefühle mitspielen, haben diese letzten Monate in Frankfurt gezeigt.