Lieb Schwesterlein, lass mich herein – “The Uninvited” amerikanisiert das asiatische Schaudermärchen “Der Fluch der zwei Schwestern”

Ariele Kebbel und Emily Browning in "Der Fluch der zwei Schwestern"

Nachts findet die junge Anna (Emily Browning) im Wald drei Müllsäcke. Das soll gruselig sein, vermittelt die dräuende Musik. Umweltverschmutzung ist der reinste Horror. Der unvorteilhafte Anfang verweist auf die Unausgegorenheit, an der die Handlung von “Der Fluch der zwei Schwestern” krankt. Unsicher schwankt “The Uninvited – Der Fluch der zwei Schwestern” zwischen Horrorstreifen und psychologischem Thriller. Unheimlicher als die Körperteile in besagten Müllsäcken ist, dass das Geschehen sich nur in einem Albtraum Annas abspielt. Ein Selbstmordversuch nach dem Tod ihrer schwerkranken Mutter hat das Mädchen in die Psychiatrie gebracht. Als sie nach Hause zu ihrem Vater (David Strathairn) und ihrer älteren Schwester Alex (Arielle Kebbel) zurückkehrt, beginnt ein Kleinkrieg mit ihrer zukünftigen Stiefmutter Rachel (Elizabeth Banks). Würden die schneewittchenhafte Emily Browning und die hervorragend eisige Elizabeth Banks diese unterschwellige Ablehnung nicht so raffiniert spielen, wäre “The Uninvited“” nur plumper Spukfilm. Während die unheimlichen Visionen Annas von ihrer toten Mutter und herumkriechenden Körperteilen langweilige Horrorversatzstücke sind, hat der Konflikt der jugendlichen Schwestern mit ihrer jungen Stiefmutter archetypisch Märchenhaftes. Das japanische Original “A Tale of Two Sisters” basiert auf einer asiatischen Volkssage von einer solchen bösen Stiefmutter, welche die Töchter des Ehemannes, notfalls mit Gewalt, aus dem Weg schaffen will. Der Originalname verweist auf die geistige Verwandtschaft Annas und Alex, deren Namen Su-mi und Su-yeon in der japanischen Version eine Anspielung auf den überraschenden Ausgang sind.

Doch “Zwei Schwestern” holt einmal mehr den Holzhammer aus der Effektkiste. Die Schockeffekte versanden meist im unfreiwillig Komischen. Ja, es ist das blanke Grauen in die Dreckecke hinter der Küchenanrichte fassen zu müssen, weil aus dem Müll eine leere Dose dorthin gerollt ist. Kennt solche Horrormomente nicht jeder aus dem Haushalt? Interessanter ist das universelle Gruselmotiv der bösen Stiefmutter in der asiatischen Originalversion, welches in Märchen wie Hänsel und Gretel oder Brüderchen und Schwesterchen auch in der westlichen Kultur präsent ist. Das Plakat zum japanischen “A Tale of two Sisters” zeigt die Schwestern Hand in Hand vor ihrem Vater und der Stiefmutter. Wie ein düsteres Familienporträt wirkt die Repräsentation der  filmischen Grundhandlung. Die von außen und innen pervertierende Kernfamilie steht im Zentrum des Originals. Die ehemalige Krankenschwester Rachel in “The Uninvited” hat sich eine undurchdringliche Rüstung aus Herzlichkeit zugelegt. Mehrfach deutet Elizabeth Banks die unterdrückten Aggressionen der Krankenpflegerin gegenüber ihren Patienten an. Hier scheint “The Uninvited” dem realen Horrormotiv von der mörderischen Krankenschwester oder besessenen Kindermädchen wie in “Die Hand an der Wiege” näher als dem asiatischen Schaudermärchen, auf dem die Handlung beruht. 

Vor seiner potentiellen psychologischen Tiefe scheut der Film zurück. Der unterschwellige Sexualneid Annas auf ihre junge Steifmutter wird nur angedeutet. Dabei ist er besonders interessant, da meist die Mütter Sexualneid auf die Töchter empfinden. Nachdem Rachel ein Treffen Annas mit deren Freund unterbunden hat, nehmen die Schwestern die Batterien aus Rachels Vibrator. Statt die psychologische Ebene auszuloten, bleibt “The Uninvited” an der Oberfläche. Dabei sind die Schwestern des Originaltitels, den der deutsche Verleih glücklicherweise dem unpassenden amerikanischen Titel vorzieht, nicht nur Alex und Anna. Rachel und ihre jüngere Stieftochter sind Schwestern im Geiste. Hätten die Brüder Guard die asiatische Vorlage als Inspiration für einen originellen Psychokrimi genutzt, wäre dank der präzisen Schauspielleistungen unterhaltsamer Leinwandgrusel herausgekommen. So bleibt der Hollywoodfilm das ungeliebte Stiefkind des überlegenen nur auf DVD erschienenen Originals von Regisseur Kim Jee-Woo. Ein breiterer Kinoverleih asiatischer Filme und authentische Einfälle aus den USA würden ungebetene Gäste wie “The Uninvited” aus unseren Kinos fernhalten.

* * *

Originaltitel: The Uninvited

Deutscher Titel: Der Fluch der zwei Schwestern

Genre: Horror-Drama

Kinostart: 29. Mai  2009

Regie: Charles Guard, Thomas Guard

Drehbuch: Craig Rosenberg, Doug Miro

Darsteller: Emily Browning, Arielle Kebbel, David Strathairn, Elizabeth Banks

Verleih: Universal

Laufzeit: 87 Minuten

FSK: ab 16

Vorheriger ArtikelAuf der Leinwand angeblich “In die Welt” in achtzig Minuten – Constantin Wulff zeigt die Geburt realitätsfern als entspanntes Wunder in seinem Dokumentarfilm “In die Welt”
Nächster ArtikelSex mit den Geistern der Ex -Matthew McCoughney muss in “The Womanizer – Die Nacht der Ex-Freundinnen” durchstehen