Wenn er mit „Ein starker Auftritt“ beginnt, meint er damit Kaiser Wilhelm II., der nebst Gemahlin Auguste Victoria am 19. Mai 1909 die Frankfurter Festhalle betrat und dem mit voller Begeisterung die Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ entgegenschwoll. Etwas peinlich, wenn man an das geschichtlich angekratzte Bild dieses Kaisers denkt, vor allem aber uns peinlich, die wir immer den größten Wert auf die Bezeichnung Frankfurts als „freie deutsche Reichsstadt“ legen, was ja aussagt, daß sie nur unmittelbar dem Kaiser untertan, aber nicht in das damalige deutsche Reich eingezwängt war und auch immer behaupten, daß die kurzzeitige Einverleibung ins Preußische hier niemand gewollt habe.
„Mit dem anschließenden ’Begrüßungs-Konzert’ wurde vor rund 11 000 Zuschauern der 3. Wettstreit Deutscher Männergesangsvereine eröffnet und die neu erbaute Festhalle ihrer Bestimmung übergeben.“, so Bauer. Der Architekt des Gebäudes allerdings, der diese Multifunktionshalle nach längeren Ausschreibungen bauen durfte, war froh, daß die Akustik der mehr als 111 Meter langen, 67 Meter breiten und mit 39 Metern sehr hohen Halle rüberkam, denn die zurückgeworfenen Schallwellen hatte er durch Stoffbespannungen eingedämmt und den Nachhall reduzieren können. Aber sowieso goutierten die Menschen mehr die Optik, denn ein zeitgenössischer Journalist lobte: „Es gibt, das kann ruhig gesagt werden, keinen Bau in der ganzen Welt, der bei solchen Riesenmaßen so festlich, so leicht und freundlich wirkt“, wie Bauer zufrieden vortrug und die vielen vielen Frankfurter Hörer, die gekommen waren, genüßlich aufnahmen.
Warum der Bau einer solchen Halle inhaltlich und ökonomisch für die Stadt Frankfurt wichtig war, ergibt sich aus den Massenveranstaltungen, die um die damalige Jahrhundertwende in Mode kamen. Das ging es um Gewerbeausstellungen, nationale Feste, um Schützen-, Sänger- und Turnerfeste, für die sowohl eine Bühne wie auch ein großer Publikumsraum zur Verfügung stehen mußte, wollte man solche Veranstaltungen nach Frankfurt holen. Das war der Stadt rund 40 000 Reichsmark allein für den Architektenwettbewerb wert, eine gewaltige Summe, und eigentlich war neben der Halle auch an ein Konzerthaus und eines für Kunstausstellungen gedacht.
Das Besondere am Entwurf des Friedrich von Thiersch, der sich im Wettbewerb auf Dauer durchsetzte, war, daß die Eisenkonstruktionen, die das Dach, ja das gesamte Gebäude hielten, nicht versteckt wurden, sondern dem Raum gerade seinen spezifischen Charakter gaben, der uns auch heute bei Industriebauten dieser Zeit begeistert. Warum die Zuhörer so gespannt weit über eine Stunde zuhörten, lag auch den Details, die Thomas Bauer aus den damaligen Stadtverordnetenversammlungen sowie sonstigen Frankfurter Histörchen berichten konnte –alle sorgfältig recherchiert. Die Stadt zog sich zurück und übergab das Projekt zusammen mit drei der vier Millionen, auf den man den Bau veranschlagte, der Ausstellungs- und Festhallengesellschaft. Das übrige Geld wurde als Anleihe finanziert, denn man versprach sich viel von dem Neubau.
„Für Oberbürgermeister Adickes war es ein Leichtes, unter den circa 550 in Frankfurt lebenden Millionären 16 Gesellschafter zu finden. Unter den Anteilseignern befanden sich mit den Bankiers Maximilian Benedikt von Goldschmidt-Rothschild und Albert von Metzler, den Chemiefabrikanten Leo Gans und Arthur Weinberg oder dem Metallindustriellen Wilhelm Merton die Spitzen des Frankfurter Bürgertums.“, so Thomas Bauer. Um deren jüdischen Anteil hat sich die Stadt dann selber gebracht, indem sie dem Naziterror nichts entgegensetzte und die jüdischen Mitbürger ihren Weg in die Konzentrationslager oder das Exil gehen ließen. Die Bauarbeiten selbst gelten bis heute als Errungenschaft. Architekt Thiersch selbst feiert die Eisenkonstruktion für die Festhalle als Beweis dafür, „daß unsere deutsche Ingenieursbaukunst auf der höchsten Weltstufe der Vollendung steht.“, also starke Worte, die Thomas Bauer hier zitierte und mit einem Zeitungsbericht fortsetzte. „Ein ganzes Eisenbahnnetz durchquert den Bauplatz der Festhalle; vom Boden der Halle bis hinauf in den Kuppelring, der soeben montiert wird, wimmelt es von Menschen; ein ohrenbetäubender, sinnverwirrender Lärm herrscht in dem riesigen Raum, wenn die Maschinen in Tätigkeit sind, wenn genietet, geschmiedet und das Eisenwerk eingerüstet wird.“
Heute, wo gerade in Frankfurt die Hochhäuser zum Alltag gehören und der einst höchste Turm Europas bald von anderen Riesen überholt wurde, braucht man wirklich einen Historiker, der einem mit Belegen deutlich macht, welches einschneidendes Erlebnis der Bau der Festhalle für die Menschen der damaligen Zeit war, denn noch nie war ein Raum von fast 6 000 Quadratmetern umbaut worden, weshalb es ein Zitat der Frankfurter Zeitung ist, die feststellte, daß die Ausstellungs- und Festhalle „wie eine Verkörperung des Sieges der Idee über die Materie“ anmute. Dazu der Vortragende: „Um den Besuchern ein spektakuläres Raumerlebnis zu vermitteln, nutzte Thiersch die Stahlkonstruktion zur künstlichern Ausgestaltung des Innenraums. Im elliptischen Mittelteil steigen zwanzig radial angeordnete Bogenbinder von den Betonfundamenten zum Druckring im Hallenfirst empor. Am vertikalen Ast der Eisenträger sind die beiden Galerien befestigt. Die untere Galerie besteht aus Stahlbeton und ruht zum Halleninneren hin auf Stützpfeilern. Der zweite Rang ragt fast sechs Meter frei aus und ist über Stahlkonsolen an den Bindern verankert. In ihrer Formgebung vom Jugendstil beeinflußt, unterstreichen die beiden Galerien die weiche Linienführung des Raumes.“
Längst gilt der Bau unter Architekturexperten als ein Eckpfeiler ihrer Geschichte und daß sogar der heutige Frankfurter Flughafen damit zu tun hat, waren alles Neuigkeiten aus der alten Zeit. Zwischen dem 10.Juli und dem 17. Oktober lockte nämlich die „Internationale Luftschiffahrtsausstellung“ rund eineinhalb Millionen Besucher auf das Festhallengelände – das sind mehr als die rund eine Million, die jeden zweiten September zur IAA kommen, die immerhin auch zehn Tage dauert. Aus aller Welt kamen die, die an der zukunftsorientierten Technologie interessiert waren und die praktische Beispiele wie Ballonaufstiege oder die Landung des Grafen Zeppelin mit seinem Luftschiff Z II. Aus dem damaligen Luftverkehrszentrum hat sich folgerichtig dann der Frankfurter Flughafen entwickelt. Fortsetzung folgt.
INFO
Der Vortrag des Historikers Thomas Bauer ist Teil einer fünfteiligen Vortragsreihe Frankfurter Gespräche „Geschichte und Architektur“, die die Hessische Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt veranstaltet.
Am 16.6. folgen von Romana Schneider „Das Verwaltungsgebäude der IG Farben von Hans Poelzig“, im Bau selber, der heute die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität beherbergt.
Am 7.7. spricht Architekt Jochem Jourdan im Messeturm über „Hochhäuser in Frankfurt“, im August/September wird Günter Mick, ehemaliger Redaktionschef der FAZ im Hessischen Rundfunk zu „Frankfurt – die heimliche Hauptstadt“ sprechen.
Im Juni erscheint das Buch „100 Jahre unter einer Kuppel. Die Geschichte der Frankfurter Festhalle“ von der Messe Frankfurt und am 28. Juni 2009 wird „Tag der offenen Tür“ sein.