Landgestüt Dillenburg: „Über den Missbrauch der Ethik“ – Eva Maria Limmer im Weltexpress-Exklusivinterview

Eva Maria Limmer
Eva Maria Limmer mit Athos und Marfil vor dem Belvedere auf dem Klausberg, wo schon Friedrich der Große sehr gerne die schöne Aussicht auf den Park von Sanssouci und das Umland von Potsdam genoß. © 2014, Eva Maria Limmer, BU: Bernd Paschel

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Unter der Überschrift „Chance fürs Landgestüt in Dillenburg“ berichtet die „Frankfurter Rundschau“ am 24. Juli 2017: „Die Diskussion über die drohende Schließung des Landgestüts Dillenburg hat neue Fahrt aufgenommen.“

Eva Maria Limmer aus Königshorst bei Berlin spricht hier aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Pferden, Pferdehaltungen, Reitweisen und Pferdebesitzern unterschiedlichster Ausprägung zum Thema Landgestüte.

Ihre Argumente könnten der Hessischen Ministerin Priska Hinz gegebenenfalls als Schützenhilfe in ihrer Entscheidung dienen, das Landgestüt Dillenburg ohne „Wenn und Aber“ zu schliessen, sofern dieses die Haltungsbedingungen seiner Pferde nicht umgehend und dem geltenden Tierschutzgesetz entsprechend, in eine artgerechte Haltung umwandeln kann.

Das Interview

Paschel: Liebe Frau Limmer, als Kind aus einer Familie mit zum Teil uradeligen Vorfahren, überwiegend aus dem Osten Deutschlands haben Sie sicher schon früh auf einem Pony gesessen und eine klassische Reitausbildung genossen?

Limmer: Als Kind, soll ich schon im Kinderwagen außer mir vor Freude gewesen sein, wenn ich Pferde sah und freute mich riesig, wenn man mich auf ein solches hinauf hob. Als Kleinkind saß ich auf Ponys und lieben Großpferden, ohne Reitkappe, und lernte als Achtjährige den damals üblichen Kommisston diverser Reitschulen kennen.

Ich auf Welsh B -Wallach Bronko 1975 , Ehranger Heide bei Trier.©Eva Maria Limmer,Foto-I.v.Massow, BU Eva Maria Limmer
Ich auf Welsh B -Wallach Bronko 1975 , Ehranger Heide bei Trier.©Eva Maria Limmer,Foto-I.v.Massow, BU Eva Maria Limmer

Paschel: Der immer noch sehr verbreitet ist, wie ich erlebe. Irgendwann haben Sie die Seite gewechselt. Kann man das so sagen?

Limmer: Nein. Ich war immer nur auf der Seite der Pferde und bin dankbar dafür, dass ich sowohl eine Grundlage durch die sog. klassische Reitausbildung erhielt, aber gleichzeitig auch immer frei, fröhlich und unbehelmt in der freien Natur reiten konnte. Mit 15 Jahren bekam ich mein eigenes Pferd, eine unbeugsame Quarterhorse Stute, und lernte dadurch das sog. Westernreiten kennen.

Darüber hinaus habe ich jede Gelegenheit genutzt, Pferde verschiedenster Rassen kennenzulernen und oft wurde mir auch angeboten, diese zu reiten.

Vom Rodeoveranstalter und erstem Quarterhorse-Importeur in Deutschland, Alan Jacobs, bekam ich das für ihn wohl größte Kompliment, was er machen konnte, nämlich:

„She could ride anything, even a bull!“

Paschel: Das würde ich einen geschmeidigen Sitz nennen. (lacht)

Limmer: Meine diesbezüglichen Erfolge gründeten wohl darauf, dass ich mich den Pferden sehr verbunden fühle und ihnen zutiefst vertraue. Die Pferde enttäuschten mich soweit nie, selbst nicht die ausgemusterten Rodeopferde, bei denen ich wohl testen sollte, ob sie als umgewidmete „Freizeitpferde“ ihre zukünftigen Besitzer am Leben lassen würden.

Paschel: Sie schreiben an Frau Hinz: „Sie liegen völlig richtig mit der Einschätzung der tierschutzwidrigen Haltung der Pferde im Landgestüt Dillenburg. Eine oberflächliche Abgleichung mit den Leitlinien für Pferdehaltung beweisen es und der normale Menschenverstand kann dieses jederzeit erkennen. Diese Landgestüte sind ja auch eigentlich ein Anachronismus, da das Pferd heutzutage weder Kriegsgerät noch Agrarmaschine ist.“

Waren Sie überrascht, als Sie erfuhren, dass die Hessische Ministerin Frau Priska Hinz das Landgestüt Dillenburg schließen will?

Limmer: Nein. Das war nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand diese längst überfällige Idee bekommt.

Paschel: Weiter schreiben Sie: „Erschreckend in diesem Zusammenhang, das extrem gesunkene Durchschnittsalter und der allgemeine Krankenstand der Pferde in unseren modernen Zeiten. Ursprüngliches Ziel der Landgestüte, also Sinn und Zweck, waren auf das Gegenteil ausgerichtet. Man kann diesem wohl entweder nicht mehr gerecht werden, oder die Pferdehaltung in Deutschland ist extrem ungesund, oder beides.“

Bei change.org gibt es eine Petition für den Erhalt des Hofes.

Zitat: „Die im Gestüt beheimatete Hessische Landes Reit- und Fahrschule ist ein bekannter Anziehungspunkt für Reit- und Fahrinteressenten aus der ganzen Welt. Sie ist als fünf Sterne Fachschule der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) anerkannt und bildet Pferde und Reiter nach ethischen Grundsätzen aus.“

Was sagen Sie den Leuten, die das unterschreiben?

Limmer: Die würde ich erstmal fragen, auf welchen ethischen Grundsätzen ihr Statement basiert und ob es sich vielleicht doch eher um kommerzielle Grundsätze handeln könnte.

Was Sie meinen, ist ja wohl in diesem Zusammenhang eher eine ethische Scheinheiligkeit, denn man bemüht hier, meiner Meinung nach, sehr bewusst, den Ethikbegriff, um sich selber quasi einen Heiligenschein zu verpassen  und suggeriert, dass dementsprechend alles nach ethischen Gesichtspunkten ablaufen muss  bzw. auf diesen gegründet und verankert ist.

Der Pferdeschinder ist in unserem Kulturkreis nicht sehr hoch angesehen, der Pferdefreund dagegen sehr.

Paschel: Jetzt haben Sie mich erwischt. Ich nenne mich auch Pferdefreund

Limmer: (lacht) An den Taten sollt ihr sie erkennen! Jeder echte Freund der Pferde, der sich ihnen gegenüber auch tatsächlich wie ein Freund verhält, hat meine allergrößte Sympathie.

Ich fände es grundsätzlich erfreulich, wenn es eine staatlich geförderte Institution gibt, die Pferde züchtet und Reit- und Fahrunterricht gibt, nur sollte diese dann ihrer Vorbildfunktion bzgl. artgerechter und gesunderhaltender Pferdehaltung und Reitweise gerecht werden können.

Die Isolations-Zwingerhaltung von Pferden, einer Spezies die sich von Natur aus in engen sozialen Verbänden kontinuierlich in ständiger Bewegung und Beschäftigung befindet, ist nicht nur unartgerecht, sondern unverantwortlich und vor allem sehr bequem und kostensparend. Das kann jeder nachvollziehen, der schon selber Pferde gehalten hat.

Es ist sehr praktisch und zeitsparend und disziplinierend ein Pferd alleine in einer sog. Box zu deponieren und es nur zum Gebrauch dort hervorzuholen.

Paschel: Und die Alternative wäre?

Es ist sehr aufwendig und erfordert sehr viel Fachwissen und Einsatz, ein Pferd in einer für dieses angenehmen Gruppenhaltung auf entsprechend weitläufigen Flächen, die man einzäunen, pflegen und kontrollieren muss, ganzjährig zu halten, wie es artgerecht wäre. Hierzu kommt noch der entsprechende Witterungsschutz, idealerweise ein jederzeit begehbarer echter Stall und keine windschiefe Bretterbude, frisches Wasser, entsprechende Zufütterung und individuelle Pflege, da es sich bei den Pferden des Landgestütes ja nicht um Tarpane, sondern um hochgezüchtete Warmblüter handeln dürfte, die gewisse Ansprüche haben, die eine vom Menschen herausgezüchtete Kulturrasse nun mal mit sich bringt, dafür aber auch die den Urpferden überlegene sportliche Leistungsfähigkeit.

Bei der Hengsthaltung steigert sich das Anforderungsprofil noch einmal, denn hier ist besonders viel Kompetenz und Platz erforderlich. Hengste hätten idealerweise mindestens einen Gefährten, besser Gefährtin, an der Seite. In modernen Vollblutgestüten soll dieses zum Teil sogar schon länger erfolgreich praktiziert werden, mit Deckhengsten. Sie sollten ihr eigenes Revier haben, wie einst die Hauptbeschäler in Trakehnen. Das würde dem normalen ethischen Verständnis entsprechen und dem geltenden Tierschutzgesetz, besonders bezogen auf die vielbeschworene „Artgerechtigkeit“.

Ein Hengst ist schließlich auch ein Pferd. Und vor dem Gesetz sollen ja alle gleich sein. Sexismus war gestern.

Paschel: Wie meinen Sie das?

Limmer: In meinem Brief schreibe ich sinngemäß, dass Hengste selten eine Chance haben auf ein artgerechtes Leben, aber in Dillenburg leben sie zumindest.

Paschel: Das Landgestüt Dillenburg ist nach Ihren Worten im Vergleich zu den schon längst entstandenen „Pferdehalden ungeliebter, ungebrauchter Pferde noch das Paradies auf Erden für die Pferde“.

Warum dann das Landgestüt Dillenburg, wenn Sie es, zwar nur relativ, aber Paradies nennen?

Limmer: Weil die Hengste dort, wie schon gesagt, zumindest einen – wenn auch beschränkten – Lebensraum haben, gefüttert und versorgt werden, geritten und gefahren werden können, und somit eine Aufgabe haben, womöglich gerade deshalb auch optisch gut aussehen und nicht selten ein durchaus respektables Alter erreichen können.

So hat es zumindest den Anschein.

Es müsste für eine halbwegs artgerechte Grundlage in der Pferdehaltung pro Pferd mindestens ein Hektar gepflegtes, nahrhaftes Grünland zur Verfügung stehen.

Mindestens!

Paschel: Für ein Pferd?

Mister Rock`s XX, Championmeiler,gekörter Deckhengst GAG 98,5 mit Gattin Eva Reed Too (QH) im Januar 2005 in Landin auf dem Weg zur ihrer Weide.©Eva Maria Limmer, BU Eva Maria Limmer
Mister Rock`s XX, Championmeiler,gekörter Deckhengst GAG 98,5 mit Gattin Eva Reed Too (QH) im Januar 2005 in Landin auf dem Weg zur ihrer Weide.©Eva Maria Limmer, BU Eva Maria Limmer

Limmer: Ja, das wäre angemessen für ein Landgestüt. welches auch wegweisende Ausbildungsstätte nach „ethischen Richtlinien“ sein will. Dass dieses nicht längst veranlasst wurde, ist eigentlich nicht nachzuvollziehen, da ja nun in unendlichen wissenschaftlichen Studien erläutert wurde, warum die Isolationsstandhaltung, gar noch kombiniert mit Extremsportintervallnutzung, zu so vielen früh verschlissenen, angeschlagenen oder gar schwerkranken Pferden geführt hat, die dann – seltsame Diktion vieler sog. Pferdefreunde – „geschlachtet werden müssen“.

Hier sei auch noch die Frage erlaubt, ob es sich bei einem Landgestüt in aktueller Ausprägung nicht um einen Anachronismus handeln dürfte, denn weder Landwirtschaft noch Militär brauchen aktuell das Warmblut-Pferd zu ihrer Berufsausübung und der Hobbyreiter züchtet, importiert und exportiert schon lange selber mit der gleichen Produktionsfreude, wie die Landgestüte und nicht selten mit fatalen Folgen für die Pferde, die sehr oft nur noch billige Handelsware mit schnellem Verfallsdatum sind und immer öfter und- ebenfalls auf Staatskosten, von Veterinärämtern aus unsäglichen Haltungen gerettet werden müssen.

Dass Tierärzte es praktisch finden in gefegten Stallgassen ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, statt über weite Wiesen wandern zu müssen, zu Pferden, die sie dann wohl nur selten als Patienten vorfinden würden, ist zwar rein kommerziell betrachtet verständlich, ethisch und vor allem auch berufsethisch allerdings wenig vorbildhaft.

Dass ein Pferd, welches sich eigentlich immer frei bewegen können müsste bei ständiger Möglichkeit der Nahrungsaufnahme, in der Boxenhaltung mit Blick gegen Wände und Gitter dazu meistens sehr einseitiger und streng rationierter Mahlzeiten, Krankheiten entwickelt, ist eigentlich für jedes Schulkind sehr leicht nachvollziehbar.

Paschel: Man könnte den Test ja mal machen. (lacht)

Limmer: In den Leitlinien für Pferdehaltung wird sehr verständlich erläutert, wie hier Abhilfe zu schaffen ist. Wenn die Tierärzte selbst diese Leitlinien allerdings nicht lesen, wie mir ein bekannter Rennbahntierarzt gegenüber mutmaßte und des weiteren das Fachpersonal eines Landgestütes ebenfalls nicht, dann gibt es meines Erachtens leider gar keinen Grund mehr, diese unzeitgemäße, steuergelderverzehrende Institution aus grauer Vorzeit noch länger zu erhalten.

Unartgerechte und damit grausame Pferdehaltung ist kein Kulturgut der Pferdeliebhaber, sondern eine Kulturschande der Pferdeschinder.

Die berechtigten Bedenken der Ministerin Hinz sollten den Landgestüten ein letzter Weckruf sein, jetzt endlich an die Pferde zu denken und nicht nur an sich selbst und die Behandlung der in ihrer Obhut stehenden Pferde umgehend den geltenden Gesetzen -auch den moralischen- und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen.

Kurz gesagt zu Ihrer Frage. Dafür alleine sollte man Petitionen verfassen: Für die Pferde selbst, zur Abwechslung.

Paschel: Vielen Dank, Frau Limmer, für Ihre klaren Worte zum Thema Landgestüt Dillenburg im Besonderen und für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Pferden in Landgestüten im Allgemeinen.

Limmer: Ich danke Ihnen auch und freue mich, wenn ich hiermit dazu beitragen könnte, dass das Bewusstsein verstärkt wird, dass Pferde Lebewesen sind mit dem Bedürfnis nach artgerechten Lebensbedingungen, auf die sie ein Anrecht haben aus gesundheitlichen, gesetzlichen sowie ethisch-moralischen Gründen.

Vielen Dank, dass meine diesbezüglichen Ansichten an dieser Stelle, im mehrsprachigen Nachrichten- und Infoportal WELTEXPRESS veröffentlicht werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch ergänzend anfügen, dass ich es grundsätzlich begrüßen würde, wenn die Landgestüte ihrer Aufgabe gerecht würden, gesunde und schöne Pferde zu züchten und eine vorbildliche Ausbildung anzubieten und natürlich – al oberste Priorität – eine vorbildliche Pferdehaltung.

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