Kurz vor dem Startschuß: Hundert Neue – Matthias Wissmanns letzte Worte vor der Eröffnung der 63. Internationalen Automobilmesse (IAA) auf dem Frankfurter Messegelände vom 17. bis 27. September 2009

Impression von der IAA 2009 in Frankfurt am Main

Das ist kein Spiel mit Zahlen, sondern zeigt auf, worum es letzten Endes bei der Frage nach dem Erfolg geht, daß nämlich noch immer im Blick die nackten Zahlen stehen, wie früher, wo es darum ging: weiter, höher und auf jeden Fall mehr. Eigentlich ist gerade Matthias Wissmann einer, der immer wieder betont, daß die nackten Zahlen in der gegenwärtigen Situation nicht allein das Wesentliche seien. Gesellschaftliche Alternativen sind zum Beispiel die andauernden Beschäftigungsverhältnisse in der Automobilbranche – Hersteller und Zulieferer – , bei denen seit dem Dezember 2008 bis zum Juni 2009 nur 20 000 Arbeitsplätze verloren gingen und von 741 000 auf 721 000 zurückgingen. Das war erkauft durch freiwillige Kurzarbeit der Beschäftigten auf nunmehr 24 Monate, Verzicht auf Lohnerhöhungen und andere soziale Einbußen. Diesen „vergleichsweise milder Rückgang“ sieht Wissmann auch deshalb so positiv, weil die Automobilindustrie aus einer früheren Krise gelernt habe, wo Stammarbeiter weithin entlassen wurden und dann bei neuer Konjunktur keine Facharbeiter zur Verfügung standen. Diese Haltung haben auch die Zulieferer durchgehalten, die infolge der Finanzkrise Einbußen von 30 bis 40 Prozent einstecken mußten und dennoch nicht breit entlassen hätten.

Der VDA findet außerdem bemerkenswert, daß auch die Zulieferindustrie auf der IAA 87 Weltpremieren vorstellt, davon 53 von deutschen Zulieferunternehmen, womit deren Innovationskraft bewiesen sei. Auch die allgemeinen Messedaten entwickeln sich seit der letzten Pressekonferenz vom 2. September äußerst positiv. Seit damals haben sich 4 Prozent mehr Aussteller auf nunmehr 781 Stände angemeldet, die aus 30 Ländern kommen. Auch die Ausstellungsfläche ist seit dem Frühsommer um 12 Prozent auf 190 000 Quadratmeter gestiegen. Die Nachfrage, wer der Großen dem VDA auf der IAA nun fehle, antwortete der Präsident nach der überraschenden Anmeldung von Chevrolet, die abgesagt hatten: „Aus unserer Sicht ist rundgerechnet alles Wichtige da.“ Maßstab für seine Publikumserwartung sei nicht die letzte sensationelle IAA von 2007 mit über 900 000 Besuchern, sondern eine Messe in Zeiten der Krise, wo rund 700 000 ein Erfolg darstellen, seine Schätzung geht bis 750 000 Gäste, wobei für ihn erst nach einer Woche Messe die Zahlen greifbarer werden.

Eine der Nachfragen galt der Rettung von Opel durch Herauslösen aus der Muttergesellschaft und der Einschätzung, was das so kurz vor der IAA bedeute. Präsident Wissmann zeigte sich zufrieden, daß die bisherige Ungewißheit die IAA nicht belaste, zudem nun der Blick frei gemacht habe auf die technische Entwicklung von Opel, die Leuchttürme der Innovation darstellten. Insgesamt aber wolle er sich zurückhalten, weil es nicht seine Aufgabe sei, die Lösung von Oper zu kommentieren, wie er dies auch bei anderen Herstellern nicht tue. Auf weitere Nachfragen fügte er zu den Befürchtungen, daß der deutsche Staatskredit nun eventuell nach Rußland fließe, hinzu: „Nichts wird so heiß gegessen, wie zuerst angekündigt.“

Ein Schwerpunkt der Pressekonferenz kam dem Begriff der Nachhaltigkeit zu und den Auswirkungen, die diese ernsthafte Bemühung der Automobilindustrie schon zeige, indem sie Blüten treibe: „Es ist diese Messe, auf der die Besucher erstmals eine Studie des 1-Liter-Autos sehen können, dessen Zielrichtung der Volumenmarkt ist. Und wenn hier auf der IAA zum ersten Mal ein Modell der Oberklasse gezeigt wird, das einen Verbrauch von 3 Litern haben wird, dann ist das ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltiger Mobilität – ohne Verzicht auf Sicherheit, Komfort oder Leistung.“, schwärmte Wissmann und konkretisierte: „Nachhaltigkeit ist oberstes Thema.“ Klar definierte er auf die Frage nach dem Luxusauto als potentieller Antwort auf die Krise, daß Autofahren und Autos Spaß machen sollen, daß man sich die Freude an der Schönheit und technischen Entwicklung von Automobilen nicht nehmen lassen solle, daß aber unter dem Stichwort Nachhaltigkeit es eben die Kunst der Autobauer sei, auch in der obersten Kategorie die Effizienz zu verbessern: weniger Spritverbrauch, weniger Emissionen. „Luxus und Nachhaltigkeit sind keine Alternativen.“

Er widersprach vehement einer geäußerten Ansicht, daß auf der kommenden IAA nur Autos von übermorgen gezeigt würden. Realistisch sei, daß diese IAA die Autos von heute und morgen zeigten. Die IAA sei eingebettet in eine allgemeine Weltwirtschaftsituation, wo die außerdeutschen und außereuropäischen Märkte ausschlaggebend für den Aufschwung der deutschen Automobilindustrie seien, denn – und das äußerte Wissmann gleich dreimal – von vier in Deutschland produzierten Autos gehen drei in den Export. Dabei stellen den wichtigsten Markt, ja die Schlüsselfunktion die USA dar, wo aus früheren 16./17. Millionen verkauften Fahrzeuge in der Krise noch rund 10,5 Millionen übrig blieben, es nun aber wieder aufwärts gehe. Die Entwicklung ist weltweit sehr unterschiedlich. Der brasilianische Markt beispielsweise boome. Wissmann empfahl allen seinen eigenen Blick: nicht übertrieben optimistisch, aber auch nicht ständig diese Herbeirufung der Apokalypse.

www.iaa.de

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