Im Banne der uralten Nuraghen – Serie: Den Süden Sardiniens im Herbst erlebt (Teil 2/3)

Die einstige Kult- und Pilgerstätte "Nuraghe S. Vittoria" - noch heute ein Besuchermagnet.

Doch Cagliari selbst lassen wir heute noch links liegen. Wir wollen zunächst nach Norden in das sardische Binnenland. Denn Sardinien ist ja mehr als Meer und Strand, auch wenn die 900 Kilomter lange Küste rund um das Eiland die meisten Urlauber und Touristen anzieht.

Übrigens, mit unserer Begleiterin Marion Schmitz haben wir – die Gruppe neugieriger Journalisten und Reiseveranstalter – das große Los gezogen. Sie ist Deutsche, stammt aus dem Bergischen Land, wohnt aber schon seit vierzig Jahren auf Sardinien, wo sie mit einem Sarden verheiratet ist. Sprachlich also alles paletti. Und als Geschäftsführerin der Incoming-Agentur „Sun Events“ kennt sie die Mittelmeerinsel natürlich bestens. Unterstützt wird sie von Ing. Giorgio Valdès, Experte für sardische Geschichte, vom Tour Operator Re di Sardegna.

Nur etwa eine Viertelstunde nach Cagliari beginnt die fruchtbare Hügellandschaft des Parteolla, was man an den vielen Olivenhainen, Obstplantagen und Weinfeldern sieht. Der Ort Dolianova ist durch eine große Weinkellerei bekannt, deren Spitzenprodukte in alle Welt gehen. Die Sarden bauen ja schon seit dem 9. Jahrhundert v. u. Z. Wein an; und der Gelehrte Andrea Bacci nannte Sardinien im 16. Jahrhundert „Insel der Weine“.

Ein florierendes Anbaugebiet für Apfelsinen, Mandarinen und Zitronen ist die ein Stück weiter liegende Gemeinde Monastir. Danach wir die Landschaft immer hügeliger und geht allmählich in eine dünn besiedelte, karge Hochebene über, wo viele Schafherden weiden (auf Sardinien, das ja nur 1,6 Millionen Einwohner hat, soll es über 3 Millionen Schafe geben). Inzwischen sind wir schon auf einer Höhe von 600 Meter ü. M. Hier liegt das legendäre sardische Gebiet der Langlebigkeit. Die Orte haben so klangvolle Name wie Nurri und Orroli. In letzterem mit seinen 1 800 Bewohnern sollen 18 über hundert Jahre Alte leben. Manchmal sieht man plaudernde sehr betagte Männer auf langen Bänken in der Sonne sitzen. Das Geheimnis für eine langes Leben? „Wenig Streß, natürliche Ernähung und guter Rotwein“, so unsere Dolmetscherin Marion etwas verschmitzt.

Immer wieder überqueren wir unterwegs Bahngleise und sehen alte Bahnhöfe, manchmal sogar den hier in der Sommersaison verkehrenden „Trenino Verde“ selbst, wie der kleine grüne Zug der nostalgischen Schmalspurbahn genannt wird. Sie beginnt im 70 Kilometer nördlich von Cagliari entfernten Mandas und führt durch wildromatische Berglandschaften mit Schluchten, Tunneln und Viadukten entweder nach Sorgono oder in das Hafenstädtchen Arbatax an der sardischen Ostküste. Das Bähnle ist nicht nur ein Magnet für Eisenbahnfreunde, sondern auf Sardinien eine touristische Attraktion schlechthin.

Unweit von Orroli sind wir endlich an einer wichtigen historischen Sehenswürdigkeit angelangt: der Nuraghenkomplex „Arrubiu“.

Während der Bronzezeit ab dem 18. Jahrhundert v. u. Z. lebte auf Sardinien das geheimnisumwitterte Volk der Nuraghen. Charakteristisch für diese frühe Kultur waren steinerne Festungen und Türme, Nuraghen genannt. Von ehemals rund 7000 dieser Bauten auf Sardinien exisitieren heute noch 3000 als Relikte. Eine der größten Anlagen mit 3000 Quadratmetern ist die relativ gut erhaltende Nuraghe Arrubiu bei Orroli. Im Zentrum dieser wehrhaften Siedlung sind noch der einst 35 bis 40 Meter hohe massive Hauptturm und weitere sich darum gruppierende Gebäude und Mauern sowie ein Brunnen zu erkennen. Das Verblüffende: Bei all diese Bauten wurde eine Unmenge schwerer Granitquader haltbar ohne Mörtel an- und übereinander gefügt – eine nach wie vor geheimnisvolle Baukunst. Wie überhaupt vieles an der Nuraghen-Kultur noch immer rätselhaft ist.

Das zeigt sich auch beim späteren Besuch des weitläufgen Nuraghenkomplexes „Santa Vittoria“ bei Serri. Er wurde um 1 600 v. Chr. als Kultstätte für die Heilige Vittoria errichtet, wobei hier der Heilige Brunnen als Mittelpunkt des Wasserkultes eine besondere Rolle spielte. Daneben sind eine kleine Kapelle, Teile eines Tempels mit Opferaltar und die Grundrisse des Nuraghen-Dorfes, das eine Art Pilgerstätte mit Festplatz sowie Wohn- und Versorgungsbauten war, noch einigermaßen erhalten. Im übrigen können auf einer „Route der Nuraghen“ weitere dieser uralten Siedlungen besichtigt werden, so auch die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende, am besten erhaltene Nuraghe „su Nuraxi“ bei Barumini.

Selbstverständlich findet man auch im Hochland der Provinz Cagliari eine Reihe guter, empfehlenswerter Hotels und Gaststätten. In Orroli z. B. machen wir Mittagspause im ehemaligen Herrenhaus „Omu Axiu“, wo es außer dem rustikalen Restaurant (Spezialität: handgemachte Gnocchi mit Safran und Schafskäse) auch ein originelles Museum mit alter Landtechnik und Zeugnissen früherer Wohnkultur gibt. Zudem kann hier auch gediegen übernachtet werden. Inhaber Agostino Vargiu und seine Frau bürgen für persönliche Wohlfühlatmosphäre.

Ebenfalls ein angenehmer Familienbetrieb ist das in 800 Meter Höhe liegende 3-Sterne-Berghotel „Janas Village“ beim Dorf Sadali am Rande der felsigen Hochebene Barbagia Seúlo. Es ist eine recht moderne Anlage – flach um einen Innenhof gebaut –, die besonders Wanderer und Mountainbiker anlockt. Ganz in der Nähe befindet sich ein geschützter Naturpark mit Felsrevieren, Wasserfällen und Tropfsteinhöhlen. Auch das Dorf Sadali selbst mit der schönen Pfarrkirche „San Valentine“ aus dem 14. Jahrhundert lohnt einen Rundgang.

Hungrig vom Wandern oder Radeln, bieten dann am Abend Küche und Keller von „Janas Village“ landestypische Köstlichkeiten, zu denen für mich überraschenderweise neben dem erwarteten Hammelfleisch auch gegrilltes Spanferkel (Porcheddu) gehört. Freunde des Rebensaftes können dazu z. B. Cannonau, den kräftigen Rotwein, oder den süffigen Weißwein Vernaccia bekommen. Beliebt auch das sardische Bier Ichnusa. Und zur besseren Verdauung eines solch zünftigen Abendessens wird gerne „Mirto“ bestellt – ein roter Likör, gewonnen aus dem Myrtenstrauch, der ja überall auf Sardinien wächst.

Infos:

Sun Events S.r.l., I-09023 Monastir (CA), Via Veneto, 16; Tel. 0039 070 9177683; Fax 0039 070 9168009; Email: sunevents@tiscali.it; www.sunevents.it

Re di Sardegna S.r.l., I-09126 Cagliari, Via Malpighi, 4; Tel. 0039 070 3000-62; Fax 0039 070 3481473; Email: info@redisardegna.com; www.redisardegna.com

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