Wenn die Festhalle erzählen könnte … – Serie: Vortrag von Thomas Bauer zur „Geschichte der Festhalle Frankfurt 1909-2009 (Teil 2/2)

Die staatliche Funktion setzte sich ab November 1918 fort. Nun wurde die im wahrsten Worte Mehrzweckhalle Aufnahmestation für die heimkehrenden geschlagenen Soldaten. Und schnell wurde auch die Kaisertreppe in der Festhalle obsolet. Den Kaiser gab’s nicht mehr. Deutschland versuchte sich als Republik. Und das inmitten von Wirtschaftschaos. Da spielte die günstige geographische Lage eine positive Rolle und Frankfurt wurde „Straßenkreuz Europas“ und setzte erfolgreich auf den Zweig „Messe“. Nach der erfolgreichen Ersten internationalen Einfuhrmesse am 1.10 1919 wurden nach und nach Anbauten und Ausbauten am Messegelände vorgenommen. Und dann kamen Baudirektor Martin Elsässer u.a. und bauten die im Stil des Historismus erbaute Festhalle um und machten sie mit einer Fassade im Stil der neuen Sachlichkeit und vielen guten Ideen zu einem Schmuckstück des Neuen Frankfurt“. Das ist sie bis heute. Und die Ausstellungs- und Messegesellschaft ist längst ausgeweitet zu einem Bündnis mit Stadt und Land.

Dazwischen lagen allerdings böse Jahre. Die Nazis nutzten die repräsentative Halle für ihre Propaganda und während der sogenannten Reichskristallnacht, in der Synagogen niedergebrannt und jüdische Geschäfte und Wohnungen verwüstet und geplündert wurden, wurden mehr als 3 000 von der Gestapo verhaftete Juden „im Verlauf des Pogroms in die Festhalle verschleppt und von dort in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau deportiert“, so Bauer. Wie sehr die Nationalsozialsten auf Krieg setzten, sieht man auch daran, daß schon am 3. Juni 1939 die Reichsstelle für Getreide 1 200 Tonnen Roggen in der Festhalle lagerte. Der Krieg kam, die Messen wurden abgesagt und die Festhalle zur Kleiderkammer für Heeresbekleidung und gebrauchte und ausgebesserte Uniformen.

Dann brannte die Festhalle am 18. Dezember 1940 mitsamt dem Heeresgut ab, wohl als Folge des lässig ausgeübten Rauchverbots. Dann fielen auch noch Bomben auf die Festhalle, denn die Amerikaner hatten sie nicht geschont, anders als beim IG Farbenhaus, das schon vor ihrem Kriegseintritt als zukünftiges Hauptquartier der Amerikaner feststand und also unzerbombt in einer Stadt blieb, deren Innenstadt zu über 90 Prozent im Krieg zerstört wurde. Aber die Fläche des Messegeländes besetze die US-Armee dann schon. Am 3. Oktober 1948 wurde vom legendären Oberbürgermeister Kolb die erste ’Friedensmesse’ eröffnet. Seit dieser Zeit ist Frankfurt zur erfolgreichsten deutschen Messe geworden.

Sogar so erfolgreich, daß sie heute mehr Umsatz macht, als alle anderen deutschen Messen zusammen. Das aber war die Folge der deutschen Teilung, die alte Messestadt Leipzig hatte für den Westen keine Funktion mehr. Dazu führte Thomas Bauer aus: „Frankfurt am mein, Hannover und Köln führten Anfang der Fünfziger Jahre einen regelrechten ’Messekrieg’ um das Erbe Leipzigs.“ Es wurde gebaut und gebaut, auch in Frankfurt, aber nicht nur einfach Hallen hingesetzt, sondern ein sinnvolles Messekonzept entwickelt, dem man auch heute, wenn man beispielsweise das Durcheinander von Berlin kennt, bescheinigen kann, daß dies zu einer funktional hervorragenden Messelokalität geführt hat, die noch dazu stadtnah mit den Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen ist. Dies allerdings sind unsere Ausführungen, die wir dem Vortragenden Thomas Bauer nicht in den Mund legen wollen. Aber beim Hören kommen einem Zuhörenden eben auch immer die eigenen Überlegungen oder Kenntnisse in den Sinn.

An der Erfolgsgeschichte der Messe Frankfurt haben auch die IAAs ihren Anteil. „Während für die Internationale Frankfurter Frühjahrsmesse 1950 rund 320 000 Eintrittskarten verkauft worden waren, registrierte die Internationale Automoblausstellung 1951“, nach Bauer „ sage und schreibe 570 000 Besucher.“ Die Festhalle wurde dann für Unterhaltungssendungen genutzt, und nach und nach sprach sich der besondere Charakter auch bei den Bühnenkünstlern herum und sie wurde ein Favorit für Pop-Sänger und Bands, aber auch fürs Eislaufen und weitere Sportveranstaltungen.

Dann mußten 1985 rund 36 Millionen zur Renovierung in die Festhalle gesteckt werden aus denen dann 43 Millionen wurden. Aber nun kamen auch mit dem Musikantenstadt oder dem Pop-Prinzen Prince die politischen Veranstaltungen der großen Parteien. Das brachte Geld. Und der gute Besuch zog wiederum andere Veranstalter an. Ein Kreislauf war entstanden, dem nur der leicht marode Zustand der Festhalle entgegenstand, was die Messe Frankfurt mobilisierte. „In der Chefetage fiel daher der Vorschlag, den Kuppelbau aus Anlaß der 2009 anstehenden 100-Jahr-Feier wieder in seiner alten Pracht erstrahlen zu lassen, auf fruchtbaren Boden.“ Es waren nämlich beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit die Jugendstilhelme über den Ecktürmen und die neobarocke Tambourkuppel auf der Rotunde, aber auch auf jeglichen Zierrat an den Fassaden verzichtet worden. Zur 100-Jahr-Feier und zum deutschen Turnfest wird die Festhalle in neuem Glanz erstrahlen, worüber wir sicher berichten.

INFO

Der Vortrag des Historikers Thomas Bauer ist Teil einer fünfteiligen Vortragsreihe Frankfurter Gespräche „Geschichte und Architektur“, die die Hessische Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt veranstaltet.

Am 16.6. folgen von Romana Schneider „Das Verwaltungsgebäude der IG Farben von Hans Poelzig“, im Bau selber, der heute die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität beherbergt.

Am 7.7. spricht der Architekt Jochem Jourdan im Messeturm über „Hochhäuser in Frankfurt“, im August/September wird Günter Mick, ehemaliger Redaktionschef der FAZ im Hessischen Rundfunk zu „Frankfurt – die heimliche Hauptstadt“ sprechen.

Im Juni erscheint das Buch „100 Jahre unter einer Kuppel. Die Geschichte der Frankfurter Festhalle“ von der Messe Frankfurt und am 28. Juni 2009 wird „Tag der offenen Tür“ sein.

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