Nah aber war es in Frankfurt, „rüber zu mache von Offebach, dribbdebach, nach Frankfort, hibbdebach“, denn an den Stadtgrenzen wachsen beide Städte längst zusammen, so daß die paar Kilometer Entfernung in Wahrheit kaum mehr zählen. Und so waren in den Frankfurter Römer nicht nur die übriggebliebenen Eintrachtler erschienen, sondern auch die Kickerspieler und natürlich auf beiden Seiten die damaligen, heute noch lebenden Vereinsverantwortlichen. Aber auch der Offenbacher Oberbürgermeister Horst Schneider war mit von der Partie, der am Montag in Offenbach um 18 Uhr die Fußballenthusiasten einlädt zur Kinovorstellung, in der das Endspiel gezeigt wird. Denn das war ein dramatisches Spiel und blickt man von heute aus zurück, dann sind es nicht so sehr die 50 Jahre Meisterschaft, sondern die Art und Weise wie sie hochdramatisch – eben wieder wie in einer Inszenierung – sportlich errungen wurden. Übrigens spielerisch auf beiden Seiten hervorragend. Die konnten was, die Alten.
Fangen wir mit der Nettigkeit an. Heute sagen beide Seiten über das Endspiel am 28. Juni 1959, wie heute ein Sonntag: “Es hätte auch umgekehrt ausgehen können.“ Denn die Eintrachtler und die Kicker waren beide gut, gleich gut. Und so stand es nach 90 Minuten auch 2:2. Dieses Ergebnis aber stand schon in der 22. Minute fest. Denn Stürmerstar Istvan Sztani hatte nach 13 Sekunden(!) das 1: 0 für Frankfurt erzielt, was Berti Kraus in der 7. Minute zum 1:1 ausglich. Abermals führte die Eintracht durch Eckehard Feigenspan in der 13. Minute und Helmut Preisendörfer glich erneut in der 22. Minute aus. Und nun kommt’s. War es in der Verlängerung ein Elfmeter oder nicht? Denn der blitzschnelle Richard Kress wurde vom Offenbacher Mittelläufer Lichtl gesäbelt – was dieser bis heute wutschnaubend dementiert – und nicht nur der gegebene Elfmeter kam ins Tor der Offenbacher, sondern noch zwei weitere durch eine entfesselte Eintracht, wo der Treffer der Offenbacher zum Endstand 5:3 für Eintracht Frankfurt dann kaum mehr wahrgenommen wurde.
Außerhalb von Frankfurt kann man sich kaum vorstellen, wie dieses Jubiläum die Stadt begeistert. Außerhalb von Frankfurt kann man sich auch die alte Rivalität Frankfurt und Offenbach, die in der Eintracht und den Kickers ja im Derby nur eine besondere zugespitzte Variante erhält, nicht vorstellen. Und als Hiesige muß man auch zugeben, daß aus der ehemals wirklich erbitterten Feindschaft – Frankfurt helau, Offenbach pfui – inzwischen eine gepflegte Freundschaft geworden ist, zu der das Frozzeln halt als Konstante dazugehört. Eine Nacht lang liefen im hr Fernsehen nicht nur die Wiederholungen des Spiels, sondern auch Eintrachtfilme, wie der von 1999, wo Eintracht Frankfurt 100 Jahre alt wurde, und die Vereinsgeschichte spannend dokumentiert wird und dieses 50jhrige Jubiläum nun also zusammenfällt mit den 110 Jahren Eintracht Frankfurt. Zudem gab es am Samstag für die Mitglieder ein großes Fest im Frankfurter Stadion, wo vor allem den Kindern viel geboten wurde, und Tausende auf dem Rasen saßen oder kickten. Dort kann man auch die Ausstellung „59 Meister“ bis zum 23. August im Eintracht-Museum besichtigen und sich die runde Siegerschale betrachten.
Die stand allerdings im Frankfurter Römer an diesem Sonntagvormittag auf dem Tisch. Und daß sich neben sie am Schluß dann noch ein gläserner Pokal gesellte, in dem die Namen der damaligen Spieler einziseliert sind, war eine schöne Geste der Offenbacher, die der damalige OFC-Mittelfeldspieler Ernst Wade dem Eintrachtler Dieter Lindner als Dank für die Veranstaltung überreichte. Wie Stadtoberhaupt Petra Roth in Ihrer Begrüßungsansprache dann verriet, war es Dieter Lindner, der diese Jubiläumsfeier angeregt und dann auch aktiv mitgestaltet hatte. In den Frankfurter Zeitungen waren zudem seit Tagen Interviews mit ihm und anderen Spielern zu lesen, wobei der Offenbacher Hermann Nuber ein gefürchteter Stürmer war, aber niemals das gemacht hätte, was Eintrachttrainer Paul Oßwald tat, nach Frankfurt zu wechseln. Der war nämlich zuvor Trainer der Offenbächer und kannte alle Vorzüge und Schwächen der Mannschaft und nutzte das Wissen gnadenlos aus, wie ihm von Offenbach aus vorgeworfen wurde. Paul Oßwald allerdings war alter Eintrachtler und spielt beim Verein von 1928 bis 1933 und dann noch einmal von 1935-1938.
Sympathisch, wie die Oberbürgermeisterin, die sich gerne immer als Fußballfreundin geriert, aus ihren selbstgestellten Fettnäpfchen wieder heraustrat. Sowohl die Mainzer – es sangen nämlich die Mainzer Hofsänger zum Auftakt und Abschluß – wie auch die Offenbacher versetzte sie kühn – unter angehaltenem Atem des ganzen Kaisersaals – in falsche Fußballigen, was deshalb erstaunlich war, weil es so viele doch gar nicht gibt. Dieter Lindner hielt dann die Hauptrede und brachte das Dilemma auf den Punkt: einerseits hätte er sich noch mehr deutsche Meisterschaften für die Eintracht gewünscht, aber dann hätte es nicht für ihn und die Mannschaft solch ein Jubiläum zur 50. und einzigen Eintrachtmeisterschaft gegeben. Im Endspiel hatte die Eintracht schon einmal gestanden, 1933, als sie gegen Fortuna Düsseldorf verlor.
Der vom DFB entsandte Wolfgang Miersbach, bekennender Fortuna Düsseldorf Fan, sprach zwar deren Meisterschaft an, verzichtete aber, den geschlagenen Gegner Eintracht zu erwähnen. Alle wünschten der Eintracht Glück, bald wieder im Finale dabei zu sein. Denn die damalige Meisterschaft war noch aus den alten Oberligen geboren, die dann zur Bundesliga wurden. Oberbürgermeisterin Roth forderte eine neue Meisterschaft bis zu ihrem Amtsende 2013, Staatsminister Bouffier versprach den Offenbachern bei ihrem Stadionbau zu helfen, Tigerpalastdirektor Johnny Klinke, der schon die Hofsänger nach Frankfurt geholt hatte, und von dem gesagt wurde, man könne ihn auch noch nachts um vier Uhr aus dem Bett klingeln und er sage wie im Schlaf die Namen der beiden Mannschaften von 1959 fehlerfrei auf, also Johnny Klinke konnte die interessante Mitteilung vorbringen, daß am Bieberer Berg, dem Traditionsstadion der Kickers das einzige Kriegerdenkmal von 1914 in einem deutschen Stadion stehe. Heribert Bruchhagen faßte den Unterschied zwischen den damaligen Spielern, die für Pfennige spielten, und den heutigen, die von ihrem Spiel leben müssen und zwar die meisten ein Leben lang, weil sie anderes gar nicht gelernt haben, zusammen: „Seien Sie nicht eifersüchtig auf die Millionen-Gagen, die heutzutage gezahlt werden. Sie haben etwas geschafft, was durch nichts zu ersetzen war: sie waren für viele Generationen Vorbild.“
Was hinzukommt, und darauf gingen sowohl Bruchhagen wie Klinke dezidierter ein, waren die internationalen Folgen, die die Meisterschaft mit sich brachte. Nach der gewonnenen Weltmeisterschaft 1954 in Berlin waren es die Spiele zur Finalauswahl der Europameisterschaft der Eintracht Frankfurt gegen Glasgow – 6:1 in Frankfurt und 3:6 in Glasgow – sowie die Niederlage im Endspiel gegen Madrid von 3:7, die erstmals eine bundesdeutsche Mannschaft in solche europäische Höhen brachte. Dazu paßte dann der Abschluß durch die Mainzer Hofsänger mit „So ein Tag so wunderschön wie heute, so ein Tag der dürfte nie vergehen“. Wir allerdings hätten dem Männerclub geraten für die kommenden Spiele von Offenbach und Eintracht das einigende Band auch musikalisch vorzubringen: „Erbarme, die Hesse komme”¦“