1478 wählte George, Herzog von Clarence, Bruder von König Eduard IV. von England, der vom Oberhaus zum Tode verurteilt worden war, sich als Todesart, in einem Fass Malvasia ertränkt zu werden. Interessant ist auch, dass bei den Feierlichkeiten zur Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, George Washington, mit einem Gläschen Madeirawein anstieß. An den vornehmsten Tischen der europäischen Adelshäuser war der Wein präsent, und der Madeira war das Lieblingsgetränk der Könige, Kaiser und Staatsmänner. Thomas Jefferson wählte den Madeira zu seinem Lieblingswein.
Als Napoleon Bonaparte 1815 auf seinem Weg ins Exil zur Insel St. Helena nach Madeira kam, schenkte der englische Konsul auf Madeira, Henry Veitch, dem Kaiser ein Fass Malvasia. Die Geschichte überliefert, dass der Kaiser die Annahme verweigerte, was dazu führte, dass der Konsul das Fass mit der köstlichen Flüssigkeit nach Madeira zurückkommen ließ. 1840 wurden daraus Hunderte von Flaschen, an der sich zahlreiche Engländer erfreuten. Unter ihnen auch Sir Winston Churchill, der Madeira 1950 besuchte und das Privileg hatte, diesen Wein zu kosten.
Ab dem 17. Jahrhundert hatte der Madeirawein in Ostindien einen seiner wichtigsten Absatzmärkte. Diese Handelsroute für den Madeirawein wurde nicht nur wegen der Exportmenge im Laufe von zwei Jahrhunderten bekannt, sondern auch wegen des berühmten Vinho da Roda. Der Transport von Madeirawein zu jenen Zielen erfolgte im Bug der Schiffe, wo bei der Überquerung der Tropen sehr hohe Temperaturen herrschten. Zuweilen kam es vor, dass der Wein nach Europa zurückkehrte. Dabei stellte man fest, dass sich diese Reisen vorteilhaft auf die Qualität des Weins auswirkten. Seitdem wurden Fässer mit Madeirawein auf die Reise nach Indien geschickt mit dem einzigen Ziel, den Geschmack zu verbessern, um die Fässer dann nach Europa zurückzuschicken, wo sie einen bis dahin ungeahnten Ruf erlangten.
In England erfreute sich der Vinho da Roda einer außergewöhnlichen Beliebtheit und erzielte im Handel astronomische Preise. Motiviert durch die Anzeichen, dass die Hitze dem Madeirawein Nutzen brachte, und offensichtlich im Zusammenhang mit der Wertsteigerung des Vinho da Roda, investierten die Erzeuger Mitte des 18. Jahrhunderts in die Estufagem (Wärmelagerung), eine Technik, die bis heute angewandt wird.
Der Weinbau ist auf der gesamten Insel Madeira und auf Porto Santo anzutreffen. Insgesamt existieren etwa 400 Hektar Weinberge zur Erzeugung von Weinen mit Herkunftsbezeichnung, wie der Madeirawein und der „Madeirense“ (VRPRD) oder der regionale Wein mit der geographischen Bezeichnung „Terras Madeirenses“. Die Hauptanbaugebiete befinden sich in den Bezirken Câmara de Lobos an der Südküste mit etwa 125 Hektar, São Vicente mit etwa 122 Hektar und Santana mit nahezu 82 Hektar an der Nordküste.
Die Böden vulkanischen Ursprungs sind größten Teils basaltisch. Im allgemeinen sind sie von lehmiger Beschaffenheit und chemisch sauer, reich an organischen Bestandteilen, Magnesium und Eisen, arm an Kalium und ausreichend an Phosphor. Die Sommer sind warm und feucht und die Winter mild. In den Weinbaugebieten ist das Klima semihumid und humid bis arid, je nachdem, ob es sich an der Nordküste um die obere Kultivierungszone handelt oder an der Südküste um Bereiche unterhalb von 150 Höhenmetern. Der Niederschlag nimmt mit der Höhenlage zu. Dieser Effekt ist an der Südküste noch deutlicher zu spüren.
Ende August bis Mitte Oktober findet die Weinlese in majestätischem Ritual statt. Das schwer zugängliche Gelände und das System der Kleinstbetriebe erschwert das gesamte Verfahren der Weinlese. Mit vereinten Kräften der Weinbauern nehmen Männer, Frauen, Jugendliche an der Ernte teil, die noch heute vollständig in Handarbeit geleistet wird. Es ist auch eine Gelegenheit der Familienzusammenkunft. Die gelesenen Trauben werden in Kisten von einem Fassungsvermögen von 25 bis 50 Kilo zur Weinkellerei gebracht.
Der aus der Presse erzeugte Most wird einer vollständigen oder teilweisen Gärung unterzogen, darauf folgt die Fortifizierung. Das Verfahren der Fortifizierung bedeutet eine Unterbrechung des Gärungsprozesses durch den Zusatz von 96 Prozent Vol. Weingeist. Die Unterbrechung der Gärung richtet sich nach dem für den Wein angestrebten Süßegrad. Nach diesem Verfahren erlangt man vier Weintypen: trocken, halbtrocken, halbsuÌˆß und süß. Nach Abschluss dieser Behandlung werden die Weine einem der folgenden Herstellungsverfahren unterzogen: „Estufagem“ oder „Canteiro“, zwei verschiedene Wärmebehandlungen. Estufagem: Der Wein wird in Edelstahlbehältern gelagert, die durch ein spiralförmiges Rohrsystem mit heißem Wasser während eines Zeitraums von mindestens drei Monaten auf eine Temperatur von 45 bis 50 Grad Celsius erhitzt werden. Nach dieser Wärmebehandlung, der Estufagem, wird der Wein dem Estágio, einer Ruheperiode von wenigstens 90 Tagen unterzogen. Jetzt ist er in dem Zustand, der dem Önologen erlaubt, den Wein mit der notwendigen Qualitätsgarantie auf die Abfüllung in Flaschen vorzubereiten. Die Weine dürfen niemals vor dem 31. Oktober des zweiten Jahres nach der Weinlese in Flaschen abgefüllt und in den Handel gebracht werden. Es handelt sich vorwiegend um Verschnittweine.
Canteiro: Die Weine, die zur Ruhelagerung im Canteiro selektiert wurden (Diese Bezeichnung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Fässer auf hölzernen Stützen gelagert werden, die man Canteiros nennt), werden über einen Zeitraum von wenigstens zwei Jahren in Fässern gealtert, üblicherweise in den oberen Stockwerken der Weinkeller, wo die Temperaturen etwas höher sind. Es handelt sich um eine Alterungsmethode durch Oxydation im Fass, die den Weinen einzigartige, intensive und komplexe Geschmacksnoten verleiht. Die Canteiro-Weine dürfen frühestens nach drei Jahren in den Handel kommen, gerechnet ab dem 1. Januar des auf die Weinlese folgenden Jahres.
Dank seiner Komplexität der Aromen und seiner organoleptischen Eigenschaften kann der Madeirawein zu jeder Tageszeit genossen werden. Bei Tisch findet er in verschiedenen Varianten Anwendung, je nach den vier Typen des Weins.
Der Sercial oder trockene Madeirawein, von heller Farbe, körperreich und von ausgeprägtem Bukett eignet sich perfekt als Aperitif, passt gut zu Oliven, gerösteten Mandeln, Canapés mit Kaviar oder geräuchertem Lachs und Appetithäppchen mit Mayonnaise. Er verfeinert ebenfalls geräucherten Fisch wie Lachs, Schwertfisch, Thunfisch oder Degenfisch, Meeresfrüchte, Sushi und Fisch-Mousse, er ist delikat zu frischem Ziegen- oder Schafskäse. Als Long-Drink ist der trockene Madeirawein mit Tonic, einer Scheibe Zitrone und Eis sehr erfrischend.
Der Verdelho oder halbtrockene Madeirawein, ein Wein mit Struktur, von goldener Farbe, exzellent als Aperitif, passt perfekt zu Oliven, gerösteten Mandeln und Trockenfrüchten, ist angenehm zu Kraftbrühe, Rahmsauce und gratinierter Zwiebelsuppe. Er passt auch gut zu Serrano-Schinken oder geräuchertem Wild, zu Wild-Terrinen und Quark-Terrinen, Champignons mit Knoblauch oder gefüllt, und köstlich mit Foie-gras aus Enten- oder Gänseleber.
Der Boal oder halbsüße Madeirawein, körperreich und fruchtig, harmonisiert mit frischen, tropischen Früchten, Trockenfrüchten, Kuchen und Obsttorten. Der junge Boal passt perfekt zu Weichkäse, der ältere Boal sehr gut zu Hartkäse. Er ist delikat zu Soufflés mit Käse oder Waldfrüchten. Exotisch schmeckt der Madeira zu Milchschokolade, Pralinen, Petit-fours, Cremetörtchen und Honigkuchen. Der gealterte Boal ist ein perfekter Genuss zusammen mit Pfeifentabak und Zigarren.
Der Malvasia oder süße Madeirawein, von dunkler Farbe, körperreich und aromatisch, kann zu tropischen Früchten genossen werden sowie zu Trockenfrüchten, Wallnüssen und Haselnüssen. Er eignet sich gut zu Kuchen mit Trockenfrüchten, Obsttorten und Honigkuchen, Butterkeksen, Bitter- oder Milchschokolade, Pralinen und Petit-fours. Seine Eleganz zeigt er zusammen mit portugiesischem Käse wie Serra – oder Serpa-Käse, Azeitão-Rabaçal oder Ilha-Käse und auch mit Blauschimmelkäse wie Danish blue, Roquefort, Stilton oder Gorgonzola.
Die süßen Sorten Frasqueiras oder Vintage sind ein Genuss mit Havanna-Zigarren.