Im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum „Mythos Burg“ – Serie: „Die Burg“ als hinreißendes wie notwendiges geschichtliches und kulturgeschichtliches Thema (Teil 1/3)

Elefant mit Burg

Denn tatsächlich finden zur gleichen Zeit diese Parallelausstellungen „Mythos Burg“ in Nürnberg und „Burg und Herrschaft“ in Berlin statt, die sich der Burg widmen, dies aber aus unterschiedlicher Perspektive und mit zum Thema passenden Objekten. Es lag auf der Hand, daß das Historische Museum in Berlin den historischen Part übernimmt und einen Großteil der Ausstellung aus den eigenen Beständen bestückt. Ähnlich kann auch das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg aus seinem reichen Bestand endlich einmal Dinge zeigen, die in den Archiven schlummerten. So sind in der köstlichen Auflistung von neun ganz besonderen der insgesamt 650 Exponate, allein drei aus dem eigenen Bestand: „das kleinste“, ein Würfel aus Bein, Länge 1 Zentimeter, das „leichteste“, ein Brief der Margarete von Wolkenstein an ihren Diener von 1445, „das längste“, Rheinpanorama von 1833, 21 Meter lang, 13, 5 Zentimeter hoch.

Die „wertvollsten“ Exponat kommen aus New York: Ritteraquamanile um 1350 und aus St. Gallen: Weltchronik des Rudolf von Ems um 1300, während das „größte“ aus dem Landesmuseum Bonn kommt, der Einbaum von 4 Meter Länge aus dem 11. Jahrhundert vom „Haus Meer“, das auch das „älteste“ Exponat beisteuert: Fischgabel aus Haus Meer um 1000, während das „schwerste“ mit der Skulptur des Markgrafen von Brandenburg um 1400 aus Magdeburg kommt. Das „witzigste“ Objekt ist „Mickey Mouse als Ritter am Hofe König Arthurs“ und die „jüngsten“ Objekte sind die beiden Ritterburgen von Playmobil 2010, mit denen die Ausstellung beginnt.

Keine schlechte Idee, diese neuen Burgen, die zu den bisherigen Modellen von Playmobil hinzukommen, an den Eintritt zu stellen. Denn hier bündelt sich unser Volkswissen über Burgen als architektonische Gebilde: links die herrschaftliche Löwenburg, rechts eine Raubritterburg mitten in der Belagerung. Ja, wie heißt das noch? Ach, ja, Palisaden und der Bergfried ist auch noch bekannt, die Zugbrücke auch, und das da sind die Wohnräume, die Kemenaten, aber schon bei den Waffen verläßt uns das Wissen und bei den Bekleidungen der Burgbewohner auch. Da wäre eine Erklärung nicht schlecht oder man fragt das nächste Kind, das schlau aus seinem Kinderkatalog auch zuvor Unbekanntes jetzt weiß und weitergibt.

Ja, sie haben es gut gemacht, die Nürnberger, mit ihrer aufgelockerten Gestaltung, bei der die Farbe Rot – ein kräftiges, glutvolles – vorsticht und den immer wieder auch kleinen Gegenständen einen herrschaftlichen Rahmen gibt, völlig angemessen beim Thema „Burg“, das sich nun in acht Abteilungen vor uns ausbreitet. „Sinnbild und Symbol“ nennt sich der Beginn, der aufzeigt, worin uns „die Burg“ zum Mythos wurde, in der Gralburg, der Minneburg, der Luther’schen Gottesburg, der Höllenburg, den Zauber- und Märchenburgen und vor allem den Helden: den Rittern. Das wird an alten Gemälden, an einem Leuchter in Gestalt eines Elephanten, der eine Burg auf dem Buckel trägt, genauso gezeigt, wie an Stichen, Zeichnungen, Plakaten oder Tagebucheinträgen. Und hier hat auch die im 19. Jahrhundert neu entflammte Burgenromantik ihren Platz, mit den Neubauten von Neuschwanstein und den Restaurierungen oder völligen Umbauten, beispielsweise der Wartburg und der Nürnberger Kaiserburg , die sich durch die Ausstellungen ziehen, denn in einem anderen Teil sind neu und für das künftige Burgenmuseum auf Veste Heldberg im jeweils gleichen Maßstab gefertigt neun Modelle von Burgen zu einem damaligen, aufs Jahr datierten Bauzustand zu sehen, die klar machen: Burg, das ist alles. Das war „Haus Meer“ als Niederungsburg, also in der Ebene, von Wasser umgeben, genauso wie Karlstein bei Prag, die Kaiser Karl IV. einst für die Reichskleinodien errichtet hatte, die später in Nürnberg waren, von Hitler erneut hergeholt und nun die Hofburg in Wien nie wieder verlassen dürfen.

Fortsetzung folgt.

Ausstellung: bis 7. November 2010

Kataloge: Grundsätzlich gibt es zu den beiden Burgenausstellungen in Nürnberg und Berlin drei Bände, denn der Begleitband „Die Burg“ zu den beiden Ausstellungen „Mythos Burg“ und „Burg und Herrschaft“ , alle im Sandstein Verlag, Dresden 2010, faßt die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen, die im Vorfeld erarbeitet wurden und mitausschlaggebend dafür sind, daß die Ausstellungen mit viel Unsinn aufräumen, was sich in deutschen Köpfen durch falsche Mär über Jahrhunderte eingenistet hatte. Natürlich kann man auch die Bände in den jeweiligen Ausstellungen einzeln erwerben, aber im Dreierpack hat man etwas fürs Leben. Was den Nürnberger Katalog angeht, so zeichnet er die acht Stationen der Ausstellungen nach, was dem Lesen und Nachsinnen des Geschauten gut tut, weil man es im Katalog im selben thematischen Zusammenhang sieht wie in der Museumsschau. Die Exponate sind fast alle bebildert und haben ausführliche Texte. Die Literaturangaben stellen sicher, daß Sie die nächsten Jahre keinen Lektüremangel kennen und das alphabetische Personenregister macht möglich, daß Sie bekannte Künstler oder Personen der Geschichte sofort finden, auch ohne die acht Stationen nach ihnen durchzublättern.

Auch für Erwachsene geeignet ist der Kinderkatalog „Die Burgenratten sind los“ zu „Mythos Burg“, hrsg. von G. Ulrich Großmann, Germanisches Nationalmuseum 2010, in dem kulturgeschichtliche Grundlagen auf kindlicher Fragestellung gelegt werden und ein Glossar endlich „die Motte“ erklärt: „Frühe Form der Burg mit einem turmförmigen Gebäude, das meist aus Holz errichtet war und auf einem künstlich errichteten Hügel stand“. Angenehm, wie stark dieser Katalog auf das Leben der Leute auf den Burgen, einschließlich ihres Speiseplans eingeht. Die „Armen Ritter“ werden als Rezept mitgeliefert, einmal auf rheinfränkisch, Original von 1445, dann die hochdeutsche Übersetzung. Witzig ist, daß sich das alte Deutsch liest, wie ein Ausländer Deutsch spricht.

Internet: www.gnm.de, www.gnm.de/mythos-burg, www.dhm.de, www.sandstein.de, www.burgenstrasse.de

Vorheriger ArtikelDie Privatmolkerei Bauer: Alles Käse oder was?
Nächster ArtikelTafeln mit König Arthus an seiner Tafelrunde in „Mythos Burg“ – Serie: „Die Burg“ als hinreißendes wie notwendiges geschichtliches und kulturgeschichtliches Thema (Teil 2/3)