Jeff Koons ´ libidinöses Verhältnis zu den Frankfurter Museen

© WELTEXPRESS, Foto: Dr. Jürgen Pyschik

Das Ausstellungsprojekt zeigt an zwei getrennten Orten, der Kunsthalle Schirn und der Skulpturensammlung Liebieghaus Jeff Koons als Maler und Bildhauer, wobei die Aufteilung auf beide Häuser nicht einer traditionellen Zuordnung entspringt, sondern auf das spezielle Konzept der Präsentation der Skulpturen zurückzuführen ist.
Koons Bilder, überwiegend Monumentalformate von 3,x mal 4,x Metern sprengen fast die Räumlichkeiten der Schirn. Zum ersten Mal erlebt der Besucher den Ausstellungsbereich über 70 Meter hin geöffnet, der, sonst zweigeteilt, oft unterschiedliche Projekte anbietet – auch das ein visuelles Erlebnis. Die 45 Exponate reichen von „Maschinenbildern“ der frühen 80er Jahre (also nicht handgemalten Exemplaren) bis zu neuesten, (nach Vorgaben des Künstlers) gemalten Arbeiten, deren Erstellung dennoch technisch basiert ist – was für den einen oder anderen Kritiker einen Makel darstellt. Für Koons ist es Teil seines Anspruches auf Umsetzung eines Stadiums der Perfektion, von der er nicht bereit ist, abzulassen.
Der im Vergleich deutlich spannendere Teil ist die Präsentation seiner Skulpturen im Liebieghaus. Natürlich hat er schon früher Werke im historischen Ambiente gezeigt, so in Versailles. Aber hier wird etwas Neues versucht. Man sagt Koons nach, dass er nicht nur kunsthistorisch interessiert und versiert sei, sondern dass auch seine Arbeiten diese Elemente aufnehmen – sei es durch die verwendete Technik, durch die Fassung und Farbigkeit oder das Zitieren zentraler Stilelemente. Indem man diese skulpturalen Arbeiten in die entsprechende Umgebung platzierte (übrigens ohne dass es notwendig wurde, das Präsentationskonzept des Liebieghauses zu ändern oder gar etwas umräumen zu müssen) profitieren beide Teile. Bindeglied kann die Technik sein („Woman in the tub“ als farbig gefasste keramische Arbeit in Koexistenz zu den Relieffs aus der Werkstatt der della Robbia) oder das Motiv, wenn er einen Ausschnitt aus da Vinci ´s Gemälde „Anna selbdritt“ als üppigen Rokkokospiegel präsentiert.

Für eine Exponatensammlung – Skulpturen der Antike bis zum Klassizismus – der man im allgemeinen ein Stammpublikum von grauhaarigen Studienrät(inn)en oder humanismusbegeisterter Greise zurechnet, ist dies, nach der legendären Ausstellung der „bunten Götter“ die nächste Chance, vielleicht auch so Besucher anzuziehen, die zwar Koons Pudelskulptur schätzen, die aber ganz nebenbei entdecken, welche Kraft und Leidenschaft in der daneben gezeigten mittelalterlichen Schnitzwerken steckt – nicht umsonst hat Koons an traditionellen Orten wie Oberammergau arbeiten lassen, an denen sich solche Skills erhalten haben. Aber auch die traditionellen Liebhaber dieser Sammlung haben Anlass bzw. die Chance, ihre Sehgewohnheiten neu zu justieren.
Also: unbedingt hingehen!
Die Ausstellungen laufen bis zum 23. September. Ein ausführlicher Katalog mit Grundsatztexten der Kuratoren und anderer Autoren (zweibändig) ist für knapp 50€ erhältlich.

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