Freiübungen mit Rameau – Mitwirkende des Education-Programms der Berliner Philharmoniker und Zuschauer vom Rhythmus gepackt

Statue de Jean-Philippe Rameau í  Dijon prise le 12-2-2005

Es war nur eine Frage der Zeit, dass auch die Berliner Philharmoniker in Rameaus Musik das Potential für ihr Education-Programm erkannten. (Das »Lehr- und Lern-Programm« ist ein medienträchtiges Sponsoring der Deutschen Bank, in dessen Glanz sich Herr Ackermann gerne sonnt und das es den Berliner Philharmonikern erlaubt, alljährlich phantasievolle Programme und kreativen Projekte für ausgewählte Kinder aller Altersgruppen zu entwickeln, ohne den Pfennig rumdrehen zu müssen.) Die Dirigentin (Emanuelle Haim) und die Choreographin (Vivienne Newport) sowie ein Motto waren bald gefunden. Eine fetzige Idee leider nicht. Doch in »Launen der Natur« lässt sich alles unterzubringen: was sich in Rameaus Partituren findet und was man hinein geheimnissen will.

Wie gewohnt mit dabei 150 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren aus 4 Berliner Schulen, die Mitglieder dreier Amateurtanzgruppen sowie etliche Alibi-Senioren, von denen sich einige auch als Kulissenschieber bewährten. Sie zeigten am vergangenen Wochenende auf der weitläufigen, schwarz drapierten Tanzfläche in der Treptower Arena, was sie in den Probestunden, im Fitneßsstudio oder vom Kumpel auf der Straße gelernt haben. Vom coolen Rhythmus der jahrhundertealten Musik waren die meisten sichtlich mitgerissen. Der ist ihnen nicht fremd, weil Jazz und Reggae ähnlich, und animiert zu wilden Läufen quer über die Bühne, zu raumgreifenden Sprüngen und tollkühnen Verrenkungen. Und wenn so die Beziehungen zwischen Menschheit und Elementargewalten ausgedrückt werden können oder sollen, Donner und Blitz, Zephirklang oder Blütenzauber – bittesehr. Zumindest die Education-Experten haben sich dabei etwas gedacht. Für die Zuschauer wäre ein roter Faden wie in früheren Programmen hilfreich gewesen. Dennoch fühlten sich viele vom Rhythmus gepackt. Zudem waren die meisten der Besucher (am Sonnabend waren es 2800) der »eigenen« Kinder, Enkel, Schüler, Freunde wegen gekommen. So dankte das Publikum den Künstlern ohne geschmäcklerische Voreingenommenhit mit langanhaltendem Beifall.

Der galt zweifelsohne allen Beteiligten auf, vor und hinter der Bühne, besonders aber der »Madame Dynamit« – Emanuelle Haim -, die mit vollem Körpereinsatz Philharmoniker und Tänzer vorantrieb. Die Spitzenleistung des Abends aber ist Rainer Seegers, Solo-Pauker der Berliner Philharmoniker, Susann Seegers, Flötistin und Musikpädagogin sowie Catherine Milleken, Leiterin des Edukation-Programms zu verdanken. Sie haben den 20 Mädchen und Jungen von Berliner Musikschulen geholfen, sich kleine musikalische Episoden auszudenken und mit unüblichem Instrumentarium umzusetzen. In interessanten Workshops und in Seegers »Werkstatt« erkundeten die Schüler in spielerischer Manier die Klangmöglichkeiten ihrer Trommeln, Tamtams und Tamburins, der Rasseln und Regenstäbe, Donnerröhren, Heulschläuche (Whirlies) und Vogelpfeifen. Die originellen »Zwischenspiele« der »Schlagzeuger« und des Flötenensembles nahmen einen eigenständigen Platz im Repertoire des Abends ein und erstaunten und begeisterten das Publikum gleichermaßen.

Dennoch: Was nach langer Planung in vierwöchiger Vorbereitungszeit an zwei Abenden auf die Bretter gestellt wurde, kann die gewohnt hochgeschraubten Erwartungen an die Berliner Philharmoniker nicht ganz erfüllen. Und jetzt kommt das Fazit, das immer kommen muss: Für die Kinder, die mitmachen dürfen, erfüllt sich ein Traum, gibt es Anregungen und möglicherweise Richtungszeiger auf dem Lebensweg. Die Masse der Kinder und Jugendlichen bleibt außen vor. Mit Frau von der Leyens Almosen können sie eventuell eine einzige Stunde Musikunterricht bezahlen. Vorausgesetzt, sie finden einen Musiklehrer.

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