Zürich, Schweiz (Weltexpress). Kriegsvorbereitung und Kriegspropaganda sind eine konzertierte Aktion. Wer das alles weiß und nur geschehen lässt, macht sich mitschuldig.
Dass verantwortliche Politiker, Militärs, Medienschaffende usw. in den mächtigen Staaten dieser Welt den Krieg vorbereiten, ist unübersehbar geworden – und nicht alle von ihnen tun dies, um den Krieg zu verhindern. Mehr noch: Schon jetzt führen die großen Mächte Krieg gegeneinander: mit Stellvertreterkriegen, aber zum Teil aber auch schon in der direkten Konfrontation. Syrien ist ein solcher Kriegsschauplatz. Die Zahl der Opfer – in der Mehrzahl Zivilpersonen, die eigentlich nichts lieber tun würden, als in Frieden leben – geht schon jetzt in die Hunderttausende.
Kalter Krieg und heiße Kriege
Das war auch im ersten Kalten Krieg nicht anders: Die heißen Kriege in Korea, Indochina, Afghanistan und auch in vielen Gegenden Afrikas kosteten – trotz der Uno-Charta am Ende des Zweiten Weltkrieges – Millionen von Menschen das Leben, nicht mitgerechnet das Ausmaß an materieller und kultureller Zerstörung.
Im Verhältnis der Nato-Staaten zu Russland tobt ein neuer kalter Krieg, und die Folge davon ist nicht nur die Rückkehr zum Wettrüsten, sondern auch eine massive Feindbild-Propaganda – und damit die Abkehr vom Gebot der Wahrheitstreue in politischer Rede, in Berichterstattung und Kommentierung. Selbst Menschen, die sich Wissenschaftler nennen, rühren die Kriegstrommeln. Es wird nicht mehr mit offenen Karten gespielt, unliebsame Tatsachen werden ausgeblendet, alles muss zum Feindbild passen – und wer nicht mitmacht, dem wird das Leben schwer gemacht.
Die Arbeit der Geheimdienste, ihre verdeckten Operationen und Täuschungsmanöver, hat Hochkonjunktur. Und wenn einmal etwas öffentlich zu werden scheint, dann kann man nie sicher sein, dass das, was öffentlich wird, auch wirklich den Tatsachen entspricht, mehr ist als nur die täuschende Spitze des Eisbergs. Persönlichkeiten, die den Sachen auf den Grund gehen, gibt es nur noch wenige – was nicht ganz unverständlich ist; denn solche Menschen leben gefährlich.
Aber sollen wir uns damit abfinden?
Manch einer sieht seine Aufgabe darin, zu informieren. So wie jetzt aktuell über die «Integrity Initiative».1 Seit 2015 gibt es diese «Initiative». Im deutschsprachigen Raum haben bislang nur die Nachdenkseiten, Telepolis und Swiss Propaganda Research darüber berichtet, hinzu kommen Artikel der deutschsprachigen russischen Sender RT Deutsch und Sputnik. Die Initiative wird, wenn man den vorliegenden Berichten Glauben schenken darf, von einer pseudo-privaten Einrichtung in Großbritannien gesteuert, von der dortigen Regierung mitfinanziert, aber auch von der Nato und von Facebook. Mehr oder weniger verdeckt sollen in zahlreichen Staaten Europas Netzwerke aus Geheimdienstlern, Armeeoffizieren, Politikern, Journalisten und «Wissenschaftlern» aufgebaut werden, die, so nennt es die Internetseite der Initiative (www.integrityinitiative.net), Propaganda und Desinformation etwas entgegensetzen wollen. Gemeint ist vor allem die russische «Propaganda» und «Desinformation» – und vieles spricht dafür, dass nicht Wahrheitsliebe, sondern Propaganda gegen Russland das Motiv ist – und Desinformation das Mittel der Wahl.
Erstaunlich ist das alles nicht, und es lohnt sich auch nicht, sich allzu lange bei den Einzelheiten aufzuhalten oder sich gerade an dieser Stelle ganz besonders aufzuregen. Wäre man zynisch, könnte man sagen: Quod erat demonstrandum!
Zynismus ist keine Lösung
Aber Zynismus ist keine Lösung. Auch der distanzierte Nachvollzug des Bösen schafft das Gute nicht.
Was ist nur los, dass Menschen erneut den Respekt vor dem Krieg verloren haben?
Was braucht es, damit der Mensch im Gefühl so angesprochen ist, dass er offen und aufrecht «Nein zum Krieg» sagt?
Wie überwindet der Mensch das Ohnmachtsgefühl gegenüber den Mächten des Krieges?
Was braucht es, damit sein Mut so stark wird, dass er sich aktiv für den Frieden einsetzt?
Das Ausmaß an öffentlicher Täuschung
Auch das Ausmaß an öffentlicher Täuschung ist groß geworden.
Am 22. Januar 2019 haben der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in der geschichtsträchtigen deutschen Stadt Aachen einen neuen Vertrag unterzeichnet: den «Aachener Vertrag».2 Man hatte bewusst den 22. Januar als Tag der Unterzeichnung gewählt – am 22. Januar 1963 war der Élysée-Vertrag unterzeichnet worden. Von offizieller Seite heißt es, der neue Vertrag stehe in der Nachfolge des 1963 zwischen Charles de Gaulle und Konrad Adenauer abgeschlossenen Élysée-Vertrages und aktualisiere diesen. Eine solche Behauptung ist jedoch abwegig. Der Élysée-Vertrag war ein Schritt auf dem Weg zur Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach Jahrhunderte dauernder Feindschaft – und zumindest für de Gaulle der Versuch einer Emanzipation auch Deutschlands von der US-amerikanischen Vormundschaft. Der «Aachener Vertrag» hat mit diesen Anliegen nichts mehr zu tun.
Ein deutsch-französischer Vertrag der Kriegsvorbereitung?
Es ist hier nicht der Ort, diesen Vertrag in allen Facetten auszuleuchten. Der Vertrag richtet sich gegen die Idee souveräner Demokratien, von zentraler Bedeutung ist die Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit. Sevim Dagdelen, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, nannte den «Aachener Vertrag» «eine bizarre Mischung aus Aufrüstung und Kriegsvorbereitung sowie neoliberaler und autoritärer Orientierung». Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion formulierte es pointiert: «Einst markierte der historische Élysée-Vertrag einen wichtigen Schritt zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. Dieser neue Vertrag, der jetzt unterzeichnet wird, hat damit aber nicht mehr viel zu tun: Damals ging es um die Aussöhnung, heute geht es um Aufrüstung!»
Bezeichnend ist auch der Titel des gewiss nicht linken deutschen «Handelsblattes» vom 22. Januar 2019: «Deutschland kommt beim Thema Verteidigung Frankreich entgegen.» Und wie ist wohl die Aussage des SPD-Politikers Fritz Felgentreu zu verstehen, den das «Handelsblatt» zitiert: «Angesichts des US-Rückzugs aus Syrien zeigt sich, dass Europa nicht einmal die Möglichkeit hätte, die abziehenden Truppen zu ersetzen. Wir können daher gar nicht diskutieren, ob wir das wollen oder nicht.» Zuvor hatte er gesagt: «Wir sollten endlich anfangen, über konkrete Projekte mit Frankreich zu sprechen.»
Von der Leyen trommelt in der «New York Times»
Die deutsche Annäherung an französische «sicherheits- und verteidigungspolitischen Zielsetzungen und Strategien» (Artikel 4 des «Aachener Vertrages) lässt wenig Gutes erwarten. Sie passt zum Plan, Deutschland kriegsbereit zu machen – gegen alles Recht. Die deutsche Kriegsministerin Ursula von der Leyen hat am 18. Januar 2019 mit einem Meinungsbeitrag in der «New York Times» – also einer der Hauptmedien der US-amerikanischen Kriegspartei – ins gleiche Horn geblasen. Der Titel des Artikels richtete sich an die US-amerikanische Öffentlichkeit und sprach im Sinne der Obama-Clinton-Linie: «Die Welt braucht noch immer die Nato». Das Feindbild im Artikel sind Russland und China. Der Gipfel des Zynismus im Artikel ist das Bild in der Internetausgabe der Zeitung: Soldaten der KFOR stehen vor der US-amerikanischen und der Nato-Flagge nach der Zeremonie zur Gründung der Armee des Kosovo im Dezember 2018. – Das ist das Resultat des ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Nato nach 1991.
Deutschland und die «Integrity Initiative»
Die «Integrity Initiative» und der «Aachener Vertrag» und vieles mehr treffen sich.
Dazu gehört ein wichtiges Detail aus einem öffentlich gewordenen Schreiben des für die «Integrity Initiative» verantwortlichen Mannes in Deutschland an seinen britischen «Führungsoffizier»: «Die Tiefe der Verletzlichkeit und die Intensität der russischen Bemühungen machen Deutschland zu einem sehr harten, aber auch sehr wichtigen Ziel.» Deutschland sei, so schreibt der Deutsche klagend, besonders empfänglich für den «russischen Einfluss».
Das muss man in die richtige Perspektive bringen: In der Tat haben die deutsch-russischen Beziehungen auch im Guten eine lange Tradition. Das nationalsozialistische Deutschland hat in der Sowjetunion ungeheuerlich gewütet und zig millionenfach gemordet. Das wissen noch immer sehr viele Deutsche. Und sie wissen auch, dass es Frieden in Europa nicht gegen Russland geben kann. Und dass es auch im materiellen deutschen Interesse liegt, gute Beziehungen zu Russland zu pflegen.
Der deutsche Widerwille gegen einen erneuten Krieg, gegen einen Krieg gar gegen Russland, soll gebrochen werden. Dazu passen die Aussagen des Göttinger Politikwissenschaftlers Peter W. Schulze, die Sputnik am 9. Januar 2019 zitierte: «Diese Kampagne hat ihre langfristige Beständigkeit seit dem Ende der ersten Dekade des neuen Milleniums und soll die verbliebenen pragmatischen und an moderater, interessengeleiteter Zusammenarbeit mit Russland interessierten Kreise in Deutschland schwächen und obendrein das Russlandbild weiter verteufeln.»
Aber das kann nicht funktionieren, wenn wir entschlossen gegensteuern.
Anmerkungen:
(1) vgl. https://swprs.org/die-integrity-initiative/ vom Januar 2019 mit weiteren Hinweisen; sowie als erster ausführlich: Florian Rötzer, «Integrity Initiative: Britische Beeinflussungskampagne gegen Russland?», https://www.heise.de/tp/features/Integrity-Initiative-Britische-Beeinflussungskampagne-gegen-Russland-4232365.html vom 26.11.2018
(2) Die deutsche Fassung des Vertrages ist zu finden unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1570126/c720a7f2e1a0128050baaa6a16b760f7/2019-01-19-vertrag-von-aachen-data.pdf?download=1