Und deshalb will sie mit den Gästen am frühen Morgen im öffentlichen Bus in diese heile Welt fahren. Nur spielt ihr der Bus einen Streich. Es fährt ein Bus vom Kirchenwirt Zederhaus vor mit nur acht Sitzen, von denen sechs bereits besetzt sind. Sagt der Fahrer: „Wer hätte denn gedacht, dass gerade heute so viele mit wollen?“ Aber er ordert einen zweiten Wagen, und auf geht`s zur Schliereralm auf 1500 Meter.
Einmal umsteigen in den offiziellen Tälerbus zur Königalm im Naturpark Riedingtal. Endhaltestelle. Sodann heißt es wandern bis zur letzten Hütte im Tal auf 1710 Meter. Verdursten können wir nicht, überall fließt klares Quellwasser in die Holzbrunnen, teilweise „missbraucht“ als Getränkekühler. „Ja“, meint Berg-Fex Helga, als wir uns erfrischen, „der Lungau ist besonders wasserreich. Wenn ihr in einen unserer Seen steigt, dann merkt ihr zwar die Kälte, aber es sind Jungbrunnen, die Falten verschwinden.“
Dass er auch holzreich ist, sehen wir an den vielen Holzstapeln und daran, dass alle Hütten aus Holz gefertigt sind. Und originelle hölzerne Kunstwerke entstehen. Man schnitzte aus einem Baumstamm einen Stuhl mit Tisch, eine lustige Bar, wo einer sich schon unter den Tisch getrunken hat, witzige Hinweisschilder, etwa, dass es hier zur Örgenhiasalm im Naturpark Riedingtal geht, wo wir auch als erstes hinwollen.
Bäuerin und Sennerin Helene bewirtschaftet Hütte und Alm im 21. Jahr, aber immer nur drei Monate im Sommer. Da hat sie viel zu tun bei zehn Kühen, die 100 Liter Milch täglich geben, die sie selbst verarbeitet. „25 Liter Sauerrahm brauche ich für ein Kilo Butter“, sagt sie, „und ich mache bis zu zehn Kilo am Tag und dann noch Topfen und Graukäse, das ist der bröckelige.“ Wofür sie das alles braucht? „Na, für Jausen für die Gäste, ich backe ja auch Brot selber, aber alles ohne Hast, mir san total entschleunigt.“
Eine solche Jause dürfen auch wir kosten.
Sie brauche keine Zeitung, kein Fernsehen, aber sie habe ein Radio, und die neuesten Nachrichten erfahre sie von den Wandergästen. Sie erzählt, eine Kölner Bankmanagerin habe fünf Wochen Urlaub in ihrer Hütte gemacht, wobei sie mitgearbeitet habe. „Die hat gemolken und unser Almleben gelebt und war sehr glücklich.“
Das hört man doch gern.
Weiter geht es über Stock und Stein, grün bewachsene Steine, wie von Riesen geschleudert, sprenkeln die bunten Blumenwiesen, vorbei geht`s an neugierigen Kühen und Ziegen, über mit schmalen Holzstegen überbrückte Bäche.
Das Riedingtal mit zehn bewirtschafteten Almen wurde aufgrund seiner landschaftlichen Schönheit und seines großen Wertes für Erholung und Tourismus bereits 1941 unter Landschaftsschutz gestellt.
Wir erreichen die Zauneralm. Hier herrscht „die Heidi von der Zauneralm“. Sie habe vor 22 Jahren bei einem Kräuterlehrpfad mitgemacht und kenne sich nun mit all den Heilkräutern aus. „Was dem Kuheuter geholfen hat, hilft auch dem Mensch“, dachte sie und setzte ihr Denken um. Sie weiß, wofür Wundklee, Spitzwegerich, Meisterwurz, Quendel, Enzianwurz, Beinwell gut sind und verkauft entsprechend häufig ihre Salben und Cremes an die Gäste. Aus Wunsch verschickt sie sie auch. „Wenn nichts mehr hilft“, meinte mal ein HNO-Arzt, „dann doch solche selbst zusammengestellten Alpenkräuter.“ Lachend fügt sie hinzu: „Meisterwurz zum Beispiel hilft dem Vater auf die Mutter.“
Als Entschädigung für ihre Einkäufe bekommen die Gäste Hehnasteig zum Probieren. „Hehnasteig“ bedeutet Hühnerkäfig und ist ein süßes luftiges in Fett ausgebackenes Gebäck.
Das gleiche in salzig, aber mit Kümmel und Sauerkraut bekommen wir in der Gruber-Hütte zum Mittagessen, Hasenöhrl genannt. Die Gerichte sind bäuerlich schlicht, Kasknödelsuppe, Leberknödel, Kräuterknödel, Fleischknödel, Topfenstrudel, Heidelbeermilch, Buttermilch und „Holler vom Minzensaft“. Als Dessert gibt es Bauernkrapfen.
„Unsere 40 Jungrinder sin olle da oben“, erzählt die Bäuerin, die von Ende Mai bis Mitte Oktober die Hütte bewirtschaftet. „Fünf Pferde haben wir noch und drei Schweine zum selber Vermarkten, im Herbst werden sie geschlachtet, im Frühling kaufen wir neue.“ Wir erfahren, dass einmal im Jahr gemäht wird, sonst nur abgeweidet. Der Pferdemist komme als Naturdünger auf die Wiesen. „Und die Holzschindeln am Haus, die vor Weihnachten bei Neumond geschlägert wurden, halten mindestens 100 Jahre.“ In der Tat eine heile Welt, der Lungau!
Zurück im „Schlickwirt“, ist Wellness angesagt, am besten geht man gleich nach draußen, wo die Fasssauna wartet, eine mir bis dahin unbekannte witzige Einrichtung. Nach dem Saunieren und Schwimmen freut man sich aufs Abendessen. Der Gasthof ist von der Steirischen Gesellschaft für Gesundheitsschutz mit einer Grünen Haube ausgezeichnet. Das bedeutet Naturküche, es werden nur regionale Produkte in der Küche verwendet. Also Brot vom Bäcker vor Ort, Salat und Gemüse aus dem eigenen Garten, heimisches Fleisch, etwa Weißburger Hirschbraten in heimischer Schwammerlsauce mit Serviettenknödel und Apfelrotkraut. Als Dessert zum Beispiel Dinkel-Apfel-Schmarrn. Wirt und Koch Peter Gruber macht es jedem recht und kocht auch passend für jedwede Allergie. Morgens liegt das Tagesprogramm auf dem Frühstückstisch, wünscht „einen wunderschönen Guten Morgen“ und stellt auch das Abendmenü mit vier Gängen vor.
Was soll da noch schiefgehen.
Infos: Gasthof und Landhotel Schlickwirt, Familie Gruber, Oberweißburg 12, A-5582 St. Michael im Lungau, www.schlickwirt.at, www.lungau.at und www.salzburgerland.com