Turandot im Staatstheater Nürnberg – Zwei Stunden Oper der spannendsten Art

Szene aus der Oper Turandot im Staatstheater Nürnberg. © Staatstheater Nürnberg, Foto: Ludwig Olah, 2014
Eine Grundentscheidung der Nürnberger Konzeption trägt dabei wesentlich zu der nachhaltigen Wirkung der Aufführung bei: Der Verzicht darauf, den nach Puccinis Tod hinzukomponierten Schluss (mit Happyend) aufzuführen und die dadurch gewonnene Möglichkeit, die Oper in einem Stück und ohne Pause zu spielen. Bühnenbild, Musik und Personenführung gewinnen in dieser Inszenierung eine solche Einheit und Faszination, dass man dem Ablauf der Parabel gebannt folgt und eigentlich höchst ungehalten reagieren müsste, würde man zwischendurch zu Sekt und Häppchen ins Foyer geschickt.
Bestimmt wird die Bühne von dem Agieren des Chores, der in seinen blauen Anzügen wahlweise an die Zeiten der Kulturrevolution in China erinnert – man fühlt sich zuweilen an Pekingopern jener Zeit erinnert – aber auch Assoziationen an die Auswüchse des aktuellen Industrialisierungsprozesses Chinas zulässt. Es herrscht ungebremste und unkontrollierte Gewalt, zugespitzt in den Figuren der drei Minister Ping, Pang und Pong, die in russisch oder nordkoreanisch anmutenden Uniformen während der gesamten Handlung als brutale Vollstrecker auftreten, selbst in der Anfangsszene, wo sie den Prinzen gemäß Libretto doch vor dem aus ihrer Sicht sicheren Schicksal des Geköpft-Werdens bewahren wollen. Eingebettet in diese Gewaltorgie verläuft die Interaktion der drei Protagonisten Turandot, Prinz Calaf und der Sklavin Liu, wobei einzig die Sklavin in ihrer durch Liebe motivierten Opferbereitschaft menschliche Züge gewinnt. Denn der Prinz steht ungerührt daneben, als sie gefoltert wird und für ihn stirbt. Zwar gibt er sich als motiviert durch Turandots Schönheit, aber es geht ihm wohl eher um einen abstrakten Besitz denn um die Person. Und auch Turandot (gesungen von Rachael Tovey) bleibt in Nürnberg unemotional, nur sich selbst und der zur Rechtfertigung ihrer Haltung herangezogenen Geschichte ihrer Ur-Ahnin verhaftet. Bei dieser Disposition einen versöhnlichen Schluss anzufügen, bei dem die Liebe als Himmelsmacht solche Gegensätze plötzlich aufhebt und versöhnt, wäre in der Tat unglaubhaft.

Bühnenbild und Beleuchtung tragen zur Wirkung der Aufführung wesentlich bei. Faszinierend z.B. die Szene, in der eine Vielzahl leuchtender roter Ballons über dem Geschehen auf- und abschweben. Andererseits: Nicht alle Bilder erschließen sich dem Besucher ohne weiteres (so z.B. die Szene, in der die Minister optisch zum Conchita-Wurst-Zitat mutieren), aber dies ist auch nicht unbedingt notwendig. Entscheidend ist der absolut überzeugende Gesamteindruck, der den Besucher über die ganze Spieldauer nicht verlässt.

Weitere Vorstellungen am 5., 10. Und 23. November sowie am 11., 19. Und 30. Dezember.
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