Gletscherabbrüche und Pinguinhighways – Vom Zauber einer Entdeckungsreise in die Antarktis

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2014

Kap Hoorn wie es im Buche steht. Drohend rollen die Wellenberge heran und versprühen, aufgepeitscht von einem starken Westwind, ihre schäumende Gischt an der Steuerbordseite bis hinauf aufs Aussichtsdeck. Nervös sausen die Kaffeetassen in der Cafeteria von einer Tischseite auf die andere. Und ist nicht gar das laute Scheppern in der Bordküche ein untrügliches Zeichen dafür, dass einer der Tellerstapel soeben die Gesetze der Schwerkraft überkorrekt durchbuchstabiert hat?

Die Situation wirkt wie der Überraschungsangriff entfesselter Naturgewalten. Denn gerade noch hatte nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Ushuaia die ruhige Anfahrt durch den vor Wind und Wetter geschützten Beagle Kanal keine misstrauische Vorahnung aufkommen lassen. Doch dann auf offener See südlich von Feuerland will es sich die Drake Passage offenbar nicht nehmen lassen, ihrem berühmt-berüchtigten Ruf als größter Schiffsfriedhof der südlichen Hemisphäre erneut gerecht zu werden.

Weißer Fleck auf der Landkarte

Und dies auf dem direkten Weg hinunter in die Antarktis, die seit vielen Millionen Jahren ihre Oberfläche unter einem dicken Eispanzer verbirgt. Sodass selbst der Star aller Weltentdecker, der Engländer James Cook, sie nie zu Gesicht bekam, so sehr er sich  bei seiner Suche nach einem imaginären Südkontinent auch abmühte. Jenes verschollene Teilstück des riesigen Urkontinents Gondwana, das sich, wie wir heute wissen, einst durch ungeheure tektonische Kräfte aus der Gemeinschaft mit Südamerika, Afrika, Australien, Indien und Neuseeland verabschiedete.

In eine Abgeschiedenheit, die am Ende des Zeitalters der Entdeckungen als der größte weiße Fleck auf der Landkarte übrig blieb. Ein Ärgernis, das schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gar den Ehrgeiz der Entdecker und Wissenschaftler  anspornte, den Südpol als das Zentrum dieser gewaltigen Landmasse aufzustöbern. Allen voran der Norweger Roald Amundsen und der Engländer Robert Scott, die sich ein erbittertes Wettrennen lieferten, aus dem Amundsen schließlich als Sieger hervorging.

Shackleton-Kultstätte

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2014Aufregend auch die Antarktis-Expedition des Engländers Ernest Shackleton, dessen Schiff „Endurance“ sich im Packeis verfing und dann unter den Augen der Besatzung von diesem zerdrückt wurde. Eine Tragödie, die dazu führte, dass 22 Seeleute auf dem entlegenen Elephant Island in langen viereinhalb Monaten bei völliger Dunkelheit und in eisiger Kälte unter der Wölbung umgedrehter Rettungsboote auf Hilfe warten mussten. Aus heutiger Sichtweise geradezu ein Wunder, dass sie alle dabei überlebten.

So ist Elephant Island bis heute eine Kultstätte für all jene, die stets neu von dem Wagemut und der Ausdauer jener Männer fasziniert sind. Schon wird Begeisterung laut, als sich die Insel nach der zweitägigen Überquerung der Drake Passage nun als Schatten am Horizont abzeichnet. Und niemand an Deck will den legendären Ort am Rande eines mächtigen Gletschers verpassen, wo in Ufernähe ein Denkmal an die Rettung der Schiffbrüchigen durch einen chilenischen Kapitän erinnert. Ein erhabenes Gefühl, endlich an einem der exponierten Schauplätze des Antarktis-Abenteuers angekommen zu sein.

Geburtswehen eines Gletschers

In jener labyrinthartigen Eislandschaft, durchzogen von unüberschaubaren Fjorden und Kanälen. Allesamt gefüllt mit treibenden Eisschollen, auf denen massige Robbenleiber vor sich hin dösen. Knackend bahnt der Schiffsbug seinen Weg durch das Eis, das sich zu Beginn des südpolaren Sommers bereits auf dem Rückzug befindet. Bei gutem Wetter umgeben von einem roséfarbenen Horizont, der die weiße Märchenlandschaft umrahmt.

Und hin und wieder dieses rätselhafte Ächzen aus dem Inneren eines Gletschers, der kurz vor dem ungeduldig erwarteten Kalben mit seinem leuchtenden Weiß an die mächtige Kulisse eines sterilen Kreißsaales erinnert. Selbst Eisexperte Steffen Biersack aus Berlin weiß das Ende der geräuschvollen Wehen nicht präzise vorauszusagen. Bis schließlich ganz überraschend ein riesiger Eisbrocken aus der Steilwand herausbricht, um sich als stattlicher Eisberg umgehend von seiner Abbruchkante abzunabeln. Geburt gelungen, Sprössling wohlauf, alle begeistert!

Kolonisten im Frack

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2014Zur Erforschung dieser natürlichen Zusammenhänge in der Antarktis haben sich zahlreiche Forschungsstationen in der eher lebensfeindlichen Eisregion etabliert. Eine davon die polnische Forschungsstation „Arctowski“ in der Admirality Bay von King George Island. Hier widmet die Biologin Malgorzata Korczak aus Warschau ihre Aufmerksamkeit der, wie sie es nennt, „Erhaltung der lebenden Ressourcen in der Antarktis“. Besonders die Pinguine der antarktischen Landspitze gehören zu ihrem Forschungsbereich.

Possierliche Wesen im eleganten Frack, die als Zügel- Esel- und Améliepinguine ringsum ihre Kolonien errichten. Wobei leicht torkelnde Männchen mit Eifer Kieselsteine in ihrem Schnabel selbst steile Anhöhen hinauf transportieren. Daraus erwächst, solange heimtückische nachbarliche Steindiebe es zulassen, ein ansehnliches Nest, das das Weibchen vor der Eheschließung als zufriedenstellend akzeptieren muss. Daher ein ständiges Kommen und Gehen auf den zahlreichen Pinguinhighways, die der weißen Schneelandschaft ein unauffälliges Streifenmuster verleihen.  

Orientierungspunkte im Schneesturm

Das größte Interesse jedoch erwecken die Wale. Sobald jemand eine Familie von Buckel- oder Killerwalen erspäht hat, füllt sich das Beobachtungsdeck selbst während der Essenzeiten in Windeseile. Gebannt liegt dann, besonders bei klarem Sonnenlicht, der Blick auf den Meeresgiganten, deren Schwanz- und Rückenflossen immer wieder behäbig aus dem eiskalten Wasser auftauchen.

Und dann plötzlich ganz kurzfristig ein Wetterumschlag. Zum Beispiel am Damoy Point, wo ein  hereinbrechender Schneesturm für kurze Augenblicke den Blick zu den roten Fähnchen unterbricht, die als Markierungszeichen zu einer wohnlich eingerichteten Pionierhütte aufgestellt sind. Der Weg ist hier zwar nicht das Ziel. Doch er lohnt sich dennoch, weil er die Schwierigkeiten und Strapazen veranschaulicht, die dieser Kontinent für alle jene bereit hielt, die sich vor gut einhundert Jahren anschickten, ihn zu erforschen.

Kajaktour durch treibende Eisschollen

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2014vAuch wenn das Schiff denselben Namen trägt wie damals die „Fram“ Roald Amundsens, haben sich die Verhältnisse heute doch entscheidend verändert. So Kapitän Runi Andreassen aus Norwegen während  seiner Einladung auf die Brücke. Drei Dinge sind es, denen er vor allem vertraut: die kreisförmig drehbaren Zug-Propeller, das vorausblickende Unterwasser-Radar sowie der stabile Schiffsbug, der es bequem mit fünfzig Zentimeter dickenEisschollen  aufnehmen kann. „Alle Technik ist aus Deutschland“, fügt er anerkennend hinzu.

Von dorther kommt auch ein Teil seiner Mannschaft, wie sich bei Gesprächen an Bord schnell zeigt. Zum Beispiel Ralf Westphal aus Husum, der sich neben seinen Vorträgen über die Kap-Umrundung der einstigen Clipperschiffe auch auf die Außenbord-Aktivitäten des Schiffes spezialisiert hat. Mit der Technik des Kajak-Fahrens um treibende Eisschollen herum kennt er sich daher bestens aus. Und auch mit der Zeltübernachtung auf Amundsen-Art an entlegenen Küstenstreifen mitten im Schnee.

Poststation nahe dem Polarkreis

Die größten Erwartungen jedoch scheinen während der gesamten Reise auf Chefkoch Ralph Terjung gerichtet zu sein. Dem Mann mit dem guten Geschmack aus Köln, der in einer Mischung aus norwegischer und mitteleuropäischer Küche die Reisenden selbst unter ungünstigen Wetterbedingungen bei Laune hält. Zwar erst kurze Zeit an Bord, blickt er doch bereits zurück auf eine zwölfjährige Seeerfahrung. Und die hat ihn gelehrt, nicht „den Chef“ nach außen zu kehren, sondern in seiner Küche für ein angenehmes Arbeitsklima zu sorgen.

Schon ist mit Port Lockroy knapp oberhalb des südlichen Polarkreis die letzte Station der Reise erreicht. Einst eine  britische Beobachtungsstation während des Zweiten Weltkrieges, ist sie heute einer der am meisten besuchten Orte in der Antarktis. Als Museum gewährt die verwinkelt konstruierte Hüttenanlage einen Einblick in die Geschichte der Kommunikation mit der Außenwelt. Die allerdings schon damals ein schnelleres Tempo vorlegte als die heutigen Briefe und Postkarten, die „Postmaster“ Stephen Skinner im Souvenirshop höchstpersönlich abstempelt. Attraktive Erinnerungsstücke, die erst lange Zeit nach der Reise irgendwann in die heimischen Briefkästen flattern.

Klicken an der „Kodak-Spalte“

© Foto: Dr. Bernd Kregel, 2014Nun noch als letzter antarktischer Höhepunkt das genussvolle Gleiten durch den Lemaire Kanal. Jene „Kodak-Spalte“, die wegen ihrer prächtigen Eiskulisse auf jeden Fotografen eine geradezu magnetische Anziehungskraft ausübt. Unmerklich dreht nun das Schiff durch ein großflächiges Eisfeld ab in Richtung Drake Passage. Und die bietet bis zurück zum argentinischen Ausgangshafen Ushuaia genügend Gelegenheit, sich der Einzigartigkeit dieser Reise ans südliche Ende der Welt bewusst zu werden.

Reiseinformationen „Antarktis“:

Anreise: z.B. mit der Lufthansa von Frankfurt nach Buenos Aires, von dort mit LAN nach Ushuaia. Der argentinische Inlandflug ist Teil des „MS Fram“- Reisepaketes.

Einreise: Zur Einreise nach Argentinien reicht ein noch sechs Monate gültiger Reisepass. Ein Visum ist nicht erforderlich.

Reisezeit: Oktober bis März sind auf der Südhalbkugel identisch mit dem Sommer.

Reiseveranstalter und Buchung: Hurtigruten GmbH, Telefon: 040-37693282, Web: www.hurtigruten.de oder Reisebüro an der Oper, Telefon: 0228-92626980, Web: www.rautenberg-reisen.de

Unterkunft: Die MS Fram verfügt über Innenkabinen, verschiedene Kategorien von Außenkabinen sowie Suite und Grand Site mit Balkon

Auskunft: Auch über andere Routenführungen: Hurtigruten GmbH, Burchardstraße 14, 20095 Hamburg, Telefon: 040-87408358, Email: ce.info@hurtigruten.com; Web: www.hurtigruten.de

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Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde unterstützt von der Hurtigruten GmbH, Hamburg.

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