Erleichterung an der Alten Försterei – 1. FC Union Berlin – SC Paderborn 3:0

Quiring schießt zum 2:0 ein und dreht zur Jubelarie ab. © WELTEXPRESS, Fotos: Hajo Obuchoff

Das 3:0 gegen Paderborn ließ gewiss einige Wackersteine von den Seelen der Eisernen um und auf dem Rasen fallen. Schließlich stand bisher lediglich ein Punkt nach den ersten zwei Saisonspielen in der zweiten Bundesliga auf dem Konto und aus dem Pokalspiel gegen Essen waren die Kicker aus Berlins Südosten auch ruhmlos gegen den Regionalligisten Essen ausgeschieden. Kein Wunder, dass die Zuschauer im Stadion an der Alten Försterei unzufrieden waren.

Trotzdem herrschte eine gute Stimmung unter den knapp 14 000 Zuschauern am Freitag Abend. Vor allem als es bereits fünf Minuten nach Spielbeginn 1:0 stand. Nach einem Eckball von Torsten Mattuschka war der lange Christian Stuff in den 5-Meterraum gesprungen und jagte den Ball mit seinem Kopf wuchtig in den Dreiangel des Paderborner Tores. Lukas Kruse, der Hüter desselben kam zwar mit der Hand noch an das Spielgerät, konnte indes seinen Weg ins Netz nicht verhindern. Später sollte Unions Trainer Uwe Neuhaus dazu sagen: „Wir haben genau zum richtigen Zeitpunkt die Führung erzielt. Das war für die Gemütsverfassung der Spieler ganz wichtig.“

Die Paderborner fanden eigentlich nur auf der Gästetribüne statt. Vielleicht vierhundert Unentwegte aus der ostwestfälischen Stadt des Heiligen Liborius waren augenscheinlich immer noch im Rausche des Libori-Festes, das in Paderborn jedes Jahr in der letzten Juliwoche den Knochen des spätantiken Bischofs gewidmet ist. Vielleicht litten auch die Spieler von Trainer Roger Schmidt noch an  den Spätfolgen des Volksfestes. Auf jeden Fall fehlte ihnen jene Frische, mit der sie sowohl in Rostock gewannen und einen Punkt gegen Düsseldorf geholt hatten. Und schon gar nichts war von der Torgefährlichkeit zu spüren, mit der die Kicker aus dem Quellgebiet der Pader im Pokal Rot-Weiß Ahlen  mit 10:0 abfertigten.

An der Alten Försterei sahen sie den gegnerischen Strafraum meist nur aus der Distanz. Das war gewiss ganz im Sinne von Kilian Pruschke. Dem 18-jährigen Torhüter aus der Nachwuchsmannschaft Unions hatte sich unverhofft die Chance für den Auftritt in der Profimannschaft eröffnet, weil die beiden Stammkeeper Marcel Höttecke und Jan Glinker verletzt unter den Zuschauern sitzen mussten. Der mit 1,81 Metern Körpergröße relativ kleine Ersatz gilt zwar als sehr athletischer und technisch versierter Torwart, aber niemand wusste genau, wie er sich vor vollen Tribünen in einem Zweitligaspiel bewähren würde. Vielleicht war diese Ungewissheit auch einer der Gründe, dass sich die Abwehrspieler von Union im Gegensatz zu den bisherigen Saisonauftritten ausgesprochen aggressiv und standsicher zeigten. Jedenfalls ließen sie dem Gegner kaum eine Gelegenheit, Pruschke ernsthaft zu prüfen. Abgesehen von einer Szene in der siebten Minuten, als der Neuling sehr gut gegen den durchgebrochenen Sören Gonther hielt. Der aber hatte im Abseits gestanden, so dass die Szene abgepfiffen wurde. Trotzdem dürfte diese Parade Pruschke viel Sicherheit gegeben haben. Jedenfalls deutete kaum etwas auf irgendein Nervenflattern des Debütanten hin, wenn man einmal davon absieht, dass seine Abschläge durchaus noch verbesserungswürdig sind.

Aber wie gesagt, das Spiel fand meist weit vor Pruschkes Kasten statt. Die Eisernen, angetrieben von Markus Karl und Torsten Mattuschka, wirbelten vor allem mit dem ballgewandten Silvio und dem spritzigen Christopher Quiring die Paderborner Reihen durcheinander. Mit viel Extrabeifall wurde auch immer wieder Michael Parensen bedacht. Der im linken Mittelfeld agierende Wirbelwind hat sich lange schon durch seinen echten Unioner Kampfgeist, vor allem nach zahlreichen verletzungsbedingten Rückschlägen, die Herzen der Fans erobert. Als Parensen in der Anfangsphase von Mehmet Kara ziemlich rüde gefoult wurde, wurde der Paderborner vom Publikum zum Lieblings-Buh-Mann erkoren. Jede seiner Ballberührungen begleitete künftig ein Pfeifkonzert. So ist das eben an der Alten Försterei.

Zur Halbzeit wunderte sich wohl kaum einer nicht über die Führung  der Gastgeber, höchstens darüber, dass sie so knapp war. Kurz nach Beginn der zweiten Hälfte tauchten die Gäste einmal gefährlich vor Pruschkes Tor auf. Die Chance indes vergaben sie kläglich. Daraufhin ließen die Männer von Trainer Uwe Neuhaus dann keinen Zweifel aufkommen, wer hier das Sagen hat. In der 65. Minute schickte Christoph Menz seinen Vordermann Quiring mit einem herrlichen Pass Richtung gegnerisches Tor. Lukas Kruse kam entgegen, machte sich im Sprung so groß es ging – vergebens. Quiring schob den Ball ganz kühl unter ihm durch, ließ den Torhüter rechts an sich vorbeifliegen und schob die Kugel ins Netz.

Beinahe schien es als würde der kleine, erst 19 Jahre alte Torschütze von seinen Kollegen erdrückt. Das indes täuschte. Denn es war keine Minute vergangen, da stand Quiring  wieder  zur rechten Zeit am rechten Ort. Silvio hatte wieder einmal die Paderborner Abwehrrecken schwindlig gespielt und kam gut zum Schuss. Diesmal konnte Kruse noch mit dem Fuß abwehren. Der Ball aber rollte Quiring vor die Füße, so dass er wenig Mühe hatte, ihn ins Netz zu befördern. Das war die endgültige Entscheidung.

Der Jubel kannte kaum Grenzen auf den Rängen. Endlich ein Sieg. Vergessen die Unzufriedenheit der vergangenen Tage – so schnell kann das gehen. Ist eben Fußball. Es ist oft nur eine Kleinigkeit, eine hundertstel Sekunde oder ein Zentimeter, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Selbst bei der 0:4-Heimniederlage zwei Wochen zuvor gegen Fürth, hatte Union mehr Chancen als der Gast. Allerdings hatte der sie verwirklicht, während Union damals den Eindruck machte als könnten sie noch stundenlang weiterspielen ohne das Tor zu treffen. Aber gegen Fürth erlaubte sich die Abwehr eben auch Fehler, die sie am Freitag vermied. Vielleicht war es gerade auch das Pech mit den beiden Stammtorhütern, dass die Abwehr nun verpflichtete, so konzentriert zu agieren. Union-Trainer Neuhaus sah das ähnlich: „Die Grundlage des Sieges war die Präsenz in der Defensive.“ Und mit dem sich dazu gesellendem Torglück kam zusätzliche Sicherheit. In einer Woche wird Union beides wieder brauchen. Dann geht es zum heißen Ost-Derby nach Dresden.

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