Starke Frauen in Byzanz: Kaiserinnen und die Gottesmutter Maria – Serie: „Byzanz. Pracht und Alltag“ ist eingezogen in die Bundeskunsthalle in Bonn (Teil 2/3)

Diptychon mit einer byzantinischen Kaiserin (Ariadne ?) um 500, Elfenbein, Kunsthistorisches Museum, Wien, Antikensammlung

Die namenlose Kaiserin sitzt auf ihrem Thron– für heute gar nicht damengemäß – breitbeinig da, also mit leicht auseinandergedrückten Knien über die ihr mit Stickerei durchwirktes Gewand in schönen Querfalten verläuft. Ihr Thron ist die Kathedra, ein spezieller Sitzthron – der berühmte des Erzbischofs Maximinianus und analoge Sitz steht später in der Abteilung Ravenna als Kopie –hinterfangen von einem Vorhang, der sich keck um den linken und rechten Pfeiler windet, immer in byzantinischen Darstellungen ein Symbol kaiserlicher Macht. Überdacht ist die Thronende von einer Kuppel, die von Greifen beidseitig gesichert wird. Sie sitzt vollkommen entspannt, ihre offenes Gesicht drückt Entgegenkommen aus und ganz und gar nicht eine abweisende Miene. Sie trägt die Chlamys, das Herrschergewand, und hat mit dem Diadem mit den langen Pendilien an beiden Seiten nicht nur einen reichen und gefälligen Kopfputz, sondern ist auch sonst kostbar geschmückt, denn die Perlen und Edelsteine ziehen sich beidseitig über die Chlamys fort.

Auch ihr Thron ist edelsteinbesetzt. Vor allem aber sind es zwei weitere Attribute, die sie als Kaiserin ausweisen. In der Linken hält sie die Weltkugel mit einem ebensogroßen Kreuz behütet und die Rechte hat sie seitlich über den Thron hinaus bis zum Elfenbeinrand mit offener Handfläche ausgestreckt. Dieser Gestus zeigt ihre Freigiebigkeit an; die Largitio gehörte zu den Herrschertugenden, die seit den ursprünglich vier kaiserlichen Tugenden – die altrömischen und die des Platon wurden bei Augustes auf die folgenden vier konzentriert: virtus (Tapferkeit), clementia (Milde), iustitia (Gerechtigkeit) und pietas (Ehr- und Plichtgefühl) – auf hunderte von Tugenden angewachsen war. Mit diesen Worten ist die Schönheit und kunsthistorisch aufschlußreiche Darstellung nicht annähernd beschrieben, denn die Gesamtwirkung des in sich in hell-dunkel Schraffierungen zusätzlich belebten Elfenbeins ändert sich mit jedem Schritt je nach Lichteinfall. Das ist eine hervorragende künstlerische Arbeit, aber auch ein Beweis über die starke Stellung von Frauen in den Dynastien der Byzantiner, die sicher auch mit dem Christentum zu tun hat. Damals.

So gibt es unter den rund 600 Exponaten einige Stücke, die wir mit gleicher Begeisterung beschreiben wollten und viele, die wenigstens erwähnt werden sollen, was nicht geht. Aber daß die Elfenbeinarbeiten wie immer in byzantinischen Ausstellungen einen Sonderplatz erhalten, sollte wenigstens gesagt sein, denn auch das Kästchen mit der Darstellung von Davidszenen und einem Kaiserpaar ist meisterlich gemacht und mit der in feinen Figuren wiedergegebenen Erzählung kann man sich länger beschäftigen. Das gilt auch für die in einem runden Raum versammelten Ikonen und Gegenstände, die Kirche, Kult und Liturgie symbolisieren sollen, was sie tun, nur in zu geringer Anzahl, wenn man sich dessen Bedeutung in Byzanz vergegenwärtigt. Andererseits finden sich derartige Gegenstände auch in anderen Abteilungen der Ausstellung, was natürlich ist, weil man die lebendige Welt, die Byzanz war, auch in seinen überlebenden Teilen schwerlich säuberlich unter thematisch abgegrenzte Abteilungen aufteilen kann.

Also es gibt sie, die wenigen Darstellungen der besonderen Frömmigkeit Ostroms gegenüber dem christlichen Rom. Eine davon, die Koimesis, ist in zwei Varianten, einmal im traditionellen Elfenbein und ein andermal in dem Ersatzmaterial Steatit zu sehen, beide aus dem 10. Jahrhundert. Das ist die Zeit, wo diese Darstellung des Marientodes von der Westwand in den Kirchen verschwindet, wo sie dem Gläubigen einen Wink mit auf den Weg gaben, die Taten der Maria als Mittlerin zwischen Gott und den Menschen auch im Leben außerhalb der Kirchenmauern zu befolgen. Abgelöst wurde dies Sujet seit dem 9. Jahrhundert nach und nach durch das Jüngste Gericht, also die Bestrafung für den Menschen, wenn er Gottes Gebote nicht befolgt. Eine höchst aufschlußreiche Umwidmung, die stärker den Sünder im Menschen denn den, der Gutes tut, anspricht.

Daß es die Ausstellung nicht so genau nimmt – oder auf das potentielle Nichtwissen des Betrachters reagiert – sieht man an der Beschriftung der beiden kleinen Täfelchen. Die Koimesis ist der Marientod, auch Entschlafen Mariens genannt, der hier schriftlich ergänzt wird durch „und Maria Himmelfahrt“. Das ist doppelt gemoppelt, denn der Marientod schließt in östlichem Verständnis die Himmelfahrt ein, nicht nur ideell, sondern ganz real, in dem die auf dem Totenbett liegende Maria, deren Seele gerade in Form eines kleines gewickelten Kindes (Eidolon) ihr entfleucht von dem hinter ihr stehenden Christus in Empfang genommen wird und von Seraphim und Cherubim in den Himmel geleitet werden, während die tote Gottesmutter von den aus aller Welt herangekommenen Aposteln betrauert wird.

Das sind zwei hochinteressante Täfelchen, gerade durch ihre Unterschiede bei sonst gleichem Sujet. Petrus und Paulus spielen ihre sonstige herausgehobene Rolle, Paulus wärmt die Füße der Maria und Petrus schwenkt das Weihrauchgefäß am Kopfende. In der Elfenbeindarstellung allerdings wird die Seele simultan dargestellt, einmal in den Händen Christi, aber auch schon in den Händen des hier nur zweiflügeligen Engels, die sie nach oben transportiert. Dagegen findet sich in der Steatittafel Johannes der Evangelist an der üblichen und bevorzugten Stelle. Er beugt sein altes Haupt – in der Tradition der Ostkirche wird er als Schreiber des Evangeliums alt dargestellt, im Westen als derjenige, der Maria Sohn sein soll, immer jung – über das Gesicht Mariens und ist ihr als einziger nah. Fortsetzung Teil III.

Ausstellung: bis 13. Juni 2010

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Katalog: Byzanz. Pracht und Alltag, Hirmer Verlag 2010

Falko Daim, Kurator der Ausstellung und Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, geht davon aus, daß im Gegensatz zum zerfallenden Römischen Reich und den Barbareneinfällen in Europa und damit einem Ende der Antike, es in Byzanz eine direkte Übernahme des antiken Erbes gegeben habe, so daß bis zum Ende dieses Reiches, das mit der osmanischen Eroberung von 1453 angesetzt ist, ein Weiterleben der griechisch-römischen Welt auf nunmehr christlicher Grundlage bis zum Beginn der Neuzeit stattfand, das früh von den Karolingern und spät von der Renaissance aufgegriffen, dafür gesorgt hat, daß wir alle heute die Antike als wesentliche Grundlage der europäischen Kultur definieren. Davon ausgehend werden im Essayteil die byzantinischen Strukturen hinsichtlich Herrschaftssystem, Sozialstruktur, Kirche und Religion, Architektur, Verkehrswege, Kunst und Kunsthandwerk, Landwirtschaft und Handwerk, Sprache und Schrift sowie Literatur wie auch erläutert. Im Objektteil werden 518 Ausstellungsstücke benannt und kurz erläutert, meist auch im Bild gezeigt. Auch die in der Ausstellung gezeigten byzantinischen Satellitenorte außerhalb Konstantinopels werden angemessen berücksichtigt.

Dem Katalog liegt ein Blatt des Ikonen-Museums Recklinghausen bei, „das weltweit bedeutendste Museum ostkirchlicher Kunst außerhalb orthodoxer Länder“. Warum nicht das zweite in Deutschland existierende Ikonen-Museum, das in Frankfurt am Main, ebenfalls vorgestellt wird, haben wir nicht verstanden.

Begleitheft: Bertha in Byzanz. Ein Bilderbuch für Kinder ab 8 Jahre zur Ausstellung von Mai Ansgar und Friedrich Wilke. Natürlich schüttelt es ’richtige` Historiker, wenn Sie die Gedanken der Bertha lesen, mit denen sie den Gesandten Paulos Magisters aus Konstantinopel bedachte, als er im Namen des Kaisers Manuel um die Hand der bayerischen Prinzessin anhielt, die ihm gewährt wurde. Was in der Ausstellung sich in einem Extra-Kinderraum tut, kann hier in den Texten nachempfunden werden. Kindgemäß wird erzählt, wie das ist, wenn ein Mädchen in die Ferne zieht, dabei die Katze mitnimmt, ihr der Mann dann gottseidank gefällt – „Manuel war fesch, gescheit und lustig! -, sie sich als Kaiserin dann Irene nennen muß. Wenn Kinder sich hier wohlfühlen und das Begleitheft haben wollen, ist es gut.

Katalog einer Vorgängerausstellung: Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn vom 22.August bis 7. Dezember 2008

Sehr aufschlußreich ist es, angesichts der dynamischen Entwicklung von Byzanz zu den Zeiten, zu denen im südlichen Europa das Licht ausging, sich den Katalog der damaligen Ausstellung noch einmal vorzunehmen, der zeigt, an wievielen Stellen das alte Reich, also das Römische Reich von Rom, desolat geworden war und wieso aus gutem Grund die Byzantiner sich nicht nur Römisches Reich nannten, sondern ihre Hauptstadt Ostrom. Die Benennung als Byzanz und Byzantiner ist eine Erfindung des 16. Jahrhunderts und geht auf den kleinen Ort Byzantion zurück, den Konstantin 324 nach Chr. vorfand und zur Weltmetropole ausbaute.

Literatur:

Georg Ostrogorsky, Geschichte des Byzantinischen Staates, C. H. Beck 1963

Der klassische Ausgangspunkt für modernere Geschichtsforschung.

Mischa Meier, Anastasios I. Die Entstehung des Byzantinischen Reiches, Klett-Cotta 2009

Erstmalige ausführliche Vorstellung dieses Kaisers, dem der Autor zuschreibt, daß Ostrom das aufgefangen habe, was im Westen kaputtging.

Johannes Fried, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, C.H. Beck 2008

Ein Beispiel dafür, daß jede gute Geschichte des Mittelalters – und dies ist eine! – selbstverständlich die Bezüge und Wechselwirkungen von Byzanz zu Europa mitthematisiert.

Internet: www.bundeskunsthalle.de

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