Ahmed Said ist guter Dinge – die Sonne scheint bei angenehmen Temperaturen um die 25 Grad, es weht lediglich eine leichte Brise und der Schiffsmotor zeigt mit sonorem Tuckern an, dass er runder kaum laufen könnte. Also nimmt sich der Maschinist eine Auszeit, schaut am Vorderdeck über die Reling gelehnt dem Treiben der Fische im klaren Wasser zu und tippt mit den Fußspitzen den Takt der arabischen und englischen Loungemusik. Hier am Golf von Aqaba ist es ruhig, die Touristen an Bord der „Aladdin“ fühlen sich wohl und genießen den kleinen Törn entlang der Küste mit Blick auf die Berge des Jordangrabens auf der einen und der israelischen Stadt Eilat auf der anderen Seite. Im leichten Fahrtwind schweifen Ahmeds Gedanken in die Ferne. Von seinem kleinen, aber sicheren Einkommen konnte er etwas Geld auf die Seite legen und die Zukunftsaussichten stehen nicht schlecht, denn südlich der jordanischen Hafenstadt entstehen neue Hotels und kleine Villen schießen wie Pilze aus der Erde. In sechs Monaten soll auch sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen. Dann fährt er in seine ägyptische Heimat, um zu heiraten. Doch wenn er an seine Geliebte in Alexandria denkt, verrät sein Blick eine unterschwellige Unruhe. Wie mag es ihr heute bei den Wirren ergehen? Sind gar die Hochzeitspläne in Gefahr? So sehr sich Ahmed über die demokratische Entwicklung in Ägypten freut, so sehr sehnt er sich gerade jetzt nach wirtschaftlicher Sicherheit, um sein junges Glück auf den rechten Weg zu bringen. Für ihn ist die Entscheidung klar, nach der Hochzeit wieder zurück nach Jordanien zu kommen, um mit Touristen täglich zu einem der 18 Tauchreviere zu fahren, an denen sich das bunte Meeresleben rund um alte Schiffswracks erkunden lässt.
Doch auch Jordaniens Tourismuswirtschaft ist von den politischen Entwicklungen in den Nachbarländern nicht unbeeinflusst. Noch 2010 waren die Besucherzahlen aus dem Ausland um 20 Prozent auf 4,5 Millionen Gäste gestiegen. „Gegenwärtig werden bereits gebuchte Plätze zwar kaum storniert, aber die Neubuchungen laufen sehr verhalten“, lässt die Mitarbeiterin im Jordanischen Tourismusamt, Lubna Zawaideh, durchblicken. Sie führt diese Zurückhaltung auf eine undifferenzierte Information über die Lage in den einzelnen Ländern des Nahen Ostens zurück. Gerade Amerikaner, aber auch Europäer wissen aus ihrer Sicht zu wenig über die aktuelle Situation in ihrem Land. Im Unterschied zu den Nachbarländern gab es bislang in Jordanien nur kleine und nahezu durchweg friedliche Demonstrationen, die sich auf die größeren Städte beschränkten. Trozdem rät das deutsche Auswärtige Amt, „sich grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten“. Das Land befindet sich in einer ethnisch komplizierten Situation mit einer palästinensischen Bevölkerungsmehrheit von ca. 54 Prozent. Deren Majorität stammt von den etwa 800.000 Flüchtlingen ab, die infolge des Palästinakrieges und des Sechstagekrieges in das Land kamen. Dennoch gilt Jordanien als eines der politisch stabilsten Staaten in der Arabischen Liga.
Attayak Ali erinnert in seinem Outfit an den britischen Offizier Thomas Edward Lawrence – als wäre er dem Film „Lawrence of Arabia“ entsprungen, der zu großen Teilen im Wadi Rum, etwa eine Autostunde östlich von Aqaba, gedreht wurde. Attayak ist unzufrieden, die Geschäfte laufen schlecht. Kaum einer der angereisten Touristen lässt sich überzeugen, auf einem seiner Kamele Platz zu nehmen, um das 6.000 Quadratkilometer große Wadi Rum mit seinen gewaltigen Sandsteinformationen mit dem „Wüstenschiff“ zu erkunden. Die Tagesbesucher ziehen die schnelle Tour mit dem Jeep vor und so dösen seine Kamele gelangweilt in der Wüstensonne vor sich hin. Warum, so fragt sich der junge Beduine vom Stamm der Zalabia, bringen die Gäste nicht mehr Zeit mit, so wie in den vergangenen Jahren? Stress und Schnelllebigkeit haben in der Wüste keinen Platz. Man kann sie nur richtig erleben, wenn man sich die Muße nimmt, sie mit allen Sinnen zu erfassen. Auf Trekkingtouren warten wunderbare Landschaften auf ihre Erkundung, man entdeckt Wasserquellen, die das Wadi seit Jahrhunderten begehrt machen. Felskletterer treffen auf hunderte erschlossene Wege und können sich auf unzählige Erstbegehungen freuen. Und die romantische Seite der Wüste erschließt sich einem erst am Lagerfeuer oder während einer Nacht unterm Himmelszelt.
Zwei Busstunden weiter nördlich lässt Majid den Blick über das Römische Theater in Petra schweifen. Gerade konnte er eine Halskette an eine der vielen Touristinnen verkaufen, die zwischen dem Schatzhaus und den Gräbern der Königswand unterwegs sind. Er hat Glück, dass er seinen kleinen Verkaufsstand inmitten eines Touristenmagneten erster Güte aufschlagen kann. Seine Eltern vom Stamm der B ´doul lebten einst in diesem Tal. Als die jordanische Regierung sie in den Siebzigerjahren in das nahe gelegene Wadi Musa umsiedelte, erhielten sie das Versprechen, auch künftig von den jährlich etwa eine Million Touristen in Petra leben zu können. Aber auch Majid stellt Veränderungen fest. Hatten in den vergangenen Jahren hauptsächlich Amerikaner und Europäer den Weg zu seinem Stand gefunden, so befinden sich heute wesentlich mehr Japaner, Chinesen und Russen unter den Käufern. Doch die sind nicht so lauffreudig wie die Deutschen, Schweizer und Österreicher, die oftmals bis zum Gipfel des Berges Aaron wanderten und auch den Kollegen Geschäfte bescherten, die sich oberhalb des Tales niedergelassen haben. Und so erhofft auch Majid von den Europäern einen baldigen Sinneswandel zugunsten des Reiselandes Jordanien. Schließlich schrieb schon Lawrence vor etwa 100 Jahren in seinem Werk „Die sieben Säulen der Weisheit“: „Petra ist der herrlichste Ort der Welt.“