Walter Ulbricht im Abgeordnetenhaus – Die Ausstellung »Helden auf Zeit« präsentiert Porträts aus dem Kunstarchiv Beeskow

So verbissen sieht der Hausherr, Prädident Walter Momper (SPD), das nicht. Während der Vorbereitung der Ausstellung sah er sich sehr wohl mit der Frage konfrontiert, warum gerade das Berliner Parlament ein Ort sein solle, DDR-Auftragskunst zu präsentieren.

Stein des Anstoßes war vor allem das Porträt Walter Ulbrichts, von Wilhelm Rudolph im Jahre 1966 gemalt. In Mompers Verwaltung gab es Befürchtungen, die »Opferverbände« könnten Schwierigkeiten machen. Doch davon ließ Momper sich nicht beeindrucken. Er hatte ja gesagt zur Ausstellung und dabei blieb es.

Könnte die Beschränkung auf diese Werke nicht einseitig sein oder durch die Präsentation von Porträts bestimmter Personen deren politische Rolle in der DDR verharmlosen? fragte Momper in seiner Eröffnungsansprache rhetorisch. Jedoch: Er sei der Auffassung, dass Kunst wie Politik Orte brauche, an denen sie sich präsentieren könne. Und das Abgeordnetenhaus an der ehemaligen Nahtstelle zwischen Ost und West sei ein guter Ort, um die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte zu führen. Momper machte deutlich, dass er sich keineswegs mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im »SED-Staat« und mit einem die Künstler reglementierenden System anfreunden könne. Reflexion jedoch sei notwendig, und die Werkschau eröffne eine interessante Retrospektive, weil die Entstehung der Porträts einen längeren Prozess der persönlichen Auseinandersetzung der Künstler mit den abgebildeten Personen und dem System vorausgesetzt hätte. Er erkenne sogar Zeichen dafür, wie sie als Künstler und Staatsbürger gegen Vorgaben und Strukturen kämpften und dazu betrugen, »dass der SED-Staat 1989 am Ende war«. Spannende Diskussionen seien erwünscht.

Auch der Präsident des Brandenburgischen Landtags, Gunter Fritsch (SPD), ließ es sich von den Bedenkenträgern nicht nehmen, auf »sein« Beeskow stolz zu sein. Zu lange sei die DDR- Kunst nur ideologisch betrachtet worden. Das sei zum Glück überwunden. Nun widme sich die Wissenschaft der Einordnung und Aufarbeitung dieser Kunst, »die zu unserer Geschichte gehört«. Die Rettung der Kunstwerke 1990 habe sich als Glücksgriff erwiesen und sei Grundlage dafür, dass »den folgenden Generationen ein tiefer Einblick in die Kunst im vergangenen deutschen Staat und damit auch in das Leben in dieser Zeit gegeben wird. Die Kunst widerspiegelt in der Regel die Lebensrealität, in der sie entstanden ist.«

Schließlich ist Brandenburg an den Schätzen des Kunstarchivs Beeskow beteiligt. Spontan lud Fritsch die Ausstellung in die Galerie des Landtags in Potsdam ein. Das wäre die erste Ausstellung des Kunstarchivs in seinem Hause, und sie ist überfällig.

Tatsächlich ist die Ausstellung vielschichtig. Denn neben Helden des Widerstands gegen die Naziherrschaft, neben Arbeiterführern, bekannten Künstlern und Wissenschaftlern porträtierten die Maler und Bildhauer auch »unscheinbare« Menschen wie den Landbriefträger (Renate Niethammer), zwei Bauarbeiter (Norbert Wagenbrett), seine Eltern am Tage ihrer Goldenen Hochzeit (Rolf Schubert), eine junge Schauspielerin (Karl Heinz Sieger), einen Traktoristen (Joachim Jastram), eine Giessereiarbeiterin (Jürgen Parche), die Bestarbeiterin Hilde Müller (Ursula Schmidt) und den Meister Schuchna (Gudrun Brüne),

Das Kunstarchiv Beeskow ist in seiner Erläuterung bescheiden genug, mit den Werken aus seiner Sammlung die Porträtkunst jener Zeit nur zum Teil widerspiegeln zu wollen. Doch könne die Auswahl viele Muster nachvollziehbar machen und sowohl propagandistisch Gewolltes als auch viel Verborgenes und Unaussprechliches im menschlichen Antlitz sichtbar machen. In der Kunst der DDR habe ein tiefes Vertrauen in die Ausdruckskraft der menschlichen Gestalt existiert, das bei allen Widersprüchen und Rückschlägen nie verloren ging.

Die Kuratorin Simone Tippach-Schneider und die an der Auswahl beteiligten Kunstwissenschaftler gaben den Porträts Texte bei, die dem Betrachter noch dieses und jenes bewusst machen – eine Praxis übrigens, die das Kunstarchiv Beeskow in allen seinen Ausstellungen übt. Wer in der DDR gelebt hat, erkennt vieles wieder oder auch neu. Und wer aus dem Westen kommt, hat so manches Aha-Erlebnis. Auch das ist eine Erfahrung mit altbundesdeutschen Besuchern, die in und um Beeskow manch Neues und Unvermutetes entdecken. Neugierigen kann also die Ausstellung empfohlen werden.

Die Sache hat nur einen großen Haken: Die von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) verfügten verschärften Antiterrorismus-Sicherheitskontrollen gelten auch für das Öffentliche Gebäude Abgeordnetenhaus. Hinein dürfen nur Abgeordnete und dort Beschäftigte, oder wer seinen Besuch avisiert hat. Walter Ulbricht würde sich rückversetzt fühlen in die Waldsiedlung Wandlitz, streng abgeschirmt und bewacht. Dafür kann Walter Momper nichts. Gewöhnlich hat sein Haus viele Besucher, einzelne oder in Gruppen. Heute muss man sich anmelden, den Personalausweis oder einen Pass mitbringen. Seine Waffen muss der Besucher zu Hause lassen. Der Eintritt aber ist kostenlos.

Und einen Bonus gibt es auch: Zusätzlich zu den »Helden auf Zeit« kann man sich die Galerie der Berliner Ehrenbürger anschauen, unter ihnen Generaloberst Nikolai Erastowitsch Bersarin und Wolf Biermann. Besonders interessant sind in beiden Galerien Porträts, die Bert Heller, Lutz Friedel und Ronald Paris gemalt haben, Werke, die zum Vergleich herausfordern. Wer Glück hat, kann an einer Führung teilnehmen. Geöffnet ist die Exposition bis zum 11. März, Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr.

Anmerkungen:

Anmeldung bei Frau Waltraut Schulz, Tel. 030 23 25 10 65. Email: waltraut.schulz@parlament-berlin.de

Erstveröffentlichung in junge Welt vom 24.2.2011.

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