Hintergründe zu den Präsidentschaftswahlen im Iran

Eine belebte Straße Teheran. © Arnulf, Aufnahme: Teheran, 2016

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der 13. iranische Präsidentschaftswahlkampf am 18. Juni erreicht seine heiße Phase. Die Wahlrunde unterscheidet sich grundlegend von vorangegangenen, denn diesmal haben verschiedene Aufrufe zum Boykott der umstrittenen Wahl Resonanz gefunden. Größere Bevölkerungsteile als früher betrachten die Wahlen als undemokratischen Prozess ohne Aussicht auf einen echten Wandel.

Die Kandidaten

Sieben Kandidaten dürfen diesen Monat bei den Präsidentschaftswahlen im Iran kandidieren. Hunderte registrierten sich zwar, wurden aber vom Wächterrat von der passiven Wahlteilnahme ausgeschlossen. Fünf der Kandidaten gelten als schiitische Hardliner. Bei den beiden anderen Kandidaten handelt es sich um einen „Moderaten“, der weniger konservative Positionen einnimmt, z.B. in Fragen der Beziehungen zum Westen. Ein weiterer Kandidat gilt als „Reformist“, der in seinen Ansichten über soziale Freiheit liberalere Positionen einnimmt.

Als Spitzenreiter, nicht nur für die Nachfolge von Präsident Hassan Rohani, sondern möglicherweise auch des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei gilt der iranische Justizchef und Hardliner Ebrahim Raisi.

Ein anderer Kandidat, der 66-jährige Veteran Mohsen Rezai, wurde 1981 zum Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) ernannt und führte die Streitkräfte des IRGC während des Iran-Irak-Krieges 1980-88 an. Mehrmals hat er bereits als Präsident kandidiert, aber nie ein öffentliches Amt bekleidet, nachdem er auch bei einer Bewerbung um die Wahl ins Parlament im Jahr 2000 gescheitert war. Er wird allgemein als „dauerhafter Kandidat“ bezeichnet.

Saeed Dschalili hingegen fungierte von 2007 bis 2013 unter der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad als iranischer Chefunterhändler für Nuklear-Fragen. Auch war er als stellvertretender Außenminister tätig. Da er direkt vom Obersten Führer Khamenei in seine Positionen berufen wurde, wird er von jüngeren Konservativen als Teil der „alten Garde“ betrachtet. Seine Anhänger erwidern, er werde „wegen seiner intellektuellen Unabhängigkeit und mangelnden Korruptionsneigung“ kritisiert.

Mohsen Mehralizadeh ist der einzige reformistische Kandidat, der für diese Wahl zugelassen wurde.
Sein Name wurde nicht in die Liste der Reform Front aufgenommen, einer Koalition von 27 reformorientierten politischen Parteien und Gruppen, deren neun Kandidaten alle vom Wächterrat abgelehnt wurden.

Abdolnasser Hemmati wiederum ist ein Nicht-Konservativer, ein gemäßigter Technokrat, der seit 2018 Zentralbankgouverneur ist. Seine Ernennungen in herausragende Positionen während der Amtszeit von Präsident Ahmadinedschad und Präsident Rouhani gelten als Beweis für seine Fähigkeit, mit den gegnerischen Flügeln der politischen Fraktionen im Iran zusammenzuarbeiten.

Amirhossein Qazizadeh Hashemi ist HNO-Berater und Abgeordneter der Hardliner-Fraktion, der seit 2008 den Wahlkreis Mashhad vertritt. Mit 50 Jahren ist er der jüngste Präsidentschaftskandidat in diesem Jahr.

Zuletzt Alireza Zakani ist ein weiterer konservativer Abgeordneter, der für seine starke Opposition gegen das Atomabkommen von 2015 bekannt ist. Er kämpfte im Iran-Irak-Krieg und diente Anfang der 2000er Jahre als Kommandeur der landesweiten studentischen Basij Resistance Force, einer Miliz, die für die Durchsetzung der inneren Sicherheit verantwortlich ist.

Shahindokht Molaverdi mit Shams Ul-Haq. © Shams Ul-Haq

Was Meinungsumfragen sagen

Seit der iranischen Revolution 1979 hat das Land zwölf Präsidentschaftswahlen durchlaufen. Die bisher höchste Wahlbeteiligung von 84,8 wurde im Jahr 2009 verzeichnet, als Mahmoud Ahmedinejad seine zweite Amtszeit gewann. Die niedrigste Wahlbeteiligung von 50,6 wurde 1993 beim zweiten Amtsantritt von Akbar Hashemi Rafsandschani verzeichnet.

Laut einer Umfrage der in den Niederlanden ansässigen Iranians Survey Group (GAMAAN) wird bei den Präsidentschaftswahlen am 18. Juni nun aber die Wahlbeteiligung auf weniger als 25 Prozent geschätzt – die niedrigste je gemessene. Bei der letzten Wahl, die der aktuelle Präsident Hassan Rohani 2017 gewann, lag die Wahlbeteiligung noch bei rund 73 Prozent. Die Umfrage unter 80.000 Iranern ergab, dass 75 Prozent der Befragten über 19 Jahren nicht zur Wahl gehen wollen, 18 Prozent sagten, sie würden ihre Stimme abgeben, während 6 Prozent noch unentschlossen blieben.

Mehr als zwei Drittel derjenigen, die sich entschieden haben, nicht zur Wahl zu gehen, gaben an, dass ihre Entscheidung auf der Begründung beruht, dass „im Iran keine Freiheit herrscht und die Wahlen nutzlos sind“, während andere sagten, sie würden nicht wählen, weil „viele der Kandidaten ausgeschlossen wurden“.

Nur vier Prozent der rund sechstausend Teilnehmer aus dem Ausland erklärten sich bereit, wählen zu gehen. Bei der letzten Wahl waren es 54 Prozent.

Kontrovers äußern sich Iraner zu den Vor- und Nachteilen der Wahl

Narges Ahmadi, 55, eine pensionierte Lehrerin, ist der Meinung, dass alle Iraner an den Wahlen teilnehmen sollten, um das Blut iranischer Märtyrer zu schützen, die im achtjährigen Iran-Irak-Krieg ihr Leben geopfert haben. Der Jugend käme dabei eine wichtige Rolle zu: „Obwohl das Land unter Misswirtschaft leidet, sollte uns unser Schicksal nicht gleichgültig sein.“
Ihrer Meinung nach hätten die Iraner in den letzten vier Jahrzehnten ihr Bestes getan, um die Islamische Revolution zu schützen. Sie erklärt: „Wenn der Iraner nicht an der Wahl teilnimmt, würde sich der Feind der Islamischen Revolution freuen. Seit dem Sieg der Islamischen Revolution im Jahr 1979 haben die Feinde ihr Bestes getan, um die Revolution zu verhindern, aber dank der guten Führung des iranischen Obersten Führers Ayatollah Khamenei wurden sie nicht erfolgreich.“

Susan Amiri, eine 45-jährige Hausfrau, nimmt eine andere Position ein: „Ich werde nicht an der Wahl teilnehmen. Weil ich in meinem Land keine Hoffnung und keine Zukunft sehe.“ Die Mutter zweier Mädchen, die einen Master-Abschluss in Elektrotechnik gemacht hat, sieht in der Wahl keine Perspektive für ihre Familie und ihre Kinder. Sie habe ihr Bestes getan, um einen Job zu finden und ihrem Mann bei den Lebenshaltungskosten zu helfen, aber sie konnte keinen Job finden. Den Iran sieht sie von mangelnder demokratischer Teilhabe und Misswirtschaft geprägt: „Im Iran zu leben ist wie ein Albtraum. Die meisten Jugendlichen sind hoffnungslos und arbeitslos. Die Preise für Wasser, Strom und Brot wurden erhöht. Die meisten Familien können sich eine hohe Inflation nicht leisten und leiden unter hohen Lebenshaltungskosten. Warum sollte ich an einer Wahl teilnehmen, deren Kandidaten nicht in der Lage sind, die Probleme des Landes zu lösen?“ Ihrer Meinung nach hätten die Ausbreitung des Coronavirus und die staatlichen Maßnahmen dagegen einen enormen Druck auf die Wirtschaft des Iran ausgeübt, unter dem die iranischen Familien sehr leiden: „Die Beamten werden nicht für die Probleme des Landes verantwortlich gemacht, und die Schuld für die Probleme des Landes wird allein in den US-Sanktionen gesehen. Die Präsidentschaftsdebatten sind aber nur von Angeberei der Kandidaten geprägt.“

Der religiösen Führung des Landes ist eine hohe Wahlbeteiligung hingegen wichtig, um der Regierung eine demokratische Legitimation zu verleihen. Vor der Parlamentswahl im Februar letzten Jahres äußerte der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei: „Das Wählen ist nicht nur eine revolutionäre und nationale Verantwortung, sondern auch eine religiöse Pflicht.“

Anmerkung:

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Shams Ul-Haq
Shams Ul Haq wurde 1975 in Pakistan geboren und ist ein deutscher Journalist und Autor.