Je kritischer die Konjunktur, desto mehr waschen die Deutschen sich und das Geschirr – In seiner jährlichen Wirtschaftspressekonferenz legt der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) erstaunliche Zahlen vor

Das bleibt richtig, und dennoch sind wir trotz aller Kenntnisse erneut auf diese Zahlen hereingefallen. Man muß nämlich höllisch unterscheiden zwischen den Mengenzahlen und dem Umsatz in Euro, demnach die Zahlen vom IKW vorgelegt werden. Sprich: wären diese Reinigungs- und Pflegemittel auf dem eigenen Leib, im Haushalt und in der Wäsche nur sehr viel teurer geworden und die Leute hätten deshalb etwas weniger gekauft, so wären die Zahlen trotzdem positiv, obwohl der Verbrauch zurückgegangen wäre. Wie schwierig allerdings gegenüber früher auch die Mengenberechnungen geworden sind, die natürlich über den Endverbrauch aussagekräftiger sind als der Preis, der bezahlt wird, das zeigen die sogenannten Konzentrate, wo mit diesen neuen effektiveren Waschmitteln oder Spülmitteln die Dosierung sehr viel niedriger ausfällt – zumindest wenn man sich an die Vorgaben hält, dazu noch mehr. Also ist auch die angegebene Menge in diesen Bereichen kein Indikator mehr für den nackten Verbrauch.

Bleibt also nur übrig, den Herstellerangaben zu Preiserhöhungen, die sehr gering ausgefallen sind, zu glauben, dann sind die Vergleichsmöglichkeiten, was den Verbrauch angeht, dann doch über den höher gestiegenen Umsatz als die vorgenommenen Preiserhöhungen evident und zeigen den Trend zu noch mehr Sauberkeit und Pflege als zuvor in bundesdeutschen Wohnstuben, Bädern, Küchen, bei Wäsche, Geschirr und Autos und den menschlichen Körpern, ihren Zähnen und Haaren auf. Drei Bereich muß man für die folgenden Zahlen dabei unterscheiden, wie Rüdiger Mittendorf, Vorsitzender des IKW vortrug: „Unsere Produkte sorgen für Wohlbefinden, Gesundheit und Werterhalt in drei Ebenen des täglichen Lebens – sie sind erstens dazu da, die Menschen selbst zu reinigen und zu pflegen – zweitens ihre Kleidung und Schuhe und nicht zuletzt – drittens ihr Zuhauses und ihre Umfeld.“

Rüdiger Mittendorf, der im übrigen in den Anreden die weibliche Form perfekt beherrschte, was uns immer praktisch so schwer fällt, obwohl wir es theoretisch für richtig halten, legte dann die Zahlen für die Körperpflegemittel vor, die um 1,7 Prozent auf 12, 83 Milliarden Euro gestiegen sind. Das ist erstaunlich, weil der Verband noch im Vorjahr propädeutisch sich und die Branche auf Umsatzrückgänge vorbereitete hatte. Stattdessen haben sich die Pro- Kopf-Ausgaben von 153,77 Euro auf 156,67 Euro erhöht. Mit diesen Zahlen bewegt sich Deutschland innerhalb Westeuropas im Mittelfeld. Aber Vorsicht! Da es um Geld geht, muß man hier dazusagen, daß durch die in Europa höchste Bevölkerungspopulation die Preise für Körperpflegemittel bei uns niedriger sind als in den anderen Ländern, wo zudem höhere Preis dann auch noch eher bezahlt werden, während die Preisgestaltung in der BRD ein wesentliches Kaufmoment bleibt. Im Allgemeinen.

Spannend wird dann, wie sich die Steigerung innerhalb der Segmente auswirkt. Der größte Einzelmarkt sind die Haarpflegemittel mit 3,05 Milliarden Euro. Aber nicht alles wächst, sondern nur die Shampoos sowie Spülungen und Schaumbalsam, Während es Rückgänge gibt bei Schäumen, Haargelen, Festigern/Fönlotions sowie Heimdauerwellen. In diesem Bereich muß man auch von Moden, d.h. geänderten Pflegegewohnheiten ausgehen. Dagegen nimmt der zweitgrößte Teilmarkt, die Hautpflegemittel, um 1,6 Prozent auf 2,97 Milliarden Euro zu. Aber auch hier gibt es interne Verschiebungen – und das wären dann soziologische Fragen nach dem Warum und Weshalb, die man hier nur stellen, aber nicht beantworten kann – , wenn beispielsweise die Produkte für Gesichtspflege zulegen, aber die Haut- und Handcremes leicht rückläufig sind. Das Herausstellen der Gesichtspflege korrespondiert allerdings perfekt mit dem Wachsen der dekorativen Kosmetik, dem dritten Segment, das um 7,8 Prozent auf 1, 44 Milliarden Euro gewachsen ist.

Der seit den 30er Jahren als Lippenstiftindikator bekannte Effekt, daß in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Lippen noch röter, häufiger und mehr geschminkt werden, hat eine Sondervariante erfahren, die nun als Mascaraindikator benennbare Augenschminke, die im zweistelligen Bereich gewachsen ist! Da wäre nun – wiederum eine interessante soziologische Fragestellung – nachzufragen, ob sich das nur auf Deutschland bezieht oder weltweit zu konstatieren ist, was wir annehmen – , dies aber eben auch zurückzuführen auf neue Schönheitsmodelle, wo die stark geschminkten Augen im Vordergrund stehen und sehr oft auf den Lippenstift ganz verzichtet wird. Das kann man an den den Unis zuströmenden Studentinnen jeden Tag sehen und auch im Schülerinnenbereich. Es wird allerdings noch diffiziler, denn der Lippenstiftverbrauch ist ja nicht zurückgegangen, wenn man sich die Lippen dann genauer anschaut. Viele sind nämlich geschminkt, allerdings in einem Naturton, der die Lippen so aussehen lassen soll, als ob sie nicht geschminkt seien. Na, ist das komplex?

Andreas Lange, Vorstandsmitglied des IKW, stellte dann äußerst pfiffig die Zahlen zum Bereich der Kleidung und Wäsche dar. Dieser Gesamtmarkt der WPR – Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittel- liegt bei 4, 03 Milliarden Euro, was etwa einem Drittel der Ausgaben für den Menschen selbst entspricht und pro Kopf gut 49 Euro ausmacht. Damit liegen diese Ausgaben deutlich höher als in den Vorjahren. Dieses gute Ergebnis hat allerdings eine hauptsächliche Ursache: das fünfprozentige Wachstum des größten Teilmarktes, der Universalwaschmittel auf nunmehr 1, 04 Milliarden Euro. Dieses Wachstum kommt nur zustande durch ein zweistelliges Wachstum bei den Flüssigwaschmitteln und einem leichten Rückgang bei den Pulver-Normalprodukten und den Konzentraten. Die flüssigen Produkte schienen auch die Ursache für den gefestigten Markt der Spezial-Waschmittel für Feines, Wolle und Gardinen, der bei 190 Millionen Euro liegt.

Wenn der Pro-Kopf-Verbrauch an Waschmitteln für 2009 auf 7,15 Kilogramm gefallen ist. gegenüber 7,4 im Vorjahr, ist das, wie oben ausgeführt, nicht adäquat aussagekräftig. „Dieser Wert spiegelt jedoch nicht die tatsächliche Waschleistung der Haushalte wieder, da es durch Kompaktierung und neue Formulierungen gelungen ist, mit der gleichen Kilogramm-Menge wie vor zehn Jahren über zwei Drittel mehr Waschladungen zu waschen.“, so Andreas Lange, der dann auch noch „auf das richtige Dosieren“ einging. Ein Punkt, der auch in der anschließenden Diskussion eine größere Rolle spielte, da die Erfahrungen im eigenen Bekanntenkreis und an einem selber zeigen, daß Dosierungen nicht exakt den Angaben nach vorgenommen werden, sondern Erfahrungswerte oder vorhandene Meßbecher die Herstellerangaben konterkarieren. Hier ist sicherlich von Verbraucherseite ein wichtiger Lernvorgang zu leisten, was Aufgabe des bundesweiten Aktionstags „Nachhaltiges Waschen“ ist, „den das Forum Waschen unter maßgelblicher Mitarbeit des IKW gemeinsam mit den Verbraucherorganisationen“ jährlich am 10. Mai veranstaltet.

Aber auch der Markt der Waschhilfsmittel ist um 2,2 Prozent auf 607 Millionen Euro gewachsen, wozu Wäscheweichspülmittel und Pflege- und Spezialbehandlungen zählen, bei denen allerdings Wasserenthärter, Stärken, Bügelhilfen und Textil-Erfrischer nachließen. Daß auch die Geschirrspülmittel um 2,5 Prozent zulegen und das Marktvolumen jetzt 615 Millionen Euro ausmacht, ist auch auf Krisenzeiten zurückzuführen. So wie am Beginn von Wirtschaftskrisen erst noch rasch neue Küchen, Bäder und Wohnzimmermöbel erworben werden, weil man fürchtet, später kein Geld mehr zu haben, so geht in der Krise regelmäßig der Konsum zurück, was Restaurantsbesuche oder Taxisfahren angeht. Es wird also mehr zu Hause gekocht und gegessen, also auch mehr abgewaschen. Dabei nimmt die Handarbeit zu, denn die Steigerung fußt zu 0,5 Prozent auf den Maschinengeschirrspülmitteln und zu 7,1 auf den Handspülmitteln! Dagegen gehen Wohnraumpflegemittel um 6,1 Prozent auf 123 Millionen Euro zurück, wobei die Möbelpflegemittel im Plus bleiben.

Der Verband führt diese nicht nur stabilen, sondern erfreulich aufwärtszeigenden Zahlen auf die schnelle Durchschreitung des Rezessionstals zurück sowie auf den geringen Anstieg der Verbraucherpreise – 2009 sogar ein Minus von 0,3 Prozent – , wie Rüdiger Mittendorf ausführte. Dieses wirkt als Stütze der Einkommen und motiviert die Nachfrage, wovon die Körperpflege- und Waschmittelindustrie profitiert habe. Für das kommende Jahr rechnet der Verband allerdings für den WPR-Bereich nur mit einem leichten Wachstum von 0,5 bis 1,5 Prozent, setzt aber bei der dekorativen Kosmetik auf 1,5 bis 2 Prozent. Der Geschäftsführer des IKW, Bernd Stromer, stellte anschließend die Verbandsarbeit, insbesondere im europäischen Prozeß dar, was soviele interessante Details beinhaltet, daß wir mit ihm demnächst ein eigenes Interview durchführen wollen.

www.ikw.org

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