Sprache II: wie lernen Deutsche wieder Deutsch? Und wie bewahren und vertiefen sie es? – Serie: Die letzten Ratschläge für Bücherkäufer, auch nach Weihnachten (Teil 5/10)

Wir reden und schreiben immer vom Rechner, wenn andere Leute Computer sagen und versuchen uns auf Deutsch durchzuschlagen und geben bei manchen, und zwar den besonders häßlichen Anglizismen dann doch auf. Für dieses besonders häßliche Public Viewing einfach Fußballkino zu nehmen, gefällt uns, wie auch Schnellkost für Fastfood. Das ist aber nur einer der Ansätze. Toll seine Zusammenstellung von einsilbigen deutschen Begriffen, die wortmächtiger sind als die mehrsilbigen englischen oder französischen. Und auch die Möglichkeiten im Deutschen, zwei Hauptwörter zu verbinden, wie im bekannten Weltschmerz oder der Affenliebe, hat er fein ausgearbeitet. Stark die Zusammenfassung dessen, was deutsche Anglomanen und Werbetexter an Dummenglisch produzieren, damit es Deutsche für Englisch halten und sich beim Einkauf für weltläufig halten. Aber da es so viele potentielle Käufer doch nicht verstanden, kauften sie es auch nicht. Es stellte sich heraus, daß das das stärkste Argument gegen englische Werbesprüche ist. So heißt es heute stattdessen „Packen wir’s an“ oder „Douglas macht das Leben schöner“ oder „Alles aus einer Hand“. Das versteht wirklich jeder. Gut so und ein Beweis, daß in Deutschland die Sprache Deutsch zu verwenden, immer besser ist.

Auch bei Rowohlt, das hat sich halt so ergeben, hat David Bergmann „Wie, wer, das?“ veröffentlicht, wo es um „Neue Abenteuer eines Amerikaners im Sprachlabyrinth“ geht. Da geht es nicht um den Verfall der deutschen Sprache, sondern um die Probleme, sie zu erlernen und verständlich zu sprechen. David Bergmann aus Ohio/USA hat nämlich, wie der Name schon zeigt, deutsche Vorfahren und ging in deren Heimat, um die Sprache zu erlernen, was an der Uni in Göttingen geschah, er aber nicht mehr finanzieren konnte, weshalb er in Hamburg als Wirtschaftsprüfer arbeitet und nun sein zweites Buch als sprachlich reflektierte Selbsterfahrung vorlegt. Abgesehen davon, daß David Bergamann locker und witzig schreibt, besteht die Chance, durch die Herausstellung seines Lernprozesses selbst mehr über die deutsche Sprache zu erfahren, weil richtig anwenden noch lange nicht heißt, auch zu wissen, was richtig ist und warum wir meistens automatisch richtig sprechen. So ist das ein Ding mit den Homonymen.

Sie kennen diese Apfelart nicht? Und auch nicht die Birnenart der Homophone? Allein diese beiden Sprachbegriffe auf den gängigen der Homowörter zu bringen, wird sie Ihnen unvergeßlich machen. Also die homonymen Wörter sind die gleichklingenden mit total unterschiedlicher Bedeutung wie z.B. ’Strauß` für Blumenstrauß und den Riesenvogel oder auch ’Birne` für die Glühbirne und das Obst, von einem gewissen ehemaligen Bundeskanzler wollen wir hier schweigen. Die homophonen Wörter dagegen klingen zwar total gleich in der Aussprache, werden aber unterschiedlich geschrieben und haben natürlich auch verschiedenartige Bedeutung. „Ein Beispiel sind die Wörter ’vage’ und ’Waage`. Welches eigentlich gemeint ist, wage ich manchmal nicht einmal zu fragen”¦“ (Seite 13), womit der Autor geschickt noch eine dritte Variante hineinpackt. Beim Lesen geht es einem unaufhörlich so, daß mal innerlich halt schreit, weil man auf sprachliche Zusammenhänge, Merkwürdigkeiten oder abstruse Absurditäten gestoßen wird, die man im Sprachfluß weder hört, noch erkennt, die aber einem Nichtmuttersprachler deutlich auffallen, wovon wir so partizipieren.

Spaß machen auch die höchst lebensfernen Vergleiche mit dem Englischen, da wo es ganz ähnlich ist, wie „Er kam, trank, fiel vom Stuhl und stank“ mit „He came, drank, fell from his stool and stank“ gegenüber den gleich klingenden Wörtern mit völlig anders gearteten Bedeutung, wie „`To blame` heißt nicht ’blamieren`, sondern ’Schuld geben`, ’To absolve` heißt nicht ’absolvieren`, sondern freisprechen,”¦`To pass` heißt nicht ’passieren`, sondern ’vorbeigehen`“ (Seite 164). Das Ganze dient Bergmann dann der dezenten Anmache, wie Deutsche derzeit durch die Einführung englischer Begriffe ihre Sinn verwirren, wie z.B. beim ’Controller`, der keine Kontrolleur ist, sondern ein Beherrscher, nämlich unter Umständen ein ’Leiter des Rechnungswesens`.

Bleibt, die neueste Fassung des Duden, „Die deutsche Rechtschreibung“ in der 25. völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage vom 21. Juli 2009 unter die Lupe zu nehmen. Eigentlich hatten wir dies in einem eigenen Artikel tun und mit dem Wahrig, „Die deutsche Rechtschreibung“ vergleichen wollen, wobei das erkenntnisleitende Interesse für unsereinen darin liegt, zu überprüfen, wieviel Unheil die sogenannte Rechtschreibreform nach 13 Jahren angerichtet hat und welche gegensätzlichen Vorgaben, ja Vorschläge und als ’richtig` ausgewiesenen Postulate beide Rechtschreibwerke uns aufgeben. Nur haben wir bis heute den Wahrig nicht in Händen, was an uns liegt, denn uns hatte die Tatsache, daß zwei Konkurrenzunternehmen nun aber den gleichen Verlag haben, schlicht kalt erwischt. Der gleiche Verlag bedeutet das Gemeinschaftunternehmen von Cornelsen und Bertelsmann, die bisher den Wahrig herausgebracht hatten und nun auch das Bibliographische Institut, Heimat des Duden, übernommen haben.

Diese Scharte werden wir auswetzen und den Vergleich noch bringen und jetzt erst mal zur Neuauflage des Duden ohne die Besonderheiten der Rechtschreibreform informieren. Mächtig aufgemotzt wurde der deutsche Wortschatz mit rund 135 000 Stichwörtern und über 500 000 Beispielen, die sowohl semantischer Art sind, also Worterklärungen liefern, wie auch Vorgaben wir Trennungsregeln, Aussprache und Grammatik sowie Stilebenen und Etymologie bringen. Allein 5 000 Wörter wurden neu aufgenommen, deren bekannteste und in mehrere Sprachen der Welt eingeschleuste „Abwrackprämie“ inzwischen jeder kennt. Aber auch „Blogsphäre“ oder „Hybridauto“ wie auch die Verben „twittern“ oder „fremschämen“ gehören dazu.

Aber das Deutsche geht gemäß Duden auch mancher Begriffe verlustig. Daß „ehegestern“ nicht mehr drinnen steht, ficht uns nicht an, aber „Federbüchse“ ist ein Ausdruck, den wir bei Bildbeschreibungen schon verwendet haben, denn es ist ein Ding, ob man heute bestimmte Begriffe nicht mehr verwendet, weil die Gegenstände nicht mehr im Gebrauch sind, oder ob man sie gleich aus der Sprache tilgt, dann aber sowohl Bilder wie auch literarische Werke auf Dauer nicht mehr sprachlich interpretieren kann. Genauso geht es uns mit dem gestrichenen „Genüßling“, den der Duden als „Genüssling“ nun ausgemerzt hat. Wir finden dieses Wort so sinnlich, wie es der Vorgang ist, der dem holden Genießer zum Namen verhalf.

Da wir die angebliche Rechtschreibreform für heute ausklammern und sowieso der Meinung sind, daß sich in deutschen Haushalten sowohl „Duden“ wie auch „Wahrig“ befinden sollten, damit man sich besser mit dem Rechtsschreiben auseinandersetzen kann, geht es jetzt nur noch darum, die Neuerungen des Duden zu würdigen. Dazu gehören 400 Infokästen, die in das Wörterverzeichnis hineingesetzt sind und schwierige Zweifelsfälle erklären. Es gibt darüber hinaus einen Sonderteil „Sprache in Zahlen“ und vor allem eine historische Übersicht über „Wichtige Stationen aus der Geschichte der deutschen Orthografie“. Was allerdings für die jüngeren Benutzer am interessantesten sein wird, sind sprachliche Formvorlagen für bestimmte Situationen wie „Gestaltung von Geschäftsbriefen“, dabei ein Anschreiben an die Versicherung wegen eines beschädigten Gepäckstückes – ein wirklich lebenspraktisches Beispiel – , aber auch die Gestaltung der geschäftlichen Emails, die nur E-Mails geschrieben werden und für die leider kein deutscher Begriff gesucht und angewendet wurde. Aber damit ist der Duden auch überfordert, denn er formt nicht, sondern er nimmt auf, was Deutsche in Deutschland mit ihrer Sprache anfangen und wie sie sie weiterentwickeln. Demnächst also mehr.

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