Not gegen Elend oder Hertha verliert gegen den HSV 1:2

Geht`s nach Pretz, der den oben zitierten Satz für das Vorwort der von Hertha BSC herausgegebenem offiziellen Stadionmagazin „Wir Herthaner“ unterschrieb, kommt dem Spiel gegen Hannover 96 ganz besondere Bedeutung zu. Die 96er sind der nächste Bundesligagegner im Berliner Olympiastadion.

Beim Blick auf die Tabelle, die Fakten sprechen läßt, wird klar, was darunter zu verstehen ist. Gegen die unmittelbare Konkurrenz, gegen Nürnberg und Hamburg war Berlin in allen Belangen schlechter. Gegen die beste Mannschaft dieser drei Mittelmäßigen ist und bleibt Hannover die Beste. Was soll anderes auf den selbsternannten Hauptstadtclub – der, weil es, wie jeder weiß, zwei Profifußballmännermannschaften in Berlin gibt, damit immer so beim Berliner Publikum ankommt, wie es aus den Mündern der Herthaner rauskommt: arrogant – zukommen, als die Katastrophe?

Wenn heute noch Mainz zuhause gegen Freiburg gewinnt, reichen alle genannten Bundesligisten die Berliner durch in den Tiefkühlkeller. Frost und Frust herrschen in der Hauptstadt. Wenn Freiburg gewinnt, dann rückt das untere, abstiegsgefährdete Drittel noch enger zusammen. Wie man es auch dreht und wendet: In der Hauptstadt brennt die Hütte.

Babbels Niederlagenserie mit den Berlinern baut der aus der Türkei geholte Skibbe auch noch aus und eine Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Parolen ändern am fußballerischen Bankrott nichts. Hertha BSC ist wie Griechenland: ein Faß ohne Boden. Wer den noch nicht einmal mit Regionalligareife ausgestatteten Ronny auflaufen läßt, der signalisiert den 50 000 Zuschauern im weiten Rund , die trotz klirrender Kälte ins Stadion stiefelten: Ich gebe auf.

Wer Lustenberger auf der 6er-Position vor einer Abwehr aus Gummi mit Wackelkandidaten, deren Namen hier zu nennen, zu viel des Lobes wäre, stellt, der zeigt allen die kalte Schulter und schreit: Scheiß auf die Defensive, aber voll.

Halten wir Hertha-Trainer Michael Skibbe zugute, daß er gegen Nürnberg Resterampen-Ronny vom Feld holte und gegen Hamburg Hängeschulter-Lustenberger nach vorne beorderte. Mein Klassenkamerad Charly machte das damals auf dem Pausenhof nicht anders. Wenn die Null gegen die 5b stehen sollte, mußten die Schwächeren dran glauben und wurden weggeschickt, nein, nicht vom Platz, aber nach vorne beordert. Sie sollten in der Abwehrschlacht nicht stören. Die Tore schossen übrigens die Verteidiger bei den wenigen gezielten Vorstößen, bei denen wir es auf Schiedsrichterpfiffe anlegten, nach Eckbällen und Freistößen.

Zurück von meinem Pausenhof zu den Presseclowns von Berlin: Mit der Hereinnahme von Peter Niemeyer, der am Ball bestimmt nie und nimmer ein Fußballgott werden wird, kam immerhin Wut und Wille in Sturm und Drang. Sich gegen eine Niederlage aufzubäumen ist aller Ehren Wert, zeigt Spuren von Moral und darf wohlwollend als eine gelungene Kabinenansprache durch den Trainer gedeutet werden. Doch spielerisch erinnert alles an die allerletzte Abstiegssaison. Leider anderes auch, aber das gehört in einen anderen Artikel.

Beinahe hätte es beim Aufeinandertreffen von Not und Elend noch den Ausgleich gegeben, denn zum Ende des Spiels traten die Berliner wieder so auf wie zu Beginn der Begegnung. Zwar führten die Rothosen von der Elbe durch Treffer von Marcell Jansen (24.) und Mladen Petric (45.+1), doch dann waren die Herthaner dem mittelmäßigen HSV ebenbürtig, weil vom Torwart Thomas Kraft, über den 6er Niemeyer und über Patrick Ebert sowieso die Körpersprache Kampfgeist verriet und Angreifer Pierre-Michel Lasogga sich einmal zeigt (81.), um den Anschlußtreffer zu erzielen.

Zwei Mal 15 Minuten zu Beginn und Ende eines Spiels werden gegen den „kleinen HSV“, wie die Elf von der Leine unter Trainer Mirko Slomka längst nicht mehr genannt werden sollte, nicht reichen, denn die Niedersachsen wollen an Leverkusen und-oder Bremen vorbei auf die Trostplätze für internationale Hausmannskost.

Keine Frage: Hertha BSC steht mit dem Rücken zu den Abstiegsplätzen. Michael Skibbe steht vor einer Auswahl, die ihm keine Auswahl erlaubt. Bleibt die einzige Frage, die er zu behantworten hat: Stelle ich wenigstens die besten Kämpfer auf oder zeige ich allen gleich, daß ich nicht gewinnen will? Den Nebensatz "wenn ich nicht gewinnen kann" darf sich jeder Leser selber dazudenken.

Dem Spiel gegen Hannover 96 kommt ganz bestimmt eine ganz besondere Bedeutung zu. Der Berliner Sportpresse auch. Denn wenn Skibbe im dritten Spiel den dritten Fehler macht, dann taugt er als Trainer nicht für den Abstiegskampf.

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