Herausforderer SGS Essen trifft auf Rekordmeister 1. FFC Frankfurt – Fürchtet Colin Bell Essens Pokalzauber? – Auf großer Bühne im Kölner Rhein/Energie/Stadion entscheiden Glück und Tagesform

Charline Hartmann bezwingt die Abwehr des 1. FFC Frankfurt. © Karin Reuter

Der Frage folgte Bells Antwort Bashing

Die Weltelf des Gegners hingegen erwartet bei Sieg oder Niederlage  ein schmaler Grat "zwischen Hosianna und Kreuzigt ihn". Das die Frankfurterinnen als achtfacher Pokalsieger – zwischen 1999 und 2003 allein fünfmal in Folge – und aktueller Bundesliga-Spitzenreiter die Bürde des Favoriten tragen, entspricht ohne Zweifel der Meinung vieler Fans. Christenmensch Colin Bell, seines Zeichens Cheftrainer der erfolgreichen Profispielerinnen aus der Mainmetropole reagierte ziemlich ungehalten, als er von einem freimütigen Journalisten in der Preview im Frankfurter Relexa-Hotel gefragt wurde, ob er sich nicht vor Spott und Häme fürchte im Falle einer Niederlage. Der Frage folgte Bells Antwort bashing.

KPM saß mit KG auf dem Relexa Podium

Die neben dem Frauenfußball begeisterten Aufsichtsratsvorsitzenden der Commerzbank Klaus-Peter Müller – in Bankkreisen kurz "KPM" tituliert – erschienene Käpitänin Kerstin Garefrekes – auf dem Platz kurz "KG" fand da eher die richtigen Worte, ganz cool und bescheiden wie immer, und erklärte ohne Umschweife: "Essen ist nicht umsonst im Finale. Wir müssen mindestens 100 Prozent abrufen, sonst gewinnen wir das Spiel nicht."  Für Kerstin Garefrekes blieb der Fußball immer ein anspruchsvolles Hobby. "Ich lege Wert darauf, dass das nicht mein Beruf ist", sagte sie 2007 dem SPIEGEL. Unabhängigkeit ist ihr wichtig. Heute arbeitet sie in der Frankfurter Stadtkämmerei im Controlling fürs Dezernat Umwelt, "ohne Publikumsverkehr", mit einer flexiblen 21-Stunden-Woche.

Arbeitnehmerin Hartmann: Ich komme selten vor 16.30 Uhr raus

"Im Sport ist mein Verdienst zwar höher, aber das ist meine Zukunft", so Garefrekes. "Ich bin gut abgesichert, ich brauche nicht noch zusätzliche Werbeverträge: Mein Lebensziel ist es nicht, möglichst viel Geld zu verdienen." Der eigentliche gesellschaftliche Gegenentwurf zur  auf Sicherheit setzenden und kommunalen Teilzeitbeamtin Garefrekes ist die Leitfigur der Ruhrstädterinnen. Sie heißt Charline Hartmann und  arbeitet hauptberuflich als Bürokauffrau. Kein Länderspiel, kein akademischer Abschluss, aber eine tüchtige deutsche Wirtschaftswunderfrau.  Die 28-Jährige genießt bei der SGS viele Freiheiten. Anders würde es bei der Tochter eines mittelständischen Unternehmers auch gar nicht funktionieren.  Hartmann arbeitet in der Firma ihres Vaters und ist dort voll eingespannt. "Ich komme selten vor 16.30 Uhr raus. Und dann geht es immer direkt auf den Platz."

Toreschießen haben beide drauf

Vormittagseinheiten fallen sie dann meist aus. Die holt sie im Kraft- und Fitnessraum der Firma nach. Gegenüber DFB.de sagte Hartmann: "Ich fühle mich unheimlich wohl in Essen. Das ist ein ganz entscheidender Faktor für mein Spiel.  Denn wenn das der Fall ist, kann ich auch meine beste Leistung bringen." Hier die gebürtige RheinländerinCharline  Hartmann ohne jeglicher DFB-Förderung und Länderspiele, dort die mit internationalen Lorbeeren versorgte Ex-Nationalspielerin Kerstin Garefrekes – genannt KG. Zwei unterschiedliche berufliche Welten sicherlich, aber etliches tragen beide Spielerinnen gemeinsam: Verantwortung  auf dem Platz dank natürlicher Autorität, Freude am Spiel ohne Manager und die fußballerische Kraft, ein Spiel herumzureißen. Das Toreschießen haben beide drauf.

Högner: Sie wird jedes Jahr besser

Diese Saison liegt Charline Hartmann mit 11 Toren gemeinsam mit Mandy Islacker, der US-Amerikanerin Sarah Hagen und der Wolfsburger Nationalspielerin Nadine Keßler auf Platz Fünf der Torjägerliste. Die Frankfurterin Garefrekes liegt mit 15 Toren zwei Plätze vor Hartmann knapp hinter der Potsdamer Weltklassespielerin Genoveva Anonma, die mit 16 Toren hinter Europameisterin Célia  Sasic (20 Tore) auf Platz Zwei steht.  "Charline ist die erfahrenste Spielerin in unserem Kader. Daher hat sie natürlich einen extrem hohen Stellenwert", erklärte Essens Cheftrainer Markus Högner.  Högner trainiert die Ruhrstädterinnen seit 2010 und meint beobachtet zu haben, dass Charline Hartmann jedes Jahr besser wird. Das dem so ist, können vor allem die treuen Essener Fans bezeugen. Hartmann ist unheimlich torgefährlich und gleichzeitig immer anspielbar, vor allem mit dem Rücken zum Tor.

Das ganze Konzept basiert auf Jugendarbeit und Scouting

Markus Högner: "Da gibt es ein Deutschland wenige Spielerinnen, die das besser können." Hartmann ist jetzt zum zweiten Mal in Essen, zweimal stand sie beim FCR 2001 Duisburg unter Vertrag, außerdem beim 1. FC Köln. Begonnen hat sie am Niederrhein beim SC Viktoria 07 Anrath und danach beim VfL Willich. Aber inzwischen scheint sie ihre sportliche Heimat gefunden zu haben. "Ich fühle mich unheimlich wohl in Essen. Das ist ein ganz entscheidender Faktor für mein Spiel", sagt Hartmann gegenüber DFB.de. Die Essenerin stellt sich jederzeit in den Dienst der Mannschaft und somit die Seele auf dem Platz. Genau wie bei Garefrekes in der Mainmetropole orientieren sich die Essener Mitspielerinnen an der "Stubenältesten" Hartmann. "An ihr können sich unsere zahlreichen Talente orientieren", meint ihr Coach Högner. Und davon gibt es bei der SGS bekanntlich einige.  Das ganze Konzept des Vereins basiert auf einer hervorragenden Jugendarbeit und einem exzellenten regionalen Scouting.

Zu stark ist der gesellschaftliche Anspruch der Sportgemeinschaft

Finanziell begründete Transfers mittels der Spezies Spielerinnenvermittler kann sich der Essener Verein nicht leisten und ist er auch nicht gewillt zu nutzen. Zu stark ist der gesellschaftliche Anspruch der SGS Essen.  Für den Favoriten 1. FFC Frankfurt hängen deshalb die Trauben auch höher. Zu hoch ist der Anspruch seiner Sponsoren. Spielerinnen, die es nach Frankfurt zieht, landen zu allererst auf der Frankfurter Bank. Wer in der Ersten spielen möchte, bedarf außer Kerstin Garefrekes einer Testimonial Eignung. Der 1 FFC Frankfurt besitzt das zweifelsohne prominenteste Team Deutschlands mit einem professionellen Trainerfuchs, der schon lange im Geschäft ist. Trotzdem reagierte der Brite Colin Bell im Relexa-Hotel ziemlich nervös. Seine Spielerinnen stehen für Qualität und bilden nicht umsonst das Korsett der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Deshalb ist Frankfurt klarer Favorit.

Die Frankfurter Bank ist groß  mit und ohne Sasic

Essens Torhüterin Lisa Weiß hat übrigens  im SGS-Kader als einzige Erfahrung bei der A-Nationalmannschaft sammeln können. Sie hat bisher ein Spiel bestritten. Damals in Duisburg, als sich Nadine Angerer im Länderspiel gegen Nordkorea verletzte. Frankfurt kommt auf über 1.000 Einsätze in der DFB-Auswahl. Damit dürften die Voraussetzungen vor dem Spiel klar sein. Oder fürchtet Colin Bell Essens mittelständischen Pokalzauber von Hartmann, Dallmann, Weiß und Co.? Die Frankfurter Bank ist groß, aber trotzdem hofft auch insgeheim Investor und Manager Siegfried Dietrich auf die Gesundung der verletzten Torjägerin Célia Sasic, die heute auf ihrer FACEBOOK Seite ansagte, dass sie in Köln spielen möchte.

Quellen: 1. FFC Frankfurt, SGS Essen, DFB, Wikipedia

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