Nie wieder Beverly Hills! – “Beverley Hills Chihuahua” hetzt noch mehr Hollywood-Hunde auf das Publikum

Am Besten verhält man sich wie Jamie Lee-Curtis. Die ergreift nach wenigen Minuten die Flucht aus dem Film. Abgesehen von einem Kurzauftritt am Ende kehrt sie auch nicht wieder. Besser, sie wäre ganz fort geblieben. Der witzlose Familienfilm ist der Darstellerin unwürdig. Momentan wird man in den Kinos als Zuschauer von der Meute gehetzt, besonders was Kinderfilme angeht. Einem jüngeren Publikum ist “Beverley Hills Chihuahua” aufgrund seiner rassistischen Voreingenommenheit kaum zumutbar. Der Humor beschränkt sich auf komisch angezogene Tiere. Selbst denen, die das lustig finden, dürfte angesichts der eindimensionalen Figuren das Lachen vergehen. Frauen, glaubt Regisseur Raja Gosnell zu wissen, sind zimperliche Modeopfer. So auch die steinreiche Vivian (Jamie Lee-Curtis). Die erfolgreiche Unternehmerin karikiert der Film als das alberne Gegenteil der braven Hausmutter. Da der Mutterinstinkt, der doch in jeder Frau schlummert, wie “Marley& Ich” lehrte, bei ihr durchbricht, richtet sie ihn auf Hündin Chloe (Stimme: Drew Barrymore).

Die Chihuhua-Dame läuft in Designerroben herum und trägt Chanel No.5. Letztes rettet ihr sogar das Leben. Denn Hündchen Chloe wird entführt. Während Frauchen auf Geschäftsreise ist, sollte Nichte Rachel (Piper Perabo) auf deren Schoßtier aufpassen. “Sie hat nicht mal eine Arbeit!”, kläfft Chloe verächtlich über Rachel. Wozu auch, wenn die Familie Geld wie Heu hat? Bei dem herablassenden gegenseitigen Anknurren suhlen sich sowohl verwöhnte Hunde als auch Rachel und ihre Freundinnen am Swimmingpool. Soviel zur Realitätsnähe des filmischen Milieus. Die jungen Mädchen begeben sich für einen Kurzurlaub nach Mexiko. Einer der selbstverständlich verbrecherischen Einheimischen entführt die Juwelen behangene Chloe, um ein Lösegeld zu erpressen. Rachel versucht unterdessen mit Hilfe von Vivians mexikanischem Gärtner Sam (Manolo Cardona) Chloe wiederzufinden.

Unter von ihren Entführern für Hundekämpfe eingesperrten Artgenossen lernt Chloe Delgado kennen. Der Deutsche Schäferhund erinnert ältere Amerikaner vielleicht entfernt an den mutigen Filmhund Rin Tin Tin, hierzulande denkt man eher an Hitlers Blondie. Diese Assoziation fügt sich auch besser in den konservativen Geist des Films. Als einstiger Polizeihund wird Delgado zum tierischen Helden. Die mexikanische Polizei behandelt Rachels Hundesuche nämlich gemeinerweise zweitrangig. Vielleicht, weil es in Mexiko City, wo alljährlich hunderte Frauen und Mädchen entführt und ermordet werden, Wichtigeres zu tun gibt, als das Haustier reicher Amerikaner zu suchen? Seine schmutzige Seite zeigt Mexiko in “Beverly Hills Chihuahua” in Gestalt heimtückischer Verbrecher und dümmlicher Trickbetrüger in Tiergestalt. Ratte Manuel und Leguan Chico sind besonders unangenehme Klischees des ausländischen Touristenabzockers. Abgesehen von Kriminellen sieht man Mexikaner als gemütliche Dicke und fröhlich Feiernde. El dia de los muertos, den Tag der Toten,  begehen die Einheimischen einmal im Jahr, die übrigen 364 Tage nicht. So oft wie Eingereiste im Kino in die Feierlichkeiten rennen, könnte man meinen, es sei umgekehrt. Dass selbst mexikanische Straßenköter akzentfrei Englisch sprechen, Chloes Entführer, statt umständlich Lösegeld zu erpressen, nicht einfach ihr Diamantenhalsband abnehmen und der geruchsunfähige Delgado den Duft von Chanel No.5 nicht nur als Chloes Marke erkennt, sondern benennen kann, verwirrt ebenso.

Wie pietätlos der Kinderfilm seine Klischees vertritt, zeigt eine Szene, in der ein Kojote als Schmuggler illegaler Hundeeinwanderer auftritt. Als “Coyotes” werden reale Schieber mexikanischer Einwanderer über die Grenze zu den USA bezeichnet. Illegalen Hundeeinwanderern begegnet auch Chloe. Das Schicksal solch einer Hundemutter und ihrer Welpen interessierte Gosnell nicht weiter. Stattdessen erfährt man aus Chloes Schnauze, dass Beverley Hills der sauberste Ort der Welt sei. Dass einige der dort ansässigen Saubermänner schmutzige Geschäfte machen, geht nicht in Chloes Gehirn. Letztes wurde wohl ebenso gezielt klein gezüchtet, wie ihre Körperstatur.  Nicht einmal im Rahmen seines “Was, wenn Paris Hilton ein Hund wäre?”-Konzeptes funktioniert “Beverley Hills Chihuahua“ als Komödie. In den Chor der wilden Hundemeute des Films möchte man lauthals einstimmen: Nie wieder! Das gilt für alle Hundefilme, der letzten Monate und der folgenden. Doch mit seiner nach zwei “Scooby-Do”-Filmen dritten Hundekomödie scheint Gosnell erst am Anfang zu sein. Bitte aufhören!

Titel: Beverley Hills Chihuahua
Start: 30. April
Regie: Raja Gosnell
Darsteller und Sprecher: Jamie Lee-Curtis, Piper Perabo, Drew Barrymore
Verleih: Walt Disney
www.beverlyhills-chihuahua.de

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