Wandern am „Grünen Band“ im Harz – Von Kloster zu Kloster auf dem ehemaligen Todesstreifen

Ein Idyll auf dem grünen Band: Das Kloster Drübeck im Harz

Auf diesem Band existiert heute ein Wanderweg, das „Grüne Band“, der geradezu auf historisch sensible Wanderer wartet. Besonders in Deutschland war die Teilung Europas vor 1989 schmerzhaft spürbar gewesen: Freunde und Familien kamen nun nach langer Zeit der Trennung endlich wieder zusammen, der menschliche Mikrokosmos wurde von Selbstschussanlagen und Stacheldraht befreit. Die Menschen konnten nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder zueinander kommen, wer würde sich nicht an die unglaubliche Freude jener Tage erinnern, die leider so schnell verblasst ist. Kurios dabei: Dort, wo lange Zeit die Grenze schmerzte, war ein Biotop mit einer Vielzahl von andernorts verschwundener Pflanzen und Tieren entstanden, das es vorsichtig zu bewahren galt.

Von Kloster Drübeck aus geht es los

Der deutsche Teil des Wanderweges interessierte uns vom Weltexpress besonders. Wir waren auf dem Harzer Klosterwanderweg als Teil des „Grünen Bandes“ unterwegs und besuchten mehrere der historischen Klöster. Die erste Station unserer Reise ist das Kloster Drübeck. Der Mittelpunkt dieses über tausend Jahre alten Ortes früher Heiligkeit ist die frühromanische Klosterkirche St.Vitus. Mit ihren imposanten Doppeltürmen überragt sie die Häuser des malerischen Dorfes Drübeck am Fuße des mächtigen Brockenmassivs. Abseits der üblichen Touristenströme gelegen, ist das Kloster Drübeck am nördlichen Harzrand auf dem Weg zwischen Wernigerode und Goslar ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen auf dem grünen Band.

Erstmalig urkundlich erwähnt wurde das Kloster im Jahr 960 durch Otto I., einhundert Jahre später übergab König Heinrich IV das Kloster dem Bistum Halberstadt. 1599 brannte das Kloster teilweise ab, im dreißigjährigen Krieg wurde es fast völlig zerstört. Ende des 17. Jahrhunderts wurde Kloster Drübeck durch kurfürstliches Edikt dem Grafen zu Stolberg-Wernigerode übereignet. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten in der Zeit von 1720 – 1732 errichtete der Graf ein Damenstift mit ausgedehnten Nutz- und Ziergartengartenflächen. 1730 wurde die Linde im Klosterhof gepflanzt.

Frauen hüten die Werte

In seiner Blütezeit lebten bis zu 50 Nonnen im Kloster Drübeck. Sie nannten sich Benediktinerinnen und befolgten die strengen Regeln des heiligen Benedikt von Nursia. Elf Kapitel bestimmten den Tagesablauf: nach der Frühmesse ging es an die harte Arbeit in Küche, Garten Feld und Wald. Gegessen wurde nur zwei mal am Tag, gebetet öfter. Bis 1955 lebten Nonnen in Drübeck, danach wurde das Kloster als Erholungsheim genutzt.

Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wurde Kloster Drübeck als evangelisches Zentrum 1996 wieder eröffnet. Die verschiedenen Gästehäuser können bis zu 100 Gäste beherbergen. Die modernen Zimmer sind einfach gehalten, aber auch Fernsehen und Internet gibt es auf Wunsch.

Den meisten Gästen ist es jedoch lieber, intensive Momente der Stille, der Einkehr und des Gebets zu erleben. Einzelgäste und Gruppen mit eigenen Veranstaltungen wie Taufen oder Hochzeiten sind herzlich willkommen. Aber auch Tagungen und kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Kino oder Theater finden im Kloster Drübeck statt. Für das leibliche Wohl sorgen dabei Klosterküche und Klostercafé.

Doch wir sind nicht nur zum Schlemmen gekommen, sondern wollen den Harz entlang des „Grünen Bandes“ erkunden. Die Wanderung beginnt und führt uns zunächst nach Ilsenburg. Durch Wald und Felder marschieren wir zu dem malerischen Städtchen. Dort besuchen wir das ortsansässige Kloster.

Auch Männer halten ihren Glauben fest

Die Klosteranlage in Ilsenburg hat europäische Bedeutung und gehört seit seiner Gründung im Jahre 1018 zu den einflussreichsten und angesehensten Klöstern des nördlichen Harzes. Zur Blütezeit des Benediktinerklosters im 12. und 13. Jahrhundert lebten und arbeiteten hier bis zu 30 Mönche. Die Klosterkirche St. Peter und Paul ist , wie St.Vitus in Drübeck, ein weiteres Kleinod romanischer sakraler Architektur auf unserem Pilgerweg. Sie wurde zwischen 1078 und 1087 erbaut. Das im Klosterhof stehende Langhaus enthält bauliche Kostbarkeiten wie z.B. die Reste eines kunstvollen Gipsfußbodens aus dem 12. Jahrhundert. Das Refektorium und der Kapitelsaal gehören heute zu den ältesten erhaltenen romanischen Innenräumen der Harzregion.

Wir verlassen Ilsenburg und gehen immer weiter auf dem grünen Band. In Stapelburg sehen wir uns die Reste einer Burg an und verschnaufen ein wenig. Um uns herum grasen friedlich Schafe auf Streuobstwiesen während wir im Schatten der Ruine ausruhen. Es lohnt sich im Kreis den Burghügel hinauf zu wandern, denn man hat hier einen wunderschönen Ausblick auf das Harzer Vorland. Weiter geht es auf Schusters Rappen, vorbei an Pferden und Feldern. Unvorstellbar, das hier vor nur zwei Jahrzehnten Schüsse auf Menschen abgegeben wurden, die den Weg ihrer persönlichen Wanderung selbst bestimmen wollten.

Ein Segen: Die Grenze ist weg

Zwischen Abbenrode und Lochtum, wo wir heute an jeder Station unseres Weges den Segen des mitwandernden Pfarrers Christoph Carstens aus dem Kloster Drübeck erhalten, kam auch meine Familie Mitte der 50er Jahre zurück in den Westen. Zu der Zeit gab es noch keine Selbstschussanlagen, gefährlich war ein Grenzübertritt trotzdem. Wäre es ihnen nicht gelungen, man möchte nicht wissen was passiert wäre… Die historische Dimension ist also trotz der schönen Natur allgegenwärtig; zu schön, dass wir heute hier so friedlich und ungestört unseres Weges gehen können.

So gelangen wir über Wiedelah glücklich und erschöpft nach Wöltingerode ins dortige Kloster. Mit erfrischender Kühle empfangen uns die gewaltigen Räumlichkeiten. Kurz nach seiner Gründung durch Benediktiner 1174 wurde das Kloster 1188 von Zisterziensernonnen übernommen, die es zu seiner noch heute gut erhaltenen Größe ausbauten. Aus der Blütezeit ist eine umfangreiche Bibliothek mit hervorragenden Beispielen der Buchmalerei erhalten. Das heutige Bild wird durch einen barocken Baustil geprägt, da fast alle Gebäude nach einem Großbrand im Jahre 1676 wieder aufgebaut werden mussten. Die bis auf den heutigen Tag bestehende Klosterbrennerei von 1682 finanzierte den Wiederaufbau und produziert bis heute geistvolle Getränke nach altem Nonnenrezept.

Ein uraltes Rezept: Der Geist des Weines

Gebechert wurde halt schon immer, fromme Menschen bilden da keine Ausnahme. Verkostet werden die hochgeistigen Preziosen in der Krypta unter der Barockkirche. Ob dies jedoch der Grund für die Beliebtheit des Klosters Wöltingerode bei den Wallfahrern war, ist nicht überliefert. Wir wissen nur, das Wöltingerode heute ein beliebter Ort für Tagungen und Vermählungen ist. Ein Raum für Hochzeiten grenzt direkt an die Kirche an, durch eine Glasscheibe haben die Hochzeitsgäste einen schönen Blick auf den Altar. Entspannen können die Besucher des Klosters aber auch im rustikalen Klosterkrug mit Biergarten oder an festlichen Tafeln im Kreuzgang des Klosterhotels.

Der Harzer Klosterwanderweg führt danach über Immenrode und Grauhof ins schöne Goslar. Der Kirchentyp der Stiftskirche Grauhof ist in Norddeutschland einzigartig, ohne Vorbilder und ohne Nachfolge. Die dreijochige Wandpfeilerkirche mit dem lang gestreckten erhöhten Chor beeindruckt durch die ungewöhnliche Weiträumigkeit des barocken Gotteshauses. Sie ist leider nur zu besonderen Anlässen zu besichtigen und ansonsten geschlossen. Lohnendes Ziel für den unermüdlichen Pilger ist zum Schluss die Kaiserstadt Goslar. Im Mittelalter als "Nordisches Rom" bekannt, war Goslar ein Zentrum des Glaubens mit 47 Kirchen, Klöstern und Kapellen. Fünf große Pfarrkirchen sind noch heute in der Altstadt erhalten und prägen auf beeindruckende Weise das Goslarer Stadtbild.

Eine Reise auf dem Klosterwanderweg als Teil des grünen Bandes Deutschland hält eine Menge an Wissenswertem, Nachdenklichen und Besinnlichen für den Besucher bereit. Wer es schafft, sich für die Geschichte, die Schönheit und die Natur der Region zu öffnen, der wird reich belohnt werden.

Kontakt: www.erlebnisgruenesband.de

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