Nach einem Aufruf des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan sind die ersten Kämpfer aus dem Nordirak freiwillig zurückgekehrt. Mit dem Schritt wolle die PKK testen, ob die türkische Regierung unter Ministerpräsident Erdogan zu einer friedlichen Lösung des fast 30 Jahre dauernden Konflikts tatsächlich bereit ist. Seit Monaten signalisiert Ankara, dass die kurdische Volksgruppe mehr Rechte erhalten soll. „Wir können nicht bis Ende des Jahres warten. Wir müssen in diesem Prozess mit dem beginnen, was jetzt schon umsetzbar ist“, hatte Erdogan kürzlich gesagt. Allerdings lehnte er eine direkte Zusammenarbeit mit Öcalan und seiner PKK kategorisch ab. In dem Konflikt zwischen der PKK und der Türkei sind nach offiziellen Angaben aus Ankara bisher etwa 35 000 Menschen ums Leben gekommen.
Öcalan hatte dazu aufgerufen, so genannte Friedengruppen in die Türkei zu schicken und hatte im August der türkischen Regierung einen eigenen Friedensplan unterbreitet. Die Kurden stellen mit bis zu 15 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit in der Türkei dar. Sie kämpfen für mehr autonome Rechte wie etwa die Anerkennung ihrer eigenen Sprache.
Aus der 34-köpfigen Gruppe der Rückkehrer sollten 5 verhaftet werden. In einer am Grenzübergang aufgestellten Baracke, in der ein Richter aus Silopi, 5 Staats- und 30 Rechtsanwälte ihrer Arbeit nachkommen wollten, begannen die Streitereien um die Verhaftung der 5 Rebellen. Doch nach einigen Telefongesprächen zwischen Habur und Ankara wurde entschieden, dass auch diese fünf auf freiem Fuss bleiben würden. Insgesamt bestand die Gruppe aus acht PKK-Kämpfern und 26 Einwohnern eines von den Vereinten Nationen betreuten Kurdenlagers im Nordirak, davon vier Kindern. Empfangen wurden sie von der wartenden Menschenmenge mit Transparenten, auf denen zu lesen war: „Ein herzliches Willkommen für unsere Friedens-Botschafter“.
Die Rebellen wurden in einem Wahlkampfbus der Kurdenpartei DTP, in dem auch die Parteivorsitzende Emine Ayna saß, in ihre Heimatdörfer gebracht. Allerdings gab es dann ein Problem für die zugelassenen Journalisten. Diese saßen 2 Tage am Grenzübergang in Habur fest, da sie ebenfalls aus dem Irak wieder in die Türkei einreisen wollten. Warum für sie der Grenzübergang nicht geöffnet wurde, ist bisher nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, dass der verantwortliche Beamte inzwischen von seinem Posten entlassen wurde. Essen besorgte den Journalisten übrigens der Fahrer, der in den Läden nahe des Grenzübergangs das Nötigste einkaufen durfte.
Die Kurdenfrage spaltet die Nation
Die Kurdenfrage spaltet die Türkei, denn Öcalan fordert eine Anerkennung der kurdischen Nation in der türkischen Verfassung, muttersprachlichen Unterricht an staatlichen türkischen Schulen und ein eigenes Parlament sowie eine kurdische Ortspolizei. Seine Forderungen sind aber nicht erfüllbar ohne eine Änderung der Verfassung, wofür die Regierung jedoch keine Mehrheit hat. Sollte auch nur der leiseste Verdacht eines Kompromisses mit dem bei den meisten Türken verhassten Öcalan aufkommen, stünde die Lösung des Kurdenproblems auf dem Spiel. Andererseits steht die PKK unter großem Druck, eine einigermaßen und für jede Seite akzeptable Lösung zu finden. Weil die Regierung ihnen inzwischen große Schritte entgegen kommt, verliert ihr Guerillakrieg immer mehr die Unterstützung im Volk. Außerdem haben die stark verbesserten Beziehungen der Türkei mit Armenien laut Medienberichten dazu geführt, dass die PKK von dort nicht mehr mit Waffen und logistischer Hilfe unterstützt wird.
Während einer Parteiversammlung konnte sich der Vorsitzende der Volkspartei (MHP) Devlet Bahceli eine Polemik nicht verkneifen: „Hier wurde nicht die PKK der Türkei übergeben, sondern die Türkei der PKK“, sagte er.