Es geht um unsere Würde – Grundsätzliches zur Börse und zur Kriegsvorbereitung

Wall Street in New York.
Die Wall Street in New York. Quelle: Pixabay

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die starken Kursrückgänge an der New Yorker Börse und im Gefolge auch an anderen wichtigen Wertpapierhäusern der Welt haben zu Spekulationen Anlass gegeben. Bis hinein in den Mainstream wurde diskutiert, ob sich nun der prophezeite «Crash» abzeichnet.

Jetzt schon eine Antwort auf diese Frage zu geben ist wohl nicht möglich. Indes wird deutlich, was eigentlich alle wissen: Die Spekulation mit fremdem Geld und die all dies ermöglichende Politik des billigen Geldes durch die Zentralbanken (und Regierungen) haben eine gewaltige Wertpapier-Blase entstehen lassen, die nichts mehr mit der Wirklichkeit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Unternehmen zu tun hat, dafür aber «die Reichen immer reicher» macht. Das kann nicht gut gehen. Diese Krähen hacken sich sehr wohl auch gegenseitig die Augen aus. Aber schon 1929 und 2008 traf es vor allem Millionen von Unschuldigen in der ganzen Welt. Andere wiederum haben die «Crashs» bewusst herbeigeführt, davon profitiert und weitergehende Pläne gehabt. Darüber gibt es sogar einen spannenden deutschen Spielfilm aus den 60er Jahren: «Der Schwarze Freitag».

Ein Bild aus der Mathematik

Im Studium der Mathematik gibt es ein anschauliches Bild für den Unterschied zwischen reellen und komplexen Zahlen. Die reellen Zahlen sind verstreute Punkte auf einem Blatt, die für den Betrachter zusammenhangslos wirken. Sieht man aber die Punkte für die reellen Zahlen auf den Linien der komplexen Zahlen (deren Teilmenge jene sind), so zeigt sich, dass die reellen Zahlen Punkte eines Bildes sind, das klare Konturen hat. Ähnlich kann es einem heute vorkommen, wenn man die vielen kruden Ereignisse nur einzeln betrachtet. Auf den ersten Blick ist es wie ein Wirrwarr. Viele Schlagzeilen ergeben keinen Sinnzusammenhang, sie erzeugen eher Ohnmachtsgefühle. Wie sieht das Gesamtbild aus?

Kriegspropaganda des britischen Generalstabschefs

Am 5. Februar 2018 veröffentlichten die deutschen Nachdenkseiten die deutsche Übersetzung von Auszügen aus einer Rede des britischen Generalstabschefs General Sir Nicholas Carter, die dieser am 22. Januar beim britischen Royal United Services Institute gehalten hat. Der britische Generalstabschef unterstellt der heutigen russischen Führung, ähnlich wie die Russen vor dem Ersten Weltkrieg oder die Japaner vor 1941 zu denken und zu handeln, also einen Angriffskrieg vorzubereiten – weil man sich im Niedergang befände und nur im Krieg eine «Lösung» sähe.

Zu solch einem Krieg könne es früher als erwartet kommen. Der russische Angriff werde aber anders erfolgen als bislang gedacht: «Es beginnt mit etwas, was wir nicht erwarten.» Wie schon George F. Kennan 1946 in seiner berühmt gewordenen offiziellen Begründung für die US-amerikanische «Containment-Politik», findet auch der britische Generalstabschef heute wieder, man könne Russland trotz allem sehr wohl stoppen. Aufgabe der Nato sei es, «die Schwächen Russlands [zu] erkennen und dann asymmetrisch dagegen vorzugehen.»

Dazu müssten in den Nachbarstaaten(!) Russlands «echte institutionelle Kapazitäten» geschaffen werden, damit diese «die Kraft und das Vertrauen haben, sich gegen Russland zu behaupten». Dann sollte der Westen «die Energieabhängigkeit von Russland weiter verringern». Die russische Bevölkerung solle darüber «informiert» werden, «was wirklich vor sich geht», und zugleich sollen die Nato-Staaten in die Lage kommen, «unsere eigenen Anfälligkeiten für bösartigen[!] russischen Einfluss und Desinformation zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu verringern». Selbstverständlich sollten auch Nato-Bodentruppen in den Nachbarländern Russlands stationiert werden: «[…] ein Infanteriezug [sei] eine Staffel von F-16-Mehrkampf-Flugzeugen wert […], wenn es um Einsatzbereitschaft geht». Und so weiter und so fort.

So also redet heute der britische Generalstabschef: ganz konkrete Kriegspropaganda mit der bekannten Opfer-Rhetorik – wie bei Projektionen. Das war schon im Kalten Krieg so. So hat man den Mord an Millionen von Koreanern und Millionen von Vietnamesen gerechtfertigt, die politische, wirtschaftliche und kriegerische Kolonialisierung des Nahen Ostens sowie des afrikanischen und des südamerikanischen Kontinents – und den Vasallenstatus der Staaten Europas.

Kriegsbereitschaft der neuen deutschen Regierung?

CDU, CSU und SPD haben ihre Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Alles ist in den Medien sehr spannend dargestellt worden. Man hat viel über die strittigen Themen geschrieben und gesprochen. Ein Thema war kaum eine Zeile wert: die Außenpolitik der kommenden deutschen Regierung. Offensichtlich gab es da keinen Diskussionsbedarf, sie soll wohl auch in den kommenden Jahren «alternativlos» sein. Wir wissen, was damit gemeint ist: keine Friedenspolitik, keine Entspannung in den Beziehungen zu Russland, statt dessen Gefolgschaft oder dabei sogar eine Vorreiterrolle in der weiteren Zuspitzung der Konfrontation. Die Menschen sollen nicht zum Nachdenken kommen. Man muss sie einschläfern oder außer Atem halten.

Die Migrationsfrage ist ein Thema, das sich gut dafür eignet. Diese Frage absorbiert die Menschen, polarisiert und spaltet das Land. Schon werden erneut die Deutschen im Westen und Osten des Landes gegeneinander ausgespielt. Deutsche im Osten wehren sich mit sehr guten Argumenten dagegen, wie mit ihnen umgegangen wird und welche Stempel ihnen aufgedrückt werden sollen. Es gibt ganz ausgezeichnete Beiträge dazu, bis hinein in den Mainstream. So in der «Neuen Zürcher Zeitung» am 31. Januar 2018: «Der Tag, an dem ich Ostdeutscher wurde».

Menschenwürde statt «Public Relation» und «Change Management»

«Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.» … Wie weit hat sich der deutsche Staat schon von diesen beiden Kernsätzen der deutschen Verfassung entfernt? Und wie sieht es in den anderen Nato-Staaten aus? «The Century of the Self» ist eine fast vierstündige Film-Dokumentation der BBC aus dem Jahre 2002. Der Film

dokumentiert, wie die «Eliten» der USA (und nicht nur dort) über uns Bürger gedacht und dann auch gehandelt haben: Wir wären keineswegs vernünftig und mitmenschlich, sondern triebhaft und aggressiv … und wenn wir viele sind, dann würden wir sehr schnell zu einer unberechenbaren und gemeingefährlichen «Masse» … aber nur, so lange wir ohne Steuerung und Kontrolle von oben unser Leben leben.

Deshalb brauche es die «Eliten», die uns nun schon seit 100 Jahren mit Hilfe verschiedener Manipulationstechniken («Public Relation», «Change Management» usw.) genau dahin führen, wo uns diese «Eliten» haben wollen – und wir sollen glauben, dass auch wir es genauso wollten. Selbst bei Wikipedia ist nachzulesen: «The Century of the Self ist eine preisgekrönte britische Dokumentation von Adam Curtis. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welchen Einfluss die Arbeiten von Sigmund Freud, Anna Freud und Edward Bernays auf die Verhaltensweise von Unternehmen und Regierungen hatten, mit Menschen umzugehen, sie zu analysieren und zu kontrollieren.»

In einem Kommentar zum deutschen Grundgesetz heißt es hingegen: «Die Personenwürde besteht darin, dass der Mensch als geistig-sittliches Wesen darauf angelegt ist, in Freiheit und Selbstbewusstsein sich selbst zu bestimmen und in der Umwelt auszuwirken. Würde des Menschen ist der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt.»

Wenn das wirklich gelebt wird, dann hat die Börse ausgedient, kann die Kriegspolitik überwunden werden und müssen alle «Eliten» auf den Boden zurück: als Mensch unter Menschen, «frei und gleich an Rechten und Würde geboren».

Vorheriger ArtikelNach Wien nun auch in Frankfurt: Rubens – was den Künstler inspirierte
Nächster ArtikelSchmückend ohne Schmonzes – Serie: Der DS 7 Crossback (Teil 1/2)
Karl-Jürgen Müller
Karl-Jürgen Müller ist Lehrer in Deutschland. Er unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Er lebt in der Schweizerischen Eidgenossenschaft und schätzt die direkte Demokratie und politische Kultur in der Schweiz sehr.