In der Bundesregierung erinnern sich offensichtlich nur wenige an Grundmaximen der Außen- und Friedenspolitik Gorbatschows. Zum ’neuen Denken` gehörte, militär- und außenpolitische Entscheidungen jeweils auch mit den Augen des anderen zu betrachten. Die Verflechtung der Ukraine mit der NATO und der EU, der NATO-Einfluss in Georgien und Moldawien, die Stationierung von NATO-Einheiten in den baltischen Ländern, das NATO-Raketenabwehrsystem in Polen – all das kann in Moskau nur als feindseliger Akt gesehen werden. Russische Reaktionen liegen auf der Hand. Soll sich keiner im Westen beschweren, wenn die politischen Verhältnisse in Europa und damit auch in Deutschland russischerseits als vergiftet betrachtet werden.
In allen NATO-Ländern soll weiter aufgerüstet werden. Auch beim Geldausgeben für die Rüstung geht Deutschland mit großen Schritten voran.
Eine kluge Ostpolitik sieht anders aus. Deutschland muss in der EU die Beendigung von Sanktionen gegenüber Russland beantragen und durchsetzen. Ein Einstieg in den Ausstieg aus der Sanktionspolitik ist heute möglich, wenn die Bundesregierung es ernsthaft will. Statt weiterer Aufrüstung der NATO sind effektive Abrüstungsschritte heute denkbar. Einseitige Abrüstung, zum Beispiel durch den Verzicht auf die Modernisierung der in Deutschland stationierten US-amerikanischen Atomwaffen, können die Türen für neue Abrüstungsverhandlungen öffnen. Sicherheit für Polen, Litauen, Lettland und Estland wird nicht durch die NATO garantiert, sondern kann eintreten, wenn gerade diese Staaten sich als Brücke zu Russland verstehen.