Als Tuvla Bielski erinnert Hauptdarsteller Daniel Craig irgendwie an Burt Reynolds aus “Deliverance”. Liegt es daran, dass die Filmtitel so ähnlich klingen? Beim Sterben ist in “Defiance” jedenfalls jeder der erste. Am Anfang zumindest. Wie kann es anders sein, allein im Wald, von Nazis umzingelt, ohne Medikamente und Verpflegung? Hierhin verschlägt es die Protagonisten in der 1941 in der Sowjetrepublik Weißrussland ansetzenden Filmhandlung. Auf der Flucht vor den Nazis schließen sich die jüdischen Brüder Tuvla, Zus (Liev Schreiber) und Asael (Jamie Bell) Bielski in den russischen Wäldern mit anderen Überlebenden aus den Ghettos zu einer Widerstandsgruppe zusammen. Immer mehr Überlebende stoßen zu der ursprünglich aus wenigen Entkommenen bestehenden Gruppe. Im Wald bauen sich die Menschen eine notdürftige Existenz auf, ursprünglich nur als vorübergehende Überlebensmöglichkeit gedacht. Sie errichten Häuser, schließen sich in temporären Ehen zusammen und beginnen die umliegenden Dörfer nach Lebensmitteln zu durchkämmen. Was als eine Art Flüchtlingssiedlung begann, formiert sich unter Tuvlas Führung zur Partisanengruppe. Neben den Nazis werden Hunger und der unerbittliche Winter zu den größten Feinden der Waldbewohner.
Während die Entbehrungen unerträglich werden und immer mehr Bewohner Krankheiten und Erschöpfung zum Opfer fallen, planen die faschistischen Soldaten den entscheidenden Schlag gegen die Widerständler. Tuvla startet eine lebensgefährliche Mission, um seine Leute zu retten. Eine, wie sie typisch ist für Kriegsfilme. Nur basiert “Defiance” auf Leid und Widerstandskampf der russischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges. Zu der filmhistorisch weitgehend ignorierten Geschichte jedoch ein Standardwerk zu kreieren, gelingt nicht. Vielleicht muss ein solches aus dem jeweiligen Heimatland kommen, wie “Rom, offene Stadt” oder “Mrs. Miniver” oder “Die Wölfe sind unter uns”.
Es ist nicht David Thoureaus “Walden“, wo “Defiance” spielt. Die Menschen hausen in Holzbaracken, Essen wird rationiert, medizinische Versorgung gibt es kaum. Die Existenz in der Siedlung versucht Edward Zwick realitätsnah zu schildern. Ergreifende Bilder findet er dafür jedoch nicht. Wie die Alltagspraxis in der Waldsiedlung ablief, vermag der Film nur formal zu konstruieren. Von dem Befinden der Bewohner während ihrer von permanenter Bedrohung geprägte Existenz spürt man nichts. Zwischen vereinzelten Momenten der Härte wie dem Lynchmord an einem gefangenen deutschen Soldaten, fällt er ins Beschönigende zurück. Kontroverse Themen werden ignoriert. Tuvla verkündet vor versammelter Gemeinde, hier in den Wäldern sei der einzige Ort, wo sie frei sein könnten. Doch was ist das für eine Freiheit, in der Schwangerschaften verboten sind und ein Aufbegehren gegen die Anführer den Ausschluss aus der Gruppe, der hier dem Tod gleichkommt, bedeutet? Lilka (Alexa Davalos), Tuvlas Geliebte, deutet an, dass die Frauen den Männern sexuell gefügig sein müssen, je nach deren Rang oder um Vergünstigungen zu erhalten.
Dieses Thema übergeht der Film stillschweigend. Ebenso werden die sozialen Konflikte kaum erwähnt. Dabei wäre dies ein interessanter Handlungsaspekt gewesen, denn die vorher gültige Stellung nach Besitz und gesellschaftlichem Rang hat sich durch die veränderten Lebensumstände umgekehrt. Zähigkeit und praktische Vernunft zählen in der Waldsiedlung mehr als Intellekt. Unter den unmenschlichen Bedingungen ist Verrohung kaum vermeidbar. Doch Zwicks Protagonisten erscheinen makellos menschlich. Sogar nach dem Rachemord an einem bösen Nazi plagt Tuvla das schlechte Gewissen. Daniel Craig kann der oberflächlich angelegten Rolle trotz seiner schauspielerischen Begabung keine Tiefe verleihen. Ebenso ergeht es Jamie Bell und Liev Schreiber, die das konventionelle Drehbuch in die Rollen “kleiner sanftmütiger Bruder” und “älteres Raubein” drängt.
Tuvla repräsentiert dementsprechend den goldenen Mittelweg zwischen den beiden Charaktertypen.
Gemeinschaft ist wichtiger als Waffengewalt, sagt ein Protagonist zu Tuvla. Gerade über diese erfährt man nahezu nichts. Den unterschwelligen Konkurrenzkampf zwischen dem Brüderpaar Tuvla und dem hitzigen Zus psychologisch zu thematisieren, vermeidet “Defiance”. Der Schritt vom reinen Kriegsfilm zum Drama gelingt nicht. Die Vielschichtigkeit seiner Thematik kann das Werk nicht bewältigen. Zu glatt sollte alles laufen, bei dem ersten Hollywoodfilm über den Kampf der Russen im Zweiten Weltkrieg. So scheitert “Defiance” an der eigenen Bemühtheit. Einen bequemen Kriegsfilm gibt es nicht, doch dieser Erkenntnis verweigert sich Hollywood wie so oft. “Defiance” bedeutet neben Widerstand auch Verweigerung. Etwas mehr davon gegenüber der Massentauglichkeit hätte gut getan.
Originaltitel: Defiance
Deutscher Titel: Unbeugsam
Genre: Kriegsdrama
Land/Jahr: USA 2008
Kinostart: 23. April 2009
Regie und Drehbuch: Edward Zwick
Darsteller: Daniel Craig, Liev Schreiber, Jamie Bell, Alexa Davalos, Mark Feuerstein
Verleih: Constantin
Laufzeit: 121 Minuten
FSK: Ab 12