Berlin, Deutschland (Weltexpress). »Planung, Planung, keiner hat `ne Ahnung!», sangen einst die Studenten der Hochschule für Plan(!)-Ökonomie in Karlshorst. Sie meinten die DDR, aber sie ahnten nicht, dass es im kapitalistischen Westen trotz Zwang zur Effektivität nicht besser ist. Auch hier geht Politik vor Ökonomie, wie an der Geschichte des Kulturforums zwischen Tiergarten, Potsdamer Platz und Landwehrkanal zu erkennen ist. Auch hier wurde seit 1958 geplant, verworfen, wieder geplant, stückweise gebaut, neu geplant und so fort. In Einzelentscheidungen wurden die Philharmonie, die Staatsbibliothek, die Neue Nationalgalerie, der Kammermusiksaal, die Gemäldegalerie, das Musikinstrumentenmuseum und so weiter hingesetzt. Keiner ist zufrieden, alle grübeln, wie man dem Konglomerat einen Sinn geben kann.
Fast symbolhaft zur Fastnacht hatten die Berliner Philharmoniker zum philharmonischen Diskurs geladen. Experten sollten mit dem Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) die Zukunft des Kulturforums diskutieren. Die Kritik war vernichtend: »ein gescheiterter städtebaulicher Ort», »als Kulturforum gescheitert», »eine Lösung hat es nie gegeben». Hans Stimmann, Senatsbaudirektor a. D., erinnerte daran, dass das Kulturforum ein Gegengewicht gegen die Hauptstadt der DDR schaffen sollte. »Sie hatten die Museumsinsel, wir hatten nichts.» Hinzu kamen brachiale verkehrspolitische Wendungen wie der Wegfall der Stadtautobahn hinter der Staatsbibliothek und der Ausbau der Potsdamer Straße (wo der Senat auch noch die Straßenbahn hinführen will. Dann wird der Bezug zur Staatsbibliothek endgültig zerschlagen). Der Architekturkritiker Nikolaus Bernau kam den Planern ideologisch: das Problem sei nicht die Architektur, sondern das seien die Institutionen – mit Spitze auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die das Museum der Moderne mit 450 Millionen Euro fünfmal so teuer bauen wolle wie der Neubau der Kunsthalle Mannheim gekostet hat. Die Kosten des laufenden Betriebs sind noch nicht gesichert, gesteht Präsident Hermann Parzinger ein. An die Kosten des Eingangsbereichs des Pergamonmuseums darf man ihn nicht erinnern.
Lederer nannte das Kulturforum höflich ein uneingelöstes Versprechen. Er hegt die Hoffnung, dass die anliegenden Einrichtungen »aus sich heraus« zusammenarbeiten, um das Kulturforum zu einem Ort der Begegnung der Menschen zu machen.
Vermutlich war die Dunkelheit der Grund, nicht zu sehen, was Realität ist. Der Hans-Scharoun-Platz vor der Philharmonie ist nach jahrelanger Bauzeit endlich fertig. Entstanden ist eine schöne glatte Steinwüste mit gerade mal zwei schmalen Bänken. Wo früher die Konzertbesucher direkt vor der Philharmonie aus dem Bus aus- oder in ihn einsteigen konnten, ist der Platz für Reisebusse reserviert. Die Besucher müssen zur Haltestelle 200 Meter laufen und ohne Wartehäuschen im Regen warten. Für Alte und Behinderte eine Zumutung. Wenn der Bus vor dem Kammermusiksaal hält und auf die herbeieilenden Fahrgäste wartet, kommen die Pkw nicht aus der Tiefgarage heraus und stauen sich auf der Rampe. Parkflächen sind geschrumpft (gegen Falschparkerautos steht gelegentlich ein Abschleppwagen mit laufendem Motor bereit). Ein Platz von abstrakter Schönheit, aber unpraktisch und: im Sommer eine tolle Piste für Rollerblades – Musik in den Ohren der Philharmoniker. Wo noch ein Rest Grün blieb, wird demnächst das Museum der Moderne errichtet werden und es wird noch weniger Platz für die von Lederer erträumte Begegnung der Menschen sein. Wenn die gesellig sein wollen, lassen sie sich ohnehin im Tiergarten oder im Treptower Park nieder. Gebaut ist das Kulturforum ja für das Bildungsbürgertum. Statt des Museums eine Musikschule brächte vielleicht Leben ins Revier.
Fazit: Die Zukunft wird eng werden. Niemand will sich eingestehen, dass das Kulturforum eine Fehlgeburt des Kalten Krieges ist. Von Willy Brandt bis zum technischen Zeichner glaubte niemand an eine »Wiedervereinigung», sonst hätte man nichts doppelt gebaut. Der Unschuldigste von allen war Klaus Lederer. Er stammt aus der DDR, ist jung und erst seit drei Jahren im Amt. Er soll nun die Kultur im Kulturforum blühen lassen.
Zurück blieb überspielte Ratlosigkeit. Die Moderatorin Anja Herzog vom RBB fand am Schluss die verlegene Floskel: »Man ist im Prozess». Man wurstelt weiter. Die Zeit schreit nach Satire.