„Tourismus ist ein Segen für die Stadt“ – Berlin und Brandenburg wollen Zusammenarbeit im Fremdenverkehr intensivieren

Hochkarätiges Podium: Prof. Dr. Mathias Feige, Geschäftsführer dwif-Consulting Berlin GmbH; Dieter Hütte, Geschäftsführer Tourismus-Marketing-Brandenburg GmbH; Burkhard Kieker, Geschäftsführer Berlin Tourismus Marketing GmbH; Hans-Peter Gaul, CTOUR-Vorstandsprecher und Lutz Freise, Geschäftsführer der Reederei Riedel Berlin

Gemeinsamer Auftritt auf der ITB 2011

Eine der wichtigen Botschaften des Abends ist das weitere Zusammenrücken der Tourismus-Vermarkter von Berlin und Brandenburg. So wird es erstmals auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) 2011 den lange erwarteten gemeinsamen Stand geben. Burkhard Kieker stellte fest: „Wir freuen uns, dass wir mit den Brandenburgern so ein schönes Projekt von A bis Z durchziehen können“ und resümierte, dass Berlin über viele Jahre nicht mit eigenem Stand auf dieser wichtigsten Messe für Tourismus weltweit vertreten war, auch mit der Begründung, als Standort der ITB sei Berlin sowieso präsent. „Aber für die vielen touristischen Partner, die wir haben, ist es wichtig, dass sich Berlin auf der Messe darstellt“, so Kieker. „Und wenn wir es machen, dann ist für mich Berlin ohne Brandenburg nicht denkbar, beide gehören zusammen.“ Und Kieker stellte fest: „Mit dem gemeinsamen ITB-Stand, mit der Art, wie Berlin und Brandenburg miteinander verknüpft und verwoben sind, vieles ineinander fließt, sind wir manchen Politikern weit voraus, was die Visionen einer engen Zusammenarbeit betrifft.“

Auch Dieter Hütte bestätigte, dass die Zusammenarbeit zwischen den Marketinggesellschaften von Berlin und Brandenburg schon immer gut war und auch permanent weitergeführt wird. Hütte rechnete vor, dass beide Regionen schon im Jahr 2011 zusammen 34 Millionen Übernachtungen aufweisen könnten. „Damit haben wir dann auch im bundesdeutschen Ranking eine hervorragende Position.“ Er zeichnete das Bild vom Berliner Tourismus, der als Weltfischer Netze auswerfe, während Brandenburg eher unter den Binnenfischern rangiere. Und weiter Hütte: „Die Salzwasser- und die Süßwasserfische geben erst zusammen ein wunderschönes Büfett.“ Ein weiteres gemeinsames Projekt entsteht auf dem künftigen Flughafen BBI. Hier werden sich Berlin und Brandenburg gemeinsam präsentieren und dazu werden derzeit die gesellschaftsrechtlichen Vorbereitungen getroffen. „Ich hoffe sehr“, so Hütte, “dass am Ende des Jahres die gemeinsame Servicegesellschaft der BTM und der TMB ins Handelregister eingetragen werden kann.“

City-Tax nur in homöopathischen Dosen

Für die Allerweltswahrheit, dass Berlin einen anhaltenden Boom in den Tourismuszahlen verbucht, lieferte der Geschäftsführer der BTM, Burkhard Kieker, wieder eindrucksvolle Zahlen. Schon 2010 könnte erstmals die Zahl von 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr erreicht werden. Damit würden alte Planungen, die diese Zahl erst 2015 anvisierten, zu einem sensationell früheren Zeitpunkt erreicht.

Das Thema einer Art kultureller Touristenabgabe schlug u. a. in Städten wie Hamburg und Köln große Diskussionswellen und hat jetzt unter der Bezeichnung City-Tax auch Berlin erreicht. BTM-Chef Kieker verweist darauf, dass es in Berlin Gerichtsbeschlüsse aus den 90er Jahren gebe, die eine solche Steuer in Bausch und Bogen aus verfassungsrechtlichen Bedenken verboten haben. Eine Hauptbegründung für die Ablehnung bestand darin, dass nur die Hotels abkassiert, dagegen Vermieter von Ferienwohnungen, Campingplatzbesitzer und andere nicht berücksichtigt würden. Gegenwärtig sucht nun die Finanzverwaltung einen klagesicheren Weg. „Wenn es sich nicht vermeiden lässt“, so Kieker recht gelassen, „dass wir Touristen in Anspruch nehmen, die die Infrastruktur benutzen – so abwegig ist der Gedanke ja nicht – dann sollten diese Mittel für Zwecke der Kulturangebote und der Tourismusförderung verwandt werden und nicht im schwarzen Schuldenloch von Berlin verschwinden.“ Wenn die Hotels nicht über Gebühr belastet und die Mittel in die Tourismus-Infrastruktur fließen, könne der BTM, so Kieker, eine gewisse Einsicht für eine solche City-Tax entwickeln. Andere Tourismus-Metropolen wie New York oder Wien und auch Städte in Deutschland haben sich auch dafür entschieden. BTM werde die Vorschläge der Finanzverwaltung kritisch prüfen, es sollte gerechte Lösungen geben und wenn eine City-Tax erhoben wird, „dann allerdings nur in homöopathischen Dosen“.

125.000 Hotelbetten in Berlin zu erwarten

In diesem Zusammenhang wurde die Zahl von gegenwärtig 111.000 Hotelbetten in Berlin genannt, verbunden mit der Frage, wieviel Hotelbetten in der Stadt bei weiteren Hotelneubauten noch verträglich sind. Bis zu 125.000 Hotelbetten seien aus derzeitiger Sicht möglich, so Kieker. Diese Zahl ergebe sich aus den Projekten, die wir schon kennen. Solange in der Stadt noch geeignete Grundstücke in erster Lage, also in den beiden inneren Kreisen City West und Ost, vorhanden seien, werden Investoren dort auch Hotels bauen. Wenn vielleicht künftig von der City weiter entfernte Hotels schließen müssen, so abschließend Kieker, sei das in der Marktwirtschaft nicht zu vermeiden.

Mehr Angebote für differenzierte Bedürfnisse

Prof. Dr. Feige gilt als Vater des Sparkassen-Tourismus-Barometers. Seit 1998 präsentiert er hier Zahlen und Trends des Tourismus, erstmals begonnen in den neuen Ländern und jetzt in insgesamt zehn Bundesländern. Prof. Dr. Feige nannte die Zahl von 130 Millionen Tagestouristen im Jahr, das sind sowohl Brandenburger als auch Gäste im Land Brandenburg. Es gibt sehr viele Wechselbeziehungen im Tagestourismus und deshalb ist es auch wichtig, dass Brandenburg und Berlin eng Zusammenarbeiten. Im Städte- wie im ländlichen Tourismus gelte es immer mehr, die unterschiedlichen Zielgruppen anzusprechen, besonders im Radtourismus. Es sei für die Marketinggesellschaften notwendig, die differenzierten Bedürfnisse z. B. vom Mountainbiker bis zum Genuss-Radfahrer zu erfassen und dazu maßgeschneiderte Angebote aufzustellen.

Hafen für Riedel-Schiffe 2011 in Oberschöneweide

Schiffs-Hausherr Lutz Freise, Geschäftsführer der Reederei Riedel, nannte sein Motte: „Viel schöner kann man Berlin gar nicht präsentieren als vom Wasser aus.“ Und er ist davon überzeugt, dass immer mehr Berlin-Touristen dies auch so sehen, darunter eine wachsende Zahl von Passagieren, die von Kreuzfahrtschiffen aus Hamburg und Rostock in die Hauptstadt kommen. In diesem Jahr gab die Reederei in Zusammenarbeit mit TÜV Rheinland ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht heraus. Lutz Freise hob hervor, dass mit den Berichten das Unternehmen transparenter gemacht werde. „Wir können auch Vorurteilen gegenüber der Schifffahrt in der Innenstadt entgegenwirken“, sagt Freise, „indem wir aufzeigen, was wir alles tun. Beispielsweise fährt unser Schiff ’Spree-Diamant` seit einem Jahr mit Russpartikelfiltern.“

Die Riedel-Reederei mit derzeit 14 Schiffen feiert im nächsten Jahr 40. Geburtstag, hat sich adäquat mit den wachsenden Touristenzahlen in Berlin entwickelt. Neuer Standort wird ein 42.000 Quadratmeter großes Gelände in Oberschöneweide am ehemaligen Rundfunk-Gelände der DDR sein. Dort entsteht jetzt ein 11.ooo Quadratmeter großes Hafenbecken für die gesamte Riedelflotte. Im Sommer 2011 werden dort bis zu fünf Schiffe anlaufen.

Winterzauber heißt jetzt Winterglanz

Eine der erfolgreichen Tourismus-Aktionen habe ihren bisher bekannten Namen „WinterZauber“ mit „WinterGlanz“ getauscht aus einem juristischen Grund, so informierte Christian Tänzler, Pressesprecher der BTM. Der neue Markenname passe insofern gut, weil mit Beginn des Festivals of Lights im Oktober die Stadt Berlin sich ihren Besuchern besonders glänzend präsentiere. Die Riedel-Reederei wird übrigens die Stadt vom Wasser aus illuminieren und dazu mit drei Lichter-Schiffen unterwegs sein, in diesem Jahr mit LEG-Licht geschmückt und mit „Lichtkanonen“ an Bord.

Touristenströme verändern Leben in Berlin

Die Berliner sollten sich schon mehr an den Gedanken gewöhnen, dass sie in einer boomenden Tourismusregion zu Hause seien, so lautete ein Ausblick von BTM-Chef Burkhard Kieker, die bei weiter wachsenden Besucherzahlen auch die Lebenswirklichkeit der Stadt verändern werde. „Immerhin hatte Berlin vor neun Jahren nur die Hälfte der Touristen zu Gast“ rechnet Kieker vor. Überall gebe es so genannte touristische „Ameisenstraßen“ und deshalb müsse Stadtplanung und Tourismus noch enger zusammenarbeiten. Denn der „Tourismus ist ein Segen für die Stadt“.

www.visitBerlin.de

www.reiseland-brandenburg.de

www.dwif.de

www.reederei-riedel.de

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