Ein besonderes Ereignis hat am 14.8. begonnen und wird am 31.8. enden: das Festival “Ramazan’da Caz” auf Deutsch “Jazz im Ramadan”. Organisiert von dem erfahrenen Organisator anderer hochqualifizierter Musikevents, Hakan Erdogan, handelt es sich hier um eine Premiere, zu der er – zugegebenerweise primär um gerade im islamische Fastenmonat Aufmerksamkeit zu erregen – ausschließlich muslimische Musiker herangezogen hat. Die Liste ist eindrucksvoll.
Es treten entweder im Archeologischen Museum der Stadt oder in den Gärten des osmanischen Sultanspalasts Topkapi Serail der schwarze US-amerikanische Pianist Ahmad Jamal, der als einer der wichtigen Einflüsse für Miles Davis gilt, der einst unter dem Namen Dollar Brand bekannte südafrikanische Pianist Abdullah Ibrahim, der tunesische `Ud-Spieler und Sänger Anouar Brahem, einer der führenden Virtuosen auf dieser arabischen Laute, der ebenfalls aus Tunesien stammende `Ud-Spieler und Sänger Dhafar Youssef, der noch stärker als A.Brahem moderne Jazz- und “World Music”-Klänge in seine Musik einbaut, auf.
Weiter spielen der von John Coltrane und Joe Henderson beeinflusste türkische Tenorsaxophonist, Ilhan Ersahin, der ebenso international bekannte Jazz-Pianist Aydin Esen, der mit solchen Stars wie Eddie Gomez, Gary Burton und Pat Metheny gespielt hat, und schließlich die Meister der traditionellen türkischen Kunstmusik, der Sänger MünipUtande, der Werke des Sufi-Komponisten und Zeitgenossen von Beethoven, Dede Efendi, interpretiert, und Kudsi Erguner, einer der hervorragendsten Spieler der orientalischen Querflöte `Nay”, eines zentralen Instrumentes der Sufi-Musik, der u.a. auch die Musik solcher Filme wie “The Last Temptation of Christ” und des indischen Films “Mahabharata” mitgeprägt hat.
In der Zeitung “Today’s Zaman” betont Hatice Ahsun Utku”, dass zur Kultur des Fastenmonats Ramadan seit jeher auch eine Kultur der Unterhaltung gehöre, dass aber deren traditionelle Formen, wie das Schattentheater oder Canto-und Fasil-Musik in den letzten Jahrzehnten in Gefahr liefen, fast vergessen zu werden. “Ramazan’da Caz” sei in diesem Zusammenhang ein bemerkenswertes Projekt,das die Essenz der Ramadan-Unterhaltung mit modernem künstlerischen Geschmack zusammenbringe. In der Tat ist es auch Erdogans erklärtes Ziel, das seit geraumer Zeit verloren gegangene Niveau der hierzu gehörenden Kultur wieder zu heben. Dazu gehöre auch, dass darauf verzichtet werde, etwa die Werke von Dede Efendi zu “modernisieren”. Sie sind schon perfekt und benötigen ganz sicher keine “Remixes”, falls es überhaupt gute Musik gibt, die das erträgt.
Dass dieses Mal nur muslimische Musiker auftreten, sei keineswegs eine Festlegung auf die Zukunft. In der osmanischen Zeit seien die Sänger, die im Ramadan Unterhaltung geboten hätten sehr oft christliche Armenier und Griechen oder Juden gewesen. “Durch dieses Festival”, so Erdogan, “sage ich: `Schaut her, wie sind ein muslimisches Land, aber wir sind diese Art von muslimischen Land’ ”. Es gebe im übrigen bereits internationals Interesse daran, seine Idee aufzugreifen, etwa im bevölkerungsreichsten muslimischen Land überhaupt, in Indonesien. Er werde sich bemühen, ähnliche Projekte z.B. auch in Ländern wie Syrien oder Jordanien zu verwirklichen.
Die Kunst und insbesondere auch die Musik hat es seit jeher nicht unbedingt mit Religion im engeren Sinn, wohl aber mit Spiritualität zu tun. Im Jazz steht dafür beispielsweise besondes John Coltrane. Dassnun in Istanbul Musiker zusammenkommen, die sich zum Islam bekehrt haben oder eine aus der Tradition des islamischen Mystizismus (Sufismus) stammende Musik direkt praktizieren oder in ihre Arbeit integrieren, kann daher nicht verwundern, ebensowenig wie die Tatsache, dass sie sich hiermit deutlich von jedem Fundamentalismus abgrenzen. Es ist kein Zufall, wenn Irans Oberster Führer, Ayatollah Khamenei, noch Anfang August dafür plädiert hat, sich nicht mit Musik zu beschäftigen. Musik betrifft das auch den Sufis so wichtige Innere, Khameneis Islam jedoch die Unterordnung unter die Gesetze.
Im übrigen ist dieses Festival als ein Jazz-Festival für Istanbul alles Andere als einzigartig. Die Stadt verfügt über einne Reihe Jazz-Clubs, in denen regelmäßig die Crème der internationalen Jazzweltspielt, und erst vor kurzem, vom 1. bis 20.Juli fand dort das immerhin “17th International Istanbul Jazz Festival” statt. Ob die Tatsache, dass mit den Gebrüdern Ertegun schon in 50er Jahren zwei Türken in den USA eine der damals wichtigsten Jazz- und R&B-Schalllattenfirmen, “Atlantic” gegründet hatten, da irgendetwas mit zu tun hat, entzieht sich meinen Kenntnissen.
Diejenigen, die keine Zeit oder kein Geld haben, schnell nach Istanbul zu reisen, können übrigens einige der genannten Künstler, unter ihnen Elhan Ersahin und Kudsi Erguner zum Ende des diesjähriigen Ramadan,am 10. und 11.September, im Rahmen der dreitägigen Konzertreihe “Diwan am Rhein” in der Philharmonie in Köln hören und sehen.