Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten – Gisbert zu Knyphausen: „Hurra! Hurra! So nicht!“

Um es kurz zu machen: Die Fans des nicht mehr ganz unbekannten und mittlerweile in Berlin lebenden Gisbert Zu Knyphausen werden das neue Album bestimmt aus gutem Grund lieben, denn „Hurra! Hurra! So nicht.“ hat sich trotz der relativ kurzen Entstehungszeit deutlich weiter entwickelt, hat etwas weniger Liedermacher-Style und ist somit zugänglicher als das 2008 erschienene Debüt "Gisbert zu Knyphausen". Und trotzdem sind es wieder mal die Texte, die sich sofort ins Gehör reinschrauben. Ob nun im halb unprätentiösen, fast schon aufbrausenden Opener "Hey", im überraschend romantischen "Ich bin ein Freund von Klischees und funkelnden Sternen" oder im rhythmisch äußerst potenten Titeltrack – zu Knyphausen hat nichts als die reine Wahrheit mitzuteilen. Worte, die zielen, treffen und erlegen. Wen oder Was? Den grausamen Alltag und seine Komplizen. Woher kann er das so gut? Wahrscheinlich eine Mischung aus Naturtalent, teuer bezahlten Erfahrungswerten und jeder Menge Zigaretten und Rotwein nach Mitternacht.

Etwas dunkler, ruhiger und reduzierter sind die neuen Stücke geworden, aber auch tiefer und musikalisch interessanter umgesetzt – was sicherlich auch Produzent Tobias Levin (Tocotronic, Kante, Slut, Jens Friebe) zu verdanken ist. Die wirklich gute Begleitband – Keyboarder Gunnar Ennen, Gitarrist Jens Fricke, Bassist Frenzy Suhrs und Drummer Sebastian Deufel – die es sich irgendwo zwischen Indie und Folk hübsch eingerichtet hat, unterstreicht, markiert, umkreist, schraffiert, aber hält sich ansonsten vornehm zurück, schreibt niemals selbst auf die Linie. Und vorne steht Gisbert mit seiner Gitarre, grübelt, schimpft, zweifelt, denkt nach, und hin und wieder singt der Protagonisten sogar ganz alleine nur zur Akustikgitarre. Mein persönlicher musikalischer Höhepunkt allerdings ist das sehr eingängige "Kräne", wo sich Bilder in einer Schärfe vor dem inneren Auge abspielen, wie es besser kaum geht. So ein angejazztes und groovendes Stück wie "Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten" dagegen hätte man gar nicht von ihm erwartet. Das war es dann aber auch schon mit beschwingenden Momenten auf dieser Platte, seinen Hang zur Melancholie pflegt zu Knyphausen mittlerweile nämlich noch mehr als auf seinem ersten Album. Und um dies auf seine ihm ganz eigene Art und Weise zu unterstreichen, hat er ihr sogar extra ein Lied gewidmet und singt darin: "Fick Dich ins Knie, du kriegst mich nie klein!"

Fazit: Auch wenn Gisbert stimmlich gesehen noch eher an Lagerfeuerromantik und weniger an einen, der auf Bühnen steht erinnert, was ihn von anderen jungen, deutschen Liedermachern und artverwandten Pop-Bands unterscheidet, ist die Vermeidung von plakativen Worthülsen. Hurra! Hurra! So nicht.- ist (im positiven Sinne) textlastiger und durchaus überzeugender als sein Vorgänger. Es ist nicht gewollt überkandidelt und intellektuell, es berührt einen, ohne kitschig zu sein. Und es zeigt eindrucksvoll die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Gisbert zu Knyphausen ist ein verdammt guter Songwriter.

Einen ersten Eindruck gibt es hier:

http://www.myspace.com/gisbertzuknyphausen

Label: PIAS Germany / Rough Trade

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