Außerdem ist er Buddhist und auch diese Einstellung sagt ihm, daß es falsch, ja verwerflich sei, an den Mammon sein Herz zu hängen, aber er tut es und das Geld verdient er durch die Ausübung einer Theorie, die immateriell für den ungehinderten Energiefluß sorgt, deren Grundlagen er aufgrund lebenslanger Studien und nur einiger weniger Hilfsmittel wie LUOPAN ausübt. Das ist eine „runde Kompaßtafel chinesischer Geomanten, worauf die Himmelsrichtungen und ihre Koordinaten sowie die ihnen zugeordneten Elemente mit deren jeweiligen Eigenschaften verzeichnet sind.“, so schreiben es die Anmerkungen Nummer 3 auf Seite 313 des Shanghai Dinners, wo Wong die Welt rettet, unserer Meinung nach von allen Büchern das ungewöhnlichste und auch aktuell politischste seiner Romane.
Erst ist aber der Geomant zu klären, nachdem die fünf chinesischen Elemente als Wasser, Feuer, Holz, Metall, Erde ziemlich bekannt sind. Geomantie war auch in Europa eine handwerkliche Kunstfertigkeit, Energiezentren auf der Erdoberfläche aufzuspüren und die Erkenntnisse für die Besiedelung des konkreten Ortes zu nutzen. Es geht also darum, die Energien von Landschaften sinnvoll für den Menschen auszubeuten, vor allem aber Energieblockaden im Boden zu meiden. Wasser ist dabei ein wichtiger Faktor, aber die Wünschelrute, die nicht jedem gehorcht, ist noch für sehr viel mehr gut. Letzten Endes geht es darum, die für Menschenbehausungen optimalen Energiepotentiale aufzufinden. Heute wird Geomantie für die Stadtplanungen genauso herangezogen wie für das Wohnen, den Garten und den Standort des Hauses und seine Form.
Die Physik hat bisher weder Kraftlinien noch Energieblockaden, auch nicht Wasseradern wissenschaftlich für irgendetwas als Beweis erklären können. Dennoch spüren die meisten, daß es Orte gibt, an denen man sich wohl fühlt oder dessen Gegenteil. Wenn also Autor Nury Vittachi auf die Frage, ob er selber an Fengshui glaube, das er selbst bei einem Fengshui-Meister erlernte, dies verneint, aber hinzufügt: „Aber den Grundgedanken, nämlich daß die Umgebung einen beeinflußt, sollte man ruhig ernst nehmen.“, dann drückt er das aus, was uns alle bewegt und schon Shakespeare dazu brachte zu räsonieren: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich Eure Schulweisheit träumen läßt.“ Wir fügen im folgenden deshalb für Wißbegierige eine Liste von Fengshui-Literatur an, die wir eines Tages kommentieren werden.
Im Shanghai-Dinner hat es den sonst in Singapur lebenden Wong in die Hauptstadt des Turbokapitalismus verschlagen. Mit Sack und Pack, sprich unverschämter Sekretärin Winnie und Assistentin Joyce, errichtet er eine dort eine Zweigstelle und das nur aus einem Motiv: um viel Geld zu verdienen. In diesem Roman wird offensichtlich, daß Wong doch zum Fluß des Geldes beiträgt, denn alles, was er zusammenscharrt und schnorrt, muß er, will er sein Leben retten, höchst widerwillig wieder ausgeben. Wie der Sprachwitz auf hohem Niveau, der alle Romane zu einer höchst vergnüglichen Lektüre macht, wie die Sammlung von Sprüchen, die Wong sobald er dazu kommt in sein Notizbuch schreibt, die entweder altchinesische Weisheiten oder neue durch Vittachi gefundene sind, übrigens nie störend im Ablauf der Erzählung, sondern die jeweilige Passage bitterscharf würzend, wie die Gesellschaft der Berufsmystiker, der Wong angehört, und die die Romane mit weiteren pittoresken Personen – wie dem indischen Astrologe und Vastu-Gelehrte Dilip Kenneth Sinha sowie der chinesischen Wahrsagerin Madam Xu Chongli – bestücken, wie die Kabbeleien und steten Mißverständnisse zwischen Wong und Joyce, wie die wechselnden Liebesfrühlingsgefühle der erst 17- und später 19jährigen Joyce – die Romane leben auch davon, daß man vieles wiedererkennt oder schon zu lächeln anfängt, weil man des Fortgangs gewiß ist.
Vittachi spielt mit dem Fengshui-Meister, mit uns, aber auch mit sich selber und der Witz der Bücher besteht eben darin, daß sie bei ernsten Themen – denn Mord und Entführung und Diebstahl ist immer ernst – dennoch eine abgehobene Heiterkeit erzeugen, die in einem selbst eine gewisse Gelassenheit dem Schicksal gegenüber konstituiert. Dieses sich im Wiederholen lustvoll Wiedererkennende kontrastiert mit den völlig unterschiedlichen Fällen, die Wong & Co jeweils zu bearbeiten haben. Diese Spannung generiert sich geradezu aus dem Gegensatz von Vertraut und Fremd. Der erste Band führt das literarische Personal über Kurzgeschichten von Singapur aus in die angrenzenden Gebiete, wobei sie in Malaysia eine besonders schräge Situation erleben. Im „Geistesheiler“ muß Wong, der am liebsten im Büro sitzt und Fengshui anhand von Plänen berechnet, sogar nach Sydney, Heimat der nun schon Jo genannte Joyce. Da geht es Holterdiepolter und dann noch über Stock und Stein bis zur weltberühmten Oper von Sydney, die allerdings das allerschlechteste Fengshui hat, das Wong jemals untergekommen ist.
Warum das wichtig ist? Weil negative Kräfte einen Menschen töten können, vor allem aber weil unsere Gedanken ausschlaggebend sind, für das, was dann eintritt. Schon wieder ist der gesunde Menschenverstand eine Maßgabe, die nach allen Fengshuiberechnungen auf dem Tisch liegt. Natürlich verhindern der trockene Wong und die schrille Jo den Mord, aber wie sie das tun, das läßt uns an den Seiten kleben. Überblickt man dann noch einmal alle Bücher – „Der Fengshui-Detektiv und der Computertiger“ kennen wir noch nicht – so findet man bei der Analyse und Wiedergabe immer den am spannendsten, skurrilsten und lesenwertesten, den man gerade bespricht.
Und dennoch ist uns diese rätselhafte, auch grausame und in der gekonnten Konkurrenz von amerikanischen und chinesischen Sicherheitskräften urkomische Handlung des Shanghai-Dinners besonders ans Herz gewachsen. Das hat mit mindestens zwei Gründen zu tun. Die Verwicklungen mit Veganern und Vegetariern und den die Tiere bei lebendigem Leib gekocht, gebraten oder sonstwie verspeisenden Oberen Zehntausend, ersetzt dicke Bände voll von soziologischen Abhandlungen. Auch asiatischen Kochbüchern. Das ist dramaturgisch so geschickt im Ablauf inszeniert, daß man aus dem Staunen nicht herauskommt und den Mutterwitz der einheimischen Bevölkerung zu verehren beginnt. Der andere Grund liegt in dem mit aller Deutlichkeit geschilderten Konflikt zwischen der bevorzugten Han-Bevölkerung Chinas mit der politischen Macht und den unterdrückten Minderheiten, die Vittachi hier exemplarisch an den moslemischen Uiguren von Xinjiang, Ürümqi, Urumtschi vorführt.
Das, was die Zeitungen im Westen über die Situation der Uiguren heute schreiben, weil sich heute dort Prostest regt, hat der Zeitgeschichtler Vittachi schon 2006 zu Papier gebracht, als öffentlich der Konflikt noch nicht so virulent war. Hier im Shanghai-Dinner geht der Widerstand eines extremen und auch leicht wahnssinnigen Uiguren so weit, daß er den amerikanischen Präsidenten mitsamt dem chinesischen in die Luft schießen will. Warum am Schluß am Meeresboden ein weißer Elefant dran glauben muß und dort explodiert, ist eine so abenteuerliche Geschichte, die Sie selbst lesen müssen.
Nury Vittachi im Unionsverlag (metro):
– Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät, 2009
– Der Fengshui-Detektiv, 2003
– Der Fengshui-Detektiv und der Geistheiler, 2004
– Der Fengshui-Detektiv und der Computertiger, 2004
– Shanghai Dinner. Der Fengshui Detektiv rettet die Welt, 2008
Info I:
Uns haben die Geschichten des Fengshui-Detektivs, in deren Verlauf man bisher die Straßen und Gebäude, die Sitten und Gebräuche, das Essen und die Menschen von Hongkong, von Singapur, von Shanghai und Malaysien richtig kennengelernt, motiviert, auf den Spuren von Wong und Joyce zu wandeln, so daß wir uns jetzt einmal um Städtereisen dorthin kümmern werden und diese fortlaufen mitteilen wollen, denn wir hoffen die Fengshui-Reihe setzt sich fort. Im ITS Katalog Städtereisen 2009/10 wird schon einmal auf Seite 115 Hongkong angeboten.
Info II:
Kaum glaublich, für was Fengshui alles herhalten muß. Sucht man Titel, findet man mehr, als man wollte. Die meisten Bücher beschäftigen sich mit dem Einrichten von Haus und Garten, aber selbst Kochbücher gibt es und vor allem die Aufräumgeschichten, die die Leser von Nury Vittachi auch ohne Anleitung anwenden und mehrere Abfallkörbe unmittelbar nach dem Lesen entsorgen. Eine kleine Auswahl, die wir ein andermal kommentieren werden.
Margrit Lipczinsky, Helmut Boerner, Büro, Mensch & Feng Shui, Callwey 2000
Gudrun Mende, Feng Shui – Wenn Räume lächeln, Callwey 2008
Olivia Moogk, Barbara Sörries-Herrnkind, Qi-Gardens; Gärten gestalten mit Feng Shui, Silberschnur 2004
Manfred Kubny, Feng Shui: Die Struktur der Welt, Drachen 2008
Gina Lazenby, Wohnen, Wellness und Feng Shui, Callwey 2001
Kathrin Möller, 365 Tage mit Feng Shui, DVA 2007
Olivia Moogk Feng Shui und Naturmedizin, Silberschnur 2007
Hans-Peter Berti, So kocht das Leben. Das große Buch der Feng Shui Küche, Michaels Verlag 2005
Stefan Kessler, Europäisches Feng Shui für eine neue Wohnkultur, Orell Füssli 2007
Hedwig Seipel, Der Feng Shui Kompaß, Schirner 2004
Silvia Reichert de Palacio, Feng Shui. Der Garten der Harmonie, Gräfe&Unzer 2008
Lillian Too, Feng Shui total, goldmann 2005
Lillian Too, Feng Shui Lebensplaner, Südwest-Verlag 2006
Nadja Nollau, Feng Shui, Du bist, wie Du wohnst, Knaur 2006
Rita Pohle, Feng Shui für die Seele, Ariston 2005
Christopher A. Weidner, Feng Shui – du bist, wie Du liebst, Knaur 2007
Christine M. Bradler, Feng Shui. ein Lexikon von A-Z, Schirner 2007
Michael Bohne, Feng Shui gegen das Gerümpel im Kopf, Rowohlt 2007
Christopher A. Weidner, Feng Shui gegen das Chaos auf dem Schreibtisch, Rowohlt 2004
Thomas Fröhling, Katrin Martin, Feng Shui heute., Goldmann 2003
Elke Weßling, Petra Kunze, 300 Fragen zum Feng Shui, Gräfe&Unzer 2007
Paul Darby, Feng Shui im Haus, Goldmann 2009Nadja Nollau Feng Shui – Du bist, wie Du wohnst Droemer/Knaur 2009