Berlin, Deutschland (Weltexpress). Schon die Inszenierung der Inthronisierung von Martin Schulz als Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschland – man muss es einmal ausschreiben, damit die Begriffe wie Erdbeereis auf der Zunge zergehen – war ein Witz. In der albern aussehenden Bundeszentrale der SPD in Berlin sprach der ehemalige Redenverwalter aus Brüssel vor handverlesenem Publikum in dunklem Anzug.
Hinter ihm eine weiße Wand mit den Losungen des Tages: „Zeit für mehr Gerechtigkeit. Zeit für Martin Schulz.“
Zeit für mehr Gerechtigkeit? Das hatte die SPD viel zu oft in Deutschland und jedes Mal hat sie diese Zeit verspielt. Erst von 1969 unter Brandt und dann bis 1982 unter Schmidt, später ein paar Jahre unter Schröder. Schon zur Zeit der ersten SPD-Regierung der Bundesrepublik Deutschland mussten anstehende, gestandene und ehemalige Lohnarbeiter den Gürtel enger schnallen. In den Schröder-Jahren von 1998 bis 2005 wurde der Rückbau der sozialen Systemen der BRD weitergeführt und Staats- in Privatkapital überführt.
Als Koalitionspartner der Merkel-Regierung von 2005 bis 2009 und seit 2013 wurde kein Rückschritt aus den Jahren unter Brandt, Schmidt und Schröder zurückgenommen. Im Gegenteil, nicht nur der Krieg der Kapitalisten gegen Lohnarbeiter, auch der Krieg der Deutschen und anderer Angreifer gegen Jugoslawien wurde geführt. Mittlerweile sind die Deutschen wieder an mehreren Kriegen gleichzeitig beteiligt.
Regierungszeiten mit der SPD waren nie Zeiten der Gerechtigkeit. Sie waren immer Zeiten des Verrats an der Arbeiterklasse, aus der diese Partei hervorging, die sich 1890 aus sozialistischer Arbeiterpartei Deutschlands in SPD umbenannte und 1959 das Godesberger Programm und sich von Karl Marx verabschiedete.
Selbst Kurt Schumacher, ein Mann des Heidelberger Programms, dachte und redete noch in marxistischen Begriffen, obwohl er mit den SED-Sozialisten und KPD-Kommunisten nichts am Hut hatte.
Doch davon werden die jungen Leute, die um Schulz platziert wurden, um stehend bieder Beifall zu klatschen, während deren Hemden aus den Hosen hingen, wenig wissen. Bei der vorbereiteten Rede, die Schulz vom Blatt ablas, saßen diese Leute brav und bemüht dreinblickend.
„Soeben hat mich der Parteivorstand meiner Partei als Kanzlerkandidaten und künftigen Parteivorsitzenden vorgeschlagen“, verkündete Schulz. Richt gehört und gelesen. Vorgeschlagen. So wenig Wahl war selten bei der SPD. Kein Wunder, dass der Beifall nur sieben bis acht Sekunden dauerte. Danach sprach Schulz von der gefüllten Bundeszentrale und also von den Füllern, die bestellt wurden. Er sprach anschließend von Gefühlen und vom eigenen Gerührtsein. Dann kam Schulz auf Gabriel zu sprechen und stellte das zuvor gesagte richtig: „Du bist ein toller Typ und mit Deinem Vorschlag, dass ich nun die Partei führen soll … das verdient Bewunderung.“
Man kann es nicht oft genug schreiben: So wenig Wahl und so viel Blabla war selten in der SPD. Noch am selben Tag folgten politische Inszenierungen beim Staats-TV, erst im ZDF und dann in der ARD.
Henry M. Broder kommentiert dies in „Achgut“ (achgut.com, 30.01.2017) mit den Worten: „Dreimal Schulz, dreimal dieselbe Wassersuppe, dünn aber heiß serviert.“ Broder nennt Schulz einen Roboter, „eine sprechende Maschine, die ihre Rolle auswendig gelernt hat“ und fährt fort: „Wenn dieser Mann Kanzler wird, dann bewerbe ich mich bei der Formel 1, schließlich habe ich seit 52 Jahren einen Führerschein.“
Auf dem SPD-Sonderparteitag gestern in Berlin übergab Sigmar Gabriel sein Amt an Schulz wie Ratzinger als Papst Benedikt XVI. seinen Posten an Bergoglio. Neben der Übergabe wurde auch gewählt. Ohne Gegenstimme und also mit 100 Prozent entschieden sich die Delegierten für Schulz als Chef, für einen 61-jährigen Erwachsenen, der sein Gefolge gerne aufzufordern scheint, mal „Martin, Martin“ zu rufen. So viel Suppenkasper war selten.
Scheinbar waren so viele SPD-Wähler auch lange nicht mehr. Oder wie Alfred Tetzlaff im letzten Jahrhundert sagte: „Das geht vom Rückenmark ins Gehirn und denn wirst du blöde und denn wählst du die SPD.“
Hoffentlich verhindern alle anderen Deutschen im September mit von mir aus nordkoreanischem Ergebnis Broder als Formel-1-Fahrer.