Frieden, Krieg und der «Green (New) Deal»

Washington Monument
Washington Monument in der Hauptstadt der VSA. Das Denkmal wurde zu Ehren des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (VSA), George Washington, errichtet. Quelle Pixabay

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das zu Ende gehende Jahr 2019 war kein Jahr des Friedens. Im Gegenteil, die Zeichen für zunehmende Spannungen zwischen den großen Mächten USA, Russland und China waren unübersehbar. Maßgebliche Kräfte in der nach 1990 für ein gutes Jahrzehnt «einzigen Weltmacht» und ihrer Verbündeten tun sich außerordentlich schwer damit, dass sich die Welt in den letzten paar Jahren stark verändert hat und die Vorherrschaft des «Westens» nicht mehr akzeptiert wird.(1)

Auch die Europäische Union und die Regierungen fast aller ihrer Mitgliedsstaaten befinden sich auf Konfrontationskurs mit Russland und mehr und mehr auch mit China. Das transatlantische Bindeglied ist die Nato. Deren aktuelle Beschlüsse beim 70-Jahres-Treffen in London zu Russland und China sprechen Bände. Wenn der russische Sender „RT Deutsch“ am 19. Dezember 2019 schreibt: «Russischer Generalstab: Nato bereitet zielbewusst großen Militärkonflikt vor», dann ist dies leider keine russische Verschwörungstheorie, sondern solche Analysen passen zu einer noch vor Jahren nicht für möglich gehaltenen Schlagzeile der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 20. Dezember 2019: «Manchmal muss man Krieg führen». Der Artikel fordert mehr Bereitschaft der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten – insbesondere Deutschlands – zu Kriegseinsätzen in aller Welt.

Warum läuten die Alarmglocken nicht?

Umso erstaunlicher ist es, dass solche Artikel kaum irgendwo in den USA oder in der EU die Alarmglocken läuten lassen. Die öffentliche Aufmerksamkeit wird in den Staaten des «Westens» für diese die gesamte Menschheit bedrohende Situation – man denke nur an die alles zerstörenden Folgen eines Krieges mit Massenvernichtungswaffen – weggeführt, und fast nur noch ein Thema – medial täglich präsent – steht im Rampenlicht: eine vermeintlich kurz bevorstehende Klimakatastrophe und die Forderungen nach einer weltweiten und radikalen, alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch politischen Bereiche erfassenden Wende, für welche die drei Wörter «Green New Deal» beziehungsweise in der EU die zwei Wörter «Green Deal» stehen.

Gewisse Linke und Neoliberale ziehen erneut an einem Strick

Wie schon einmal vor 25 Jahren beim Thema Globalisierung treffen sich erneut links stehende Internationalisten, die zum Thema Klima – wie Naomi Klein in ihrem Buch «Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann» – eine radikale kapitalismuskritische Analyse formulieren, mit neoliberalen Internationalisten wie der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der deutschen CDU, die genauso wie die Linke Naomi Klein schreibt: «Die Menschheit steht vor einer existentiellen Bedrohung.» Auch von der Leyens «Green Deal» soll «ein Beitrag zu einer besseren Welt» sein. Aber anders als Klein schreibt sie auch: «Der ‹Green Deal› ist Europas neue Wachstumsstrategie. […] Er wird eine treibende Kraft für neue wirtschaftliche Chancen sein.» («St. Galler Tagblatt» vom 14. Dezember 2019)

Was ist wahrscheinlicher: ein Weltuntergang durch eine Klimakatastrophe oder ein Weltuntergang durch einen Atomkrieg? Was wäre, wenn die zuletzt genannte Katastrophe wahrscheinlicher ist? Wäre es dann noch zu verstehen, warum alle Aufmerksamkeit von der wahrscheinlicheren Kriegs-Katastrophe ab- und zur weniger wahrscheinlichen Klima-Katastrophe hingelenkt wird?

Versuche einer desolaten Hegemonialmacht

Vielleicht gibt es eine nachvollziehbare Antwort auf diese Frage. Zum Beispiel, dass von den Kriegsvorbereitungen abgelenkt werden soll. Vielleicht ist die Rede von der bevorstehenden Klimakatastrophe und der Unausweichlichkeit eines «Green New Deal» aber auch der Versuch maßgeblicher Kräfte einer in große Schwierigkeiten geratenen ehemaligen Hegemonialmacht und ihrer Verbündeten, ihre wirtschaftliche und politische Hegemonie ohne einen auch selbstzerstörerischen großen Krieg wiederherzustellen. Um eine wirtschaftlich desolate Situation zu überwinden, wurden in der Vergangenheit viele Angriffskriege geführt. Die Kriegsführer versprachen reiche Beute. Oder wichtige geostrategische Ausgangspositionen für spätere reiche Beute. Oder die Ausschaltung wirtschaftlicher Konkurrenten. In den vergangenen Jahrzehnten ging es zum Beispiel oft um Rohstoffe und Zugangswege zu ihnen. Auch heutige Kriegstrommeln richten sich gegen wirtschaftliche Konkurrenten. Die Beziehungen zwischen den USA und China sind ein Beispiel dafür. Aber wäre es in Anbetracht eines drohenden Atomkrieges nicht besser, seine Ziele ohne den großen Krieg zu erreichen?

Ein erfolgversprechendes Programm?

Der Plan für einen «Green New Deal» erfüllt mehrere Merkmale eines – auf den ersten Blick – umfassend erfolgversprechenden Programms dafür. Da ist die hochmotivierende Leitidee von der Rettung der Welt. Da ist die Vision von einer viel besseren Welt, die allem gerecht werden soll: sozialen Anliegen, wirtschaftlicher Entwicklung und dem Schutz der natürlichen Umwelt – «nachhaltig» sagt man. Und da ist ein Politikbereich, für den ein entschlossenes Handeln und mehr politische Macht jenseits nationalstaatlicher Grenzen und Souveränität gefordert werden kann. Da ist aber auch die Aussicht auf Investitionen und damit auf Umsätze und Erträge in Billionenhöhe. Eine weltweit zirkulierende Buchgeldmenge unvorstellbaren Ausmaßes in den Händen von nur wenigen sucht nach Ankerplätzen jenseits der bisherigen Blasen. Denn diese werden wohl sehr bald platzen. Warum es nicht mit einer neuen, der «Green New Deal»-Blase versuchen, wo doch alle die Zukunft genau darin sehen – oder besser: sehen sollen? Im September 2019 hat sich eine Gruppe von 515 Finanzinvestoren mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt und verkündet, sie würde mit einem Investitionsvolumen von 35 Billionen US-Dollar für Investitionen in eine «grüne» Wirtschaft bereitstehen.(2)

Was ist der Preis dafür? … Und welche Alternativen gibt es?

Was wäre der Preis dafür? Darüber wird noch zu wenig diskutiert: über den Preis für die Wirtschaftsordnung, für die Freiheit, für Zusammenleben und Zusammenhalt, für Rechtsstaat und Demokratie. Wer soll es bezahlen, wenn soziale Abfederung für alle versprochen wird, die ihre angestammten Arbeitsplätze verlieren werden? Welche wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen wird es haben, wenn im Eilzugtempo die Wirtschaftsstruktur eines Landes total umgekrempelt wird? Weitere ernstzunehmende Fragen schließen sich an.

Und wenn der «Green New Deal» wirklich mit der Absicht verbunden sein sollte, noch einmal den großen Krieg zu vermeiden – warum nicht den viel einfacheren Weg gehen: erkennen, dass es am besten für alle Menschen wäre, sich mit dem vermeintlichen Konkurrenten um Macht und Reichtum an einen Tisch zu setzen, einen ehrlichen Dialog zu beginnen, sich zu verständigen und ein gleichberechtigtes Miteinander aufzubauen, so dass alle Menschen ein würdiges Leben führen können? Damit es mehr wird als eine Waffenruhe mit ungebrochenem Machtanspruch! Mehr als nur die Vorbereitung auf immer wieder neue Kriege! Etwas anderes als das beständige Streben nach Überlegenheit!

Anmerkungen:

(1) hierzu aktuell: Mahbubani, Kishore. Has the West Lost It? Penguin Books 2019

(2) theinvestoragenda.org

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Karl-Jürgen Müller
Karl-Jürgen Müller ist Lehrer in Deutschland. Er unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Er lebt in der Schweizerischen Eidgenossenschaft und schätzt die direkte Demokratie und politische Kultur in der Schweiz sehr.