Stralsund, Deutschland (Weltexpress). Die Stralsunder Spezialfirma Ostseestaal hat ein weiteres innovatives Fahrzeug abgeliefert. Am 18. Mai wurde die Elektro-Solarfähre feierlich auf Kiel gelegt und termingerecht am 21. August durch Oderhaff-Reederei-Mitarbeiterin Katja Anton im Fischerdorf Kamp am Stettiner Haff auf den Namen „Antonia vom Kamp“ getauft. Durch diesen Akt ist dem Schiff „die Seele gegeben worden“, sagte sie vor zahlreichen Zuschauern.
Das 14,65 Meter lange, 4,5 Meter breite und 90 Zentimeter tiefgehende Stahlrumpfschiff kostet nach Angaben des Betreibers, der Oderhaff-Reederei Peters (Ueckermünde), rund 700.000 Euro, wobei der Baupreis ist zu 45 Prozent öffentlich gefördert worden ist. „Wir freuen uns, dieses innovative Projekt mithilfe des Landes verwirklicht zu haben“, erklärte Reeder Kay Peters mit Dankesworten an alle Beteiligten in seiner Ansprache. Er bietet auf dem Stettiner Haff seit 1994 – damals begann es mit Butterfahrten und mehr Schiffen – Fahrten von Ueckermünde nach Swinemünde und Stettin an, aber auch den Fährverkehr zwischen Ueckermünde und Kaminke auf Usedom sowie Sonder- und Haff-Rundfahrten. Die Fahrgastschiffe MS „Jan van Cuyk“, „Priwall V“ und „Chateaubriand“ (verchartert in Swinemünde) bilden momentan das Rückgrat der kleinen Flotte, die elf festangestellte Mitarbeiter zählt.
Seit vielen Jahren wird sie versicherungstechnisch betreut von der Allianz Esa Euro Ship GmbH, einem renommierten Schiffsversicherer für die Sparte Berufsschifffahrt. Ihr Agentur-Vertreter Mark Miller überreichte Reeder Peters nach der Taufe für dessen Firmentreue eine Schiffsglocke. Sie war das einzige Bauteil, dass an Bord noch fehlte. Ein Stück maritime Tradition, das trotz hypermoderner Technik seinen Angestammten Platz auf dem Vorschiff erhält.
Tourismus befördert, Umwelt geschützt
Auf der „Antonia vom Kamp“ liefern Solarmodule auf dem Dach und Hochleistungsbatterien den Strom für die beiden 45-Kilowatt-Ruderpropeller und sorgen für eine maximale Geschwindigkeit von 14 km/h. Durch den komplett emissionsfreien Antrieb werden bis zu 36.000 Liter Diesel und 95 Tonnen CO2 jährlich eingespart.
Die Elektro-Solar-Fähre wird ab sofort zwischen dem Festlandhafen Kamp (Vorpommern-Greifswald) und Karnin auf der Insel Usedom pendeln. Sie ersetzt eine Fähre mit konventionellem Antrieb, die zwischenzeitlich außer Dienst gestellt wurde.
Der Neubau unter der Führung von Kapitän Sergejus Kostin (24) wird künftig neben 20 Fahrgästen auch bis zu 15 Fahrräder auf jeder Überfahrt mitnehmen können. Radfahrer und Wanderer haben damit nach zwei Jahren Pause eine weitere Fähroption zur Insel Usedom. Der reizvolle 334 Quadratkilometer große Naturpark Flusslandschaft Peenetal rund um das idyllisch gelegene Fischerdorf Kamp wird auf diese Weise noch besser touristisch erschlossen. Der weiträumige und verkehrsreiche Umweg über Anklam entfällt damit. Staatssekretär Patrick Dahlemann (SPD) betonte den Doppelaspekt, dass diese „Fährverbindung den Tourismus befördert und die Umwelt schützt“. Das komme dem Natur zugute, und er wünschte dem Schiff abschließend „viele, viele Nutzer“.
Aus Vorpommern, für Vorpommern und mehr
Die Firma Ostseestaal, nach den Worten von Geschäftsführer Thomas Kühmstedt größter europäischer Hersteller von Solarschiffen, beschäftigt rund 200 Mitarbeiter und stellt Bausätze aus zugeschnittenem und dreidimensional geformtem Blech her. Bereits 12 Fähren wurden gemeinsam mit der Stralsunder Werft Ampereship gebaut. Wobei der Neubau das erste in Vorpommern für Vorpommern gebaute Schiff ist. „Ein positives Signal, wie Wirtschaft funktionieren kann“, betonte Ralf Svoboda, Vertreter des Schweriner Wirtschaftsministeriums.
Fähren mit einem umweltfreundlichen Antrieb sind gefragt. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen zehn Elektro-Solarschiffe für verschiedene Einsatzfälle gefertigt, darunter mit der „Sankta Maria II“ die eigenen Angaben zufolge weltweit erste vollelektrische Autofähre für Binnengewässer, die auf der Mosel verkehrt. Andere sind bereits erfolgreich in Berlin, demnächst auch in Rostock, zwei auf dem Bodensee und drei auf Zürichsee im Einsatz. Gegenwärtig baut Ostseestaal außerdem ein Deckshaus aus Aluminium für eine Doppelend-Fähre mit Hybrid-Antrieb, dessen Heimathafen die ostfriesische Insel Norderney sein wird. Auftraggeber ist die AG Reederei Frisia Norden, Hersteller des 74,5 Meter langen Schiffes die Pella-Sietas-Werft in Hamburg.
Die ersten drei Fahrten von Kamp nach Karnin absolvierte die „Antonia vom Kamp“ mit den geladenen Gästen. Anschließend konnten die ersten Radfahrer, die das Taufspektakel verfolgten, hocherfreut, nicht wieder umkehren zu müssen, den kurzen Weg übers Peenestrom-Wasser antreten.