Mit dem Transsibirien-Express von Moskau nach Peking – Serie: Von Europa nach Asien mit dem Zug und zurück per Frachter (Teil 1/2)

Der Moskau-Peking-Express vor der Abfahrt. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Ein Lebenstraum? Genauer gesagt sind es zwei: die eine Reise – für sie schwärmte schon Weltenbummler Hardy Krüger: „Einmal im Leben muss man da ´rauf!“ – führte den Autor über die längste Eisenbahnstrecke der Welt; die andere wurde fortgesetzt mit dem deutschen Containerschiff MS CMA CGM VELA.

Kurz vor Mitternacht rollt der Transsibirien-Express „Moskau – Beijing“ wie jeden Freitag aus dem Jaroslawler Bahnhof. In stiller Eleganz eine Zugschlange aus zwölf weinrot-silbernen Waggons. Wie durch ein Labyrinth schiebt sich der Zug über rumpelige Nebengleise auf die Hauptstrecke Richtung Osten. Dann nimmt er Fahrt auf. Mit Kurs auf die 6204 Kilometer entfernte ostsibirische Stadt Tschita nordöstlich des Baikalsees. Dort nämlich, genauer gesagt bei Karimskaja, zweigt die mittlere Strecke ab (die nördliche führt nach Wladiwostok, die südliche durch die Mongolei) zur Mandschurei, um den östlichen Zipfel der Mongolei herum.

Autor vor dem Zug, der von Moskau nach Peking, fährt, mit Buch in Moskau. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Abenteuer und ferne Welten

Es ist nicht irgendein Zug. Wer mit der Transsib fährt, ist mit einer Legende unterwegs.

Am dritten Morgen hat man das Gefühl – wie von Zeit und Raum entrückt – mindestens schon seit drei Wochen unterwegs zu sein. Die Stunden vergehen, die Taiga bleibt. Eine Reise über den ganzen asiatischen Kontinent ist eine handfeste Herausforderung. Mangelnde Umsicht kann bitter bestraft werden. Das gilt umso mehr, wenn die zurückzulegende Strecke jedes bekannte Maß überschreitet.

Brücke über die Angara bei Irkutsk. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Man schwebt durch die Nacht wie in einer Wiege. Wie Irrlichter funkeln die Dörfer in der endlosen Dunkelheit der Winternacht. Stäubender Schnee dringt in die schwankenden Waggonübergänge. Er lässt die Kälte draußen ahnen, die Eisblumen auf die Scheiben gemalt hat. Die Fenster der niedrigen Holzhäuser locken mit gelblichem Schein. Dazu schwingt das sanfte, rhythmische Wiegen der Waggons in einem einschläfernden Rhythmus. Die Reise entzieht sich hektischem Treiben und repräsentiert selbst ein Stück Zeitlosigkeit.

Für eine gewisse Aufregung sorgen die Stopps auf den Bahnhöfen. Wie Perlen an einer Schnur liegen hin und wieder Orte aufgereiht mit unaussprechlichen Namen, die nach Abenteuer und fernen Welten klingen: Tschernyschewsk, Mogotscha, Skoworodino. Und dann erst die Gegenden, die zu erreichen man nie geträumt hatte.

Blick über den vereisten Baikalsee. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Phänomen Unendlichkeit

Ein violetter Schimmer am Horizont. Rauch tanzt über den Hütten eines Dorfes. Die Birken erscheinen im Morgenlicht noch nackter und recken bebend ihre Rauhreif-Äste. Dann steigt der rote Feuerball, die kalte Glut der Sonne, über den Horizont. Winter in Sibirien – kann es eine schönere Reisezeit geben?

Landschaft am Schienenstrang. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Im Morgengrauen aus dem Abteil zu treten, wieder die Taiga vor dem Fenster und die Wartenden in Schlaf- und Trainingsanzügen vor dem Klo – das Bild wird bleiben. Zu Hause werden sie verlangen, dass man das alles beschreibt. Die Transsibirische Eisenbahn und die Birkenwälder. Sie sehen aus wie unsere Birken; allein das Wissen um ihren Standort in Russland oder Sibirien gibt ihnen doch etwas Besonderes. Aber diese Weite – und das ist die völlig neue Erfahrung – vermittelt eine Ahnung davon, was Unendlichkeit ist. Dem strapazierten Auge unserer Regionen tut soviel unverbrauchte Natur gut. Nur selten eine Ansammlung von bunten Holzhäuschen. Die Frage stellt sich: Wie lebt man da im sibirischen Winter bei Minus 50 Grad? In der schier endlosen Ebene, in den ärmlichen Dörfern, deren Katen umfasst sind von schiefen Zäunen. Einen Tolstoi, Puschkin oder Dostojewski im Gepäck, und man wird diesem Phänomen näher kommen.

Ob-Brücke Novosibirsk. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Der Express zuckelt mit etwa 90 Sachen, manchmal langsamer, manchmal schneller, durch das grüne Meer. Man genießt Tee mit sibirischen Moosbeeren und das wie auf einer Kinoleinwand abrollende grandiose Schauspiel der Weite und Schönheit Sibiriens. Ein Hauch von Purpur liegt über den schneebedeckten Wiesen der großen vereisten Flüsse.

An jedem Bahnhof das gleiche Schauspiel: Die Reisenden stürzen mit „Seemannsbeinen“ – bedingt durch das Schaukeln der Waggons – ins Freie.

Schwere Zuglok vor der Abfahrt. © Foto/BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Vorsicht: Transit-Falle!

In Zabaikalsk, an der Grenze nach China, wird die Angst zu einem lästigen Mitreisenden. Ist es etwas, was den strengen Kontrolleuren missfallen könnte? Ein zu knapp bemessenes Transitvisum – „Dokumenti“ genannt – kann zu ungeahnten Problemen führen. Die Folgen einer verweigerten Ausreise nach China können sein: Festnahme mit drohend vorgeschobenen Kalaschnikows, Verhöre, ein unfreiwilliger mehrtägiger Aufenthalt und horrenden Zusatzkosten. Abgesehen von Stress und Strapazen ohne Nahrung und Getränke. Umstände, für die das visaerteilende russische Konsulat und der Reisevermittler, die es besser wissen müssten, keine Verantwortung übernehmen. Den mafiösen Grenzstrukturen ist dann der sprachunkundige Reisende hilflos ausgeliefert. Die Gesetze eines Rechtsstaates gelten hier nicht.

Acht Tage und Nächte – bei bis zu -35 Grad Außentemperatur und mehr im Winter und Frühjahr, im Sommer mit Plus-Vorzeichen –  dauert die schaukelnde „Schienen-Seefahrt“: über die großen russischen Ströme wie Wolga, Ob und Jenissej hinweg durch grünes Taiga-Meer und braune Steppe bis Peking. Im Winter liegt der Reiz in den tief verschneiten Landschaften.

An jeder Station wird aus- und eingeladen. © Foto: Christine Schönherr, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Schützende Bahnhülle

Die offenen Türen erlauben einen Blick in die Abteile, in denen sich zwischen Kohlgeruch und Tabakqualm eine Art Wanderarbeiter- und Wohnküchenatmosphäre ausgebreitet hat. Männer, oft in Trainingshose und Unterhemd oder Schlafanzug, spielen Schach oder dösen auf den Betten; Frauen versorgen ihre Säuglinge oder schmieren Butterbrote. In manchen Abteilen kreist, trotz der neuen Politik, die Flasche „Wässerchen“, sprich Wodka. Dann ist meistens auch eine Einladung fällig.

Der „Moskau-Beijing-Express“ läuft eine Woche später um 05.31 Uhr in den Hauptbahnhof von Peking ein, dem größten der Welt übrigens. Der Reisende taucht ab in das quirlige Leben der chinesischen Metropole und hat das Gefühl, die schützende Hülle der Bahn verlassen zu haben. Und er kommt sich zum ersten Mal auf dieser Reise allein und verlassen vor. „Schade, dass es nicht noch weiter geht, ich hab´ mich so an das Bahnfahren gewöhnt“, bedauert ein Mitfahrer.

Nach über 9000 Kilometern – für Flugangst-Geplagte eine Fernreise ohne Jet lag – endet hier die erste Etappe der Reise.

Platz des Himmlischen Friedens mit Halle des Volkes in Peking. © Foto: Christine Schönherr, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Chinesische Kontraste

Auf dem zweitägigen Kurzprogramm stehen zunächst die Sehenswürdigkeiten der chinesischen Hauptstadt wie Tianmen-Platz und Verbotene Stadt.

150 Auto-Kilometer rollt man schließlich über Land. Höhepunkt: eine Zehn-Kilometer-Wanderung auf einem UNESCO-Welterbe, der gewaltigen rund 6000 Kilometer langen Chinesischen Mauer. Am Fuß des Bauwerks bildet mittelalterlich anmutendes Landleben Alltagseinblicke die den Besucher nur staunen lassen.

Vielbesuchter Kaiserpalast in Peking. © Foto: Christine Schönherr, BU: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: März 2009

Schon am nächsten Tag indes kann man über das moderne China staunen: während einer halbstündigen 150-Kilometer-Fahrt – sie kostet umgerechnet nur fünf Euro – mit dem hypermodernen Hochgeschwindigkeitszug nach Tianjin. 350 Sachen zeigte der digitale Tacho zeitweilig an.

Schon Pekings Südbahnhof ist eine architektonische Glanzleistung – mit Nichts in Europa zu vergleichen. Alle zehn Minuten verlässt einer der pfeilschnellen gestylten Züge die luftige Konstruktion aus Glas und Stahl.

Tianjin, die junge Millionenstadt, hat einen aufstrebenden Hafen: Xingang. Der liegt rund 200 Kilometer südöstlich von Peking am Gelben Meer. Per Zug und öffentlichem Taxi (Achtung Abzocke: Der Agent verlangt 160 Euro!) in gut zwei Stunden zu bewältigen.

Informationen Transsib:

Gestern

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Gedanke, eine Eisenbahnlinie quer durch Sibirien zu bauen, durch die Generalgouverneure von Omsk und Irkutsk laut. Die Sibirier wollten natürlich ihre Städte per Bahn mit der westlichen Wirtschaft verbinden. Jedoch erst die Vollendung der Eisenbahnlinien 1869 durch Amerika und 1885 duch Kanada und 1881 der Amtsantritt des Zaren Alexander III verhalfen dem Projekt zum Durchbruch. Mit den Worten “ Es ist Zeit, es ist allerhöchste Zeit“ genehmigte der Zar das Jahrhundertprojekt „Transsibirische Eisenbahn“. Da der Ural bereits per Bahn mit Moskau verbunden war, musste das lange Stück zwischen den Städten Tscheljabinsk im Ural und Wladiwostok am Pazifik geschlossen werden. Dazwischen lagen endlose Taiga, Sümpfe, unbewohnte Steppe, Dauerfrostboden und der Baikalsee.

1891 wurde mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn auf Befehl des Zaren Alexander III. (1881 – 1894) begonnen.

Mit der 28 km langen Strecke von St. Petersburg nach Zarskoje Zelo, dem damaligen Zarenschloss, setzte zwischen 1835 und 1837 das Eisenbahnzeitalter in Russland ein.

Wirtschaftlich war diese Bahnlinie ohne Bedeutung, fuhr sie doch nur an Wochenenden mit importierten Lokomotiven aus England und Belgien. In der Woche wurde sie zur Pferdebahn umfunktioniert.

Von 1843 bis 1851 wurde schließlich ein großes Bahnprojekt angepackt und realisiert: die 650 km lange Strecke (heute Schnellfahrmagistrale) zwischen Moskau und St. Petersburg. Dort wurden auch – mit amerikanischer Unterstützung – die ersten russischen Lokomotiven gebaut.

Die neuen Eisenbahnstrecken hatten den Transport von Getreide zum Ziel, sowohl in die beiden Metropolen als auch in andere Landesteile sowie zu den Exporthäfen an Ostsee und Schwarzem Meer. Zudem sollte der Warenaustausch mit Sibirien Russlands Hungersnöte mildern helfen. Als Thronfolger Nikolaus, der mit dem Eisenbahnbau betraut war, 1891 den Grundstein für die Ussuri-Bahn Wladiwostock – Chabarowsk gelegt hatte, kam er aus einem blühenden Sibirien in ein hungerndes Russland. Das Bahnprojekt wurde daraufhin beschleunigt.

Der Bau der Transsib ist in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Russlands zu sehen. Die Canadian Pacific Line übte in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch eine gewisse Sogwirkung aus, denn Russland brauchte dringend einen eisfreien Hafen sowie eine Verbindung vom Ural und Pazifik.

Ein neuer Markt sollte erschlossen werden: China. Von zwei Seiten aus begann der Bau der längsten Eisenbahnstrecke der Welt. In Wladiwostock wurde am 12. Mai 1891 der erste Spatenstich getan, während im Westen mit dem Bau 1892 in Tscheljabinsk am Ostrand des Ural, etwa 250 km südwestlich von Swerdlowsk, begonnen wurde.

Den Baikalsee hatte man vom Westen her bis 1900 erreicht. 1897 konnte der Ostabschnitt von Wladiwostock bis Chabarowsk sowie von Sretensk (Kilometerstein 6531) bis zum Baikalsee eröffnet werden. 1916 wurde erst die Strecke von Sretensk nach Chabarowsk fertiggestellt. Vor dieser Zeit rollten die Züge sowohl nach Wladiwostock als auch über die mittlere Abzweigung bei Tschita via Harbin und durch die chinesische Mandschurei nach Peking.

90.000 Arbeitskräfte – Bauern, Soldaten, Kosaken und Sträflinge – vollbrachten, ausgerüstet nur mit Schaufel, Spitzhacke, Säge und Schubkarren, unter härtesten Lebens- und Naturbedingungen diese imposante Leistung. Organisator des Jahrhundertbauwerks der Eisenbahn war S.J. Witte. Vierzig Jahre dauerte allein die Planung!

Mit der Fertigstellung der Transsibirischen Magistrale im Jahre 1905 begann auch die moderne Besiedlung Sibiriens. Vier Millionen Bauern aus dem europäischen Teil Russlands hatten sich bis 1914 schon entlang der neuen Trassen angesiedelt. In den neu gegründeten Industriezentren, der Rohstoffgewinnung und im Wartungsbereich wurden genügend Arbeitsplätze angeboten.

Vor dem Bau der Transsib galt eine Sibirien-Durchquerung noch als Heldentat. Der als „Moskauer Trakt“ bekannte Weg war holperig und ausgefahren. Anton Tschechow schrieb über seine Reise 1890 durch Sibirien zur fernöstlichen Insel Sachalin so: „Im Frühling Schlamm, im Sommer extreme Unebenheiten und Reparaturen, im Winter Schlaglöcher.“

Abschnitte

Die Transsib wurde in den verschiedenen Regionen zeitgleich gebaut. Diese Bauabschnitte gaben später den Eisenbahnverwaltungen ihre Namen. Es entstand die Westsibirische-, die Mittelsibirische-, die Baikal-, die Transbaikalische-, die Amur- und die Ussuri-Bahn. Auch heute gibt es diese Bahnverwaltungen mit eben diesen Namen noch. Im Mai 1891 begann man zeitgleich im Osten und im Westen mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn. Der damalige Zarenthronfolger Nikolaj II tat den ersten Spatenstich in Wladiwostok, um anschließend nach Moskau zu reisen. Diese Reise dauerte damals drei Monate. Die Ussuri-Bahn wurde als erstes Teilstück Ende August 1897 dem öffentlichen Verkehr übergegeben. Zwischen 1892 und 1895 baute man an der Westsibirischen Eisenbahn, von Tscheljabinsk bis zum linken Ob-Ufer. Die Mittelsibirische Eisenbahn, vom rechten Ufer des Ob zum Baikalsee, bedurfte fünf Jahre Arbeit. Fertiggestellt wurde dieser Teil im Jahre 1889. 1895 begann man bereits an andern Ende des Baikals mit dem Bau der Transbaikalbahn. Dieser Abschnitt sollte ebenfalls nach fünf Jahren fertig sein.

Baikalregion

Das Gebiet um den Baikalsee war damals für die Eisenbahnbauer ein kaum überwindbares Hindernis. Die bergige Gegend machte eine Weiterführung der Eisenbahnlinie unmöglich, so dass man sich für eine Fährverbindung über den Baikalsee entschied. Zu diesem Zweck wurden bereits 1893 bei der Werft Armstrong & Co in Glasgow zwei Fährschiffe bestellt. 1900 fertig in Schottland stehend, mussten die beiden Schiffe wieder demontiert und versandfertig gemacht werden. In Kisten verpackt, wurden sie schließlich nach Sibirien versandt und in Listvjanka südlich von Irkutsk wieder zusammengebaut. Das große Schiff, die „Baikal“, war 88 m lang, 18 m breit und 8,7 m hoch. Es fasste 25 Eisenbahnwagons, 200 Passagiere und 750 Tonnen Nutzlast. Die „Baikal“ existiert heute nicht mehr. Das kleinere Schiff hingegen, die „Angara“, kann man heute noch in Irkutsk besichtigen. Diese Fährverbindung war auch praktikabel während der sieben Monate andauernden eisfreien Periode das Baikals. Im verbleibenden Vierteljahr wurden spezielle Schlitten eingesetzt, um die Waggons über das meterdicke Eis zu transportieren. Während des russisch-japanischen Krieges wurden, um die Versorgung im Osten zu beschleunigen, sogar auf dem Eis Gleise verlegt. Trotz dieser tollkühnen Tat blieb der Baikal mit der Fährverbindung das Nadelöhr auf dem Weg nach Osten. Nachdem auch der Krieg für Russland verloren ging, hielt man diese Engstelle auch für eine strategische Schwachstelle, die es zu beseitigen galt. Aus all diesen Gründen wurde zwischen 1902 und 1905 mit viel Mühe und unter großem Aufwand die Umgehungsstrecke am Ufer des Baikals, die Baikalbahn, gebaut.

Streckenführung

Ebenso schwierig zeigte sich das Land zwischen dem Baikalsee und Chabarowsk. Dauerfrostboden, die kältesten Winter Sibiriens und häufige Überschwemmungen auf diese Strecke gaben Anlass, auch über Alternativen nachzudenken. In dieser Zeit passte es, dass sich China, nach einem verlorengegangenen Krieg mit Japan, in einer geschwächten Lage befand. Diesen Zustand nutzte Russland als starker Nachbar, um über einen Eisenbahnkorridor durch Ostchina zu verhandeln. Man einigte sich auf einen 25-Jahres-Pachtvertrag für die Verbindung nach Wladiwostok. Nachdem aber der eigene Krieg gegen Japan verlorenging, hatten die russischen Verantwortlichen die Befürchtung, dass Japan China besetzen könnte und damit die einzige innerrussische Verbindung vom Ural zum Pazifik unterbrechen könnte. Man entschloss sich dann doch, die aufwändige inländische Verbindung, die Amur-Bahn, zu bauen. Die Arbeiten an ihr wurden im Jahre 1907 aufgenommen und neun Jahre später mit der Fertigstellung der Amurbrücke bei Chabarovsk beendet. Die Transsibirische Eisenbahn war somit durchgängig fertiggestellt.

Verkehrsmittel

Bis 1905 wurde bereits vom Ural bis Irkutsk zweigleisig gefahren. Die zweite Spur bis zum Pazifik wurde in den dreißiger Jahren vervollständigt. Mitte der 20er Jahre befuhr man die Strecke mit Dieselloks aus Deutschland. In den Dreißigern erprobte man auf Strecken im Ural die Elektrifizierung, die schließlich bis 1961 von Moskau bis Irkutsk durchgängig eingerichtet wurde. Heute ist die Strecke komplett elektrifiziert. Die E-Loks stammen aus russischer oder tschechischer Produktion, wobei die Wagons noch überwiegend aus dem DDR-Waggonbau Ammendorf, bei Halle an der Saale, stammen. Auch durch die neue Zeit hat sich an dieser Zusammenarbeit scheinbar nichts verändert, da man an manchen Waggons ein Schild entdeckt mit der Aufschrift „Renoviert durch die Waggonbau GmbH Ammendorf“.

Heute

Die Strecke Moskau – Nachodka/Wladiwostock ist 9.300 km lang, die Mongolei – Route über Ulan Bator nach Peking 7.865 km, über die Mandschurei nach China 9.001 km.

Bei den eingesetzten Lokomotivtypen herrschen die Achsfolgen Bo´Bo´und Co´Co´ vor. Die WL 60 ist die Universalmaschine schlechthin, und zwar für Wechselstrom ausgelegt. Davon ist die Serie WL 60 P geeignet für den Güterzugdienst; die Serie R verfügt über eine so genannte Nutzbremsung. Neben den Produktionen aus russischen Lokschmieden kommen Fahrzeuge aus den ehemaligen RGW – Ländern, aber auch aus der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, zum Einsatz.

Auf der Transsibirienstrecke werden die Loks nicht mehr als vier- bis fünfmal ausgewechselt, die Lokführer („Maschinist“) und Beimänner („pomoschtschik“) alle drei bis vier Stunden; sie fahren mit dem nächsten Gegenzug wieder nach Hause.

Neben dem fahrenden Personal gibt es auch noch das stationäre, z. B. den „malatok“ oder „malatoschnik“, der mit einer Stange gegen die Radkappen schlägt. Klingt das Geräusch hoch, ist alles in Ordnung. Dazu gehören auch die in dicke Wattejacken verpackten Arbeiterinnen, die von einem Lkw Kohle und Briketts für die Waggonheizungen (eine Lok allein kann bei den niedrigen Wintertemperaturen die Heizung nicht aufrechterhalten) in den Zug laden. Die „prowodniza“ (Schaffnerin) ist auch Waggonheizerin, die den Samowar für heißes Wasser am Kochen hält.

Die gesamte Strecke ist in Blocks eingeteilt, so dass der sehr starke Verkehr gesichert ist.

In der sommerlichen Hochsaison fahren alle 30 Minuten Transsib – Züge von Moskau nach Sibirien.

Die Geschwindigkeit beträgt maximal 120 km/h.

Reisehinweise

Die Routen (Moskau – Chabarowsk – Nachodka/Wladiwostock; Moskau – Ulan Bator – Peking; Moskau – Zabaikalsk – Peking) sind sowohl für Einzelreisende als auch in kleinen Gruppen befahrbar. Die notwendigen Visa kann man sich (preiswerter, aber zeitaufwendiger) selbst beschaffen oder das vermittelnde Reiseunternehmen beauftragen.

Natürlich ist die Reise auch ohne jegliche Unterstützung zu organisieren. Reiseführer für Einzelreisende geben entsprechende Tipps.

Der individuelle Weg erscheint zwar anfänglich preiswerter, ist jedoch wesentlich zeitintensiver, was letztlich auch Mehrkosten bedeutet.

Zug Nr. 4 (über Ulan Bator) fährt jeden Dienstag in Moskau ab und kommt am folgenden Montag in Peking an. Der gleiche Zug verlässt Peking mit der Nr. 3 jeden Mittwoch und erreicht Moskau am folgenden Montag.

Zug Nr. 20 (über Zabaikalsk) fährt jeden Freitag um 23.55 Uhr in Moskau ab und läuft am folgenden Freitag um 05.31 Uhr in Beijing-Hauptbahnhof ein, um am Samstag als Zug Nr. 19 zurückzufahren und am folgenden Freitag in Moskau anzukommen.

Die exakten Fahrplanangaben sind dem internationalen Fahrplan bzw. dem Fahrplan der chinesischen Eisenbahn (in englischer Sprache) zu entnehmen.

Anmerkung:

Siehe auch den Artikel Mit dem Containerschiff MS CMA CGM VELA von Xingang nach Hamburg – Serie: Von Europa nach Asien mit dem Zug und zurück per Frachter (Teil 2/2) von Dr. Peer Schmidt-Walther.

Vorheriger ArtikelLukas Linder erhält den Förderpreis Komische Literatur 2021
Nächster ArtikelNoch mehr Mohammedaner für deutsche Lande – Merkel-Regierung holt IS-Frauen und Kinder zurück in die BRD