Lada Granta: Robust und überraschend ansprechend

Nichtsdestotrotz: Lada steht für preiswerte und robuste Fahrzeuge mit einfacher Technik und spartanischem Komfort, die weniger als 10.000 Euro kosten: der Kleinwagen Kalina ab 7.900 Euro, der als Schrägheckler und Kombi angebotene Priora (ab 8.900 Euro; wird als Mittelklässler verkauft, ist von den Maßen aber ein Kompakter) und der Geländegänger Niva (ab 9.900 Euro). Doch in Zukunft soll sich einiges ändern.

Lada ist der Markenname von Russlands größtem Pkw-Hersteller und Marktführer Awtowas (auch Avtovaz), zu deutsch: Wolga-Automobil-Werk, mit Sitz im westrussischen Togliatti. Renault ist 2008 mit einem Anteil von 25 Prozent eingestiegen, weitere Großaktionäre sind eine vor allem in der Rüstungsproduktion aktive Staatsholding und ein Bankhaus. Nun plant Renault-Nissan bis 2014 die Mehrheit an Awtowas zu übernehmen und der rumänischen Konzerntochter Dacia einen zweiten osteuropäischen Autohersteller im unteren Preissegment zur Seite zu stellen. Das Werk in Togliatti, dessen Jahresproduktion auf 800.000 Fahrzeuge ausgelegt ist, lässt sich von der Größe her in etwa mit VWs Stammwerk in Wolfsburg vergleichen. Bis 2020 sollen in Togliatti bis zu 1,2 Millionen Pkw von insgesamt neun Modellen der drei Marken Lada, Renault und Nissan gefertigt werden.

Nun kommt mit der Kompaktlimousine Granta die vierte Lada-Baureihe nach Deutschland. Sie ist in Russland bereits seit Dezember 2011 auf dem Markt und verkaufte sich dort im laufenden Jahr über 25.000 Mal. „Das preisgünstige Auto ist im Zuge der Zusammenarbeit mit der Renault-Nissan-Allianz in Gang gebracht worden“, erläutert Lada. Die 4,26 lange Stufenhecklimousine basiert auf dem Kleinwagen Kalina und trägt ein zwar sehr einfaches, aber recht ansehnliches Blechkleid mit runden Formen, hoher Gürtellinie, schmalem Kühlergrill und schnörkellosem Heck. Das unverkrampfte, einfache Design paßt zu dem Viertürer mit dem riesigen Kofferraum und dem üppigen Platzangebot.

Wenn man im Lada Granta Platz nimmt, fällt einem gleich auf: Praktisch ist er und zweckmäßig, ein Alltagsauto für den einfachen Anspruch. Wer nicht auf Hightech, modernes Design oder Komfort steht und sich nicht lange an ein Cockpit gewöhnen will, das dem eines Flugzeugs kaum nachsteht und für dessen Bedienung man eine gesonderte Schulung braucht, der wird im Granta fündig – auch wenn der mit einem hierzulande wenig gefragten Stufenheck daher kommt. Der Innenraum ist übersichtlich, da wackelt oder quietscht zu unserer Überraschung nichts, einzig die Kunststoffausdünstungen fallen unangenehm auf. Die Regler und Knöpfe erinnern an den hiesigen Standard vor 20 Jahren, sind dafür einfach, selbsterklärend und so wunderbar übersichtlich. Platz für Ablagen gibt es ausreichend, sogar gut positionierte Getränkehalter finden wir und einen „mobilen“ Aschenbecher. Die Sitze erscheinen bequem, und auch hinten finden die Passagiere ausreichend Platz. Die Verarbeitung macht einen überzeugenden Eindruck – das gilt übrigens auch für die Spaltmaße, die Kanten und Türen.

Man bekommt beim Granta nicht gleich einen Herzkasper, wenn man eine Delle im Kotflügel entdeckt. In Russland kostet er unter 6.000 Euro, für den deutschen Markt wird er aufgebessert und dann voraussichtlich ab 7.000 oder 7.500 Euro kosten, wenn er gegen Ende des Jahres nach Deutschland kommt, sagte ein Lada-Ingenieur im Gespräch mit dem kraftfahrt-berichter auf der Automesse AMI.

Das große Plus dieses in Togliatti gefertigten Stufenhecklers ist sein üppiges Raumangebot. Unter der großen Heckklappe befindet sich ein mit Filz ausgeschlagener 480 Liter großer Kofferraum, unter der Abdeckung befindet sich ein richtiges Reserverad. Die Rücksitzlehnen sind geteilt, lassen sich umlegen und sorgen damit für noch mehr Stauraum. 475 Kilogramm dürfen zugeladen werden, die Anhängelast beträgt gebremst 900 Kilo.

Den Granta wird es in zwei Ausführungen geben: „Norm“ und „Luxus“. Angetrieben wird die Norm-Version von einem neuen 1,6-Liter-Vierzylinder-Benzinmotor mit 87 PS/50 kW, die Luxus-Version verfügt über ein 98 PS/72 kW starkes Aggregat, beide mit manuellem Fünfganggetriebe. Nach Angaben von Lada absolviert der Granta den Sprint von 0 bis 100 km/h in 11,8 bzw. 11,6 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 167 bzw. 175 km/h. Eine Umweltfreundin ist die Russen-Limousine nicht. Ihr Normverbrauch liegt bei 7,4 und 7,1 Liter Super pro 100 Kilometer und 175 und 168 g/km CO2 – das ist definitiv zuviel. Entsprechend liegt der Granta in der vorletzten Effizienzklasse F – das ist nicht das, was hiesige Autokäufer erwarten.

Gegenüber dem Kalina wurden beim Granta Vorder- und Hinterachsaufhängung, Lenkung und Karosseriesteifigkeit verbessert. Lada verspricht auch, dass „die europäischen Normen in Bezug auf passive Sicherheit“ erfüllt werden.

Die Serienausstattung ist gemäß dem Preis bescheiden. Doch gehören ABS mit Antriebsschlupfregelung, Frontairbags, die Kindersitzbefestigung Isofix und belüftete Bremsscheiben, umklappbarer Rücksitz, Zentralverriegelung, höhenverstellbares Lenkrad, elektrische Lenkhilfe, Bordcomputer und elektrisches Kofferraumschloß zur Serienausstattung – immerhin. Die Luxus-Ausführung bietet zudem unter anderem Fensterheber vorn und hinten, wärmedämmende Scheiben und ein extra Brillenfach. Allerdings vermissen wir ESP. Ein für hiesige Ansprüche wahrlich bescheidener Luxus. Und wie es mit der passiven Sicherheit des Granta wirklich bestellt ist, werden Crashtests zeigen müssen.

Dennoch: Die Landwirtin, die vom Feld oder vom Stall aus die Kinder kutschieren oder Besorgungen mit dem Auto machen möchte, der Städter, der beim Autokauf auf Status und den aktuellen Stand von Technik und Komfort pfeift, oder wer für ein neues Auto nicht mehr als 8.000 Euro ausgeben kann oder will, alle die sollten sich den Lada Granta zumindest mal anschauen. Denn wer einen Ackergaul braucht, sucht kein Rennpferd.

kb

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