Ein schwarzer Tag für die Elfenbeinküste – Insgesamt 22 Tote bei Anschlag auf mehrere Hotels – Auswirkungen auf den Tourismus?

Der Stand der Elfenbeinküste auf der ITB 2016 in Berlin. © Foto: Andreas Hagemoser
1990 änderte sich nicht nur in Deutschland eine Regierung. In der Elfenbeinküste wurden die langjährigen Machtverhältnisse beendet. Als durch den Verfall der Kakaopreise die Konflikte geschürt wurden, entstanden bürgerkriegsähnliche Zustände, die das Land nach der Jahrtausendwende zweiteilten. Seit 2005 wurde Rohöl statt Kaffee und Kakao zum wichtigsten Exportgut, von den großen Ölvorräten wird allerdings nur wenig gefördert. Nach dem Friedensvertrag von 2007 geht um Versöhnung und Wiedervereinigung. Die Wirtschaft erholt sich in diesen Friedenszeiten langsam. Der Staat ist ökonomisch der stärkste in Westafrika. Da Monokulturen den Einheimischen nur begrenzt nützen und langfristig sowieso keine Zukunft haben und der Ölpreis in den letzten Jahren sehr stark gefallen ist auf ein Zehnjahrestief Anfang diesen Jahres ist der Tourismus eine große Chance. Die ist auch dringend nötig, steht doch das Land beim Index für humane Entwicklung ganz unten.

Nach der Präsidentenwahl 2010 gab es wieder Tote und bis 2011 eine Million Flüchtlinge. Die Lage scheint jetzt stabil, aber der jetzige Präsident stellt sich Vorwürfen wegen Kriegsverbrechen nicht.

Nun gab es wieder Gewalt, die Menschenleben forderte: Bei einem Terroranschlag mit Schusswaffen auf drei Hotels im Badeort Grand-Bassam soll es über zwanzig Tote gegeben haben, darunter mindestens vier Europäer, so Polizeisprecher Bredou M’Bia laut dpa. Der Anschlag fand am frühen Nachmittag statt. Am Sonntag ist der Strand gut besucht. Frankreichs Präsident sprach von mindestens einem Franzosen unter den Opfern.
Grand-Bassam liegt östlich der alten Hauptstadt Abidjan, die bis heute Regierungssitz ist. Die Städte liegen am Golf von Guinea. Die ehemalige Kapitale schaut nach Süden auf eine Lagune; direkt am Meer ist der Universitätsbezirk und östlich davon der große internationale Flughafen, der noch zum Stadtgebiet zählt. Es ist einer von nur dreien des Landes, die allerdings alle nicht den internationalen Sicherheitsstandards entsprechen. Nach den Pleiten vieler afrikanischer Fluglinien im neuen Jahrtausend und dem Bürgerkrieg, der den Inlandsluftverkehr stoppte, gibt es auch hier viel Potential und Entwicklungsmöglichkeiten. Der Umwelt hilft es vielleicht und Grand-Bassam, das sich direkt östlich an den Flughafen Houphouet-Boigny anschließt, ist für Ausflügler vielleicht so attraktiver.

Grand-Bassam liegt malerisch an einer langen Lagune und am Fluss Comoé, der hier in den Golf von Guinea mündet. Eine Brücke führt vom Stadtteil Petit-Paris auf die Landzunge, die entfernte Ähnlichkeit mit einem winzigen Long Island hat. Dort liegen das Quartier „France“ und an der Flussmündung auf der Landspitze das Viertel Assoyam.

Eine Untergruppe von Al-Kaida soll sich zum Anschlag bekannt haben. Vermutlich war den Terroristen die „Dekadenz“ des Urlaubsortes ein Dorn im Auge. Vielleicht war es ein zusätzlicher Anreiz, in unmittelbarer Nähe von „Klein-Paris“ in „Frankreich“ zuzuschlagen. Wenn sie schon nicht wagten, in der Französischen Republik anzugreifen, dann doch wenigstens in „France“, dem Stadtteil von Grand-Bassam. Gestorben sind sie auch in „Frankreich“.
Dass gleich drei Hotels getroffen wurden, zeugt von Planung und Vorsatz. Im Schrecken verbreiten sind die Terroristen leider viel zu effektiv.

Touristen haben ein gutes Gedächtnis. In Tunesien, vor allem aber in Ägypten und auch in der Türkei sind immer wieder Menschen gestorben, auch Urlauber bei gezielten Angriffen. Diese Länder mit großen Volumenmärkten hatten Einbrüche in den Besucherzahlen von bis zu 40% zu verzeichnen, wie auf der ITB bekannt wurde. Die Türkei leidet wirtschaftlich darunter. Sorgte schon der Bürger- und Stellvertreterkrieg im Nachbarland Syrien nicht gerade für Vertrauen – die Provinz Hatay ist von Syrien umschlossen – sind die zwei Millionen Flüchtlinge nicht nur aus Syrien, die zur Zeit in der Türkei leben, für Mitteleuropäer kein Reisegrund.

Der ohne Not vom Zaun gebrochene Krieg Ankaras gegen die eigene kurdische Bevölkerung in einer Situation, in der die Kurden im Irak und in Syrien zu einem wertvollen Verbündeten Amerikas geworden waren, verkompliziert die Lage enorm und destabilisiert. Das NATO-Mitglied Türkei bekämpft Kurden. Das NATO-Mitglied und Weltmacht USA stützt Kurden. Eigentlich geht es gegen die PKK, doch hat diese in der Bevölkerung Rückhalt, so dass wie bei jedem Bürgerkrieg die Grenzlinien verschwimmen und immer wieder zivile Opfer zu beklagen sind. Innerhalb Syriens ist die Lage für die Welt sowieso schwer zu durchschauen, aber von außen sieht es immer mehr nach einem Jeder-gegen-jeden aus. Klare und vor allem verlässliche, dauerhafte Allianzen scheinen zu fehlen.

Die Türkei bewegt sich auf einem schmalen Grat. Sonntag Abend forderte ein Terroranschlag in der Hauptstadt Ankara 100 Tote, dem vorausgegangen war die Verhängung einer unbefristeten Ausgangssperre in zwei Kreisen im Südosten und laut Hürriyet die Verlegung von 80 Panzern Tage zuvor. In der Flüchtlingsfrage pokert ErdoÄŸan hoch und fordert dafür, dass wieder geordnete Verhältnisse herrschen, wie es jahrzehntelang normal war, viele Milliarden und möglichst einen EU-Beitritt. Dabei sind von internationalen Organisationen inzwischen Stimmen laut geworden, die die geplanten Abschiebungen für Unrecht halten. In den USA wird bald gewählt, ein Grund mehr für die ErdoÄŸan-Regierung, aufzutrumpfen? Innenpolitisch kehrt auch immer mehr Frost ein. Kein gutes Umfeld fürs Urlaubsglück, für die Zeit, in dem man sich von der Arbeit des Jahres erholen will.

Im Grand-Bassam waren laut Südwest-Presse aus Ulm drei Hotels betroffen, das „Étoile du Sud“ (Stern des Südens), „La Paillote“ und „Koral Beach“. 22 Menschen starben, 14 Zivilisten, zwei Soldaten und sechs Angreifer. Ein Angreifer soll sich am Sonntagabend noch Feuergefechte mit Sicherheitskräften geliefert haben. Da zwei Dutzend Schwerverletzte in ein Krankenhaus in Abidjan eingeliefert wurden, könnte sich die Opferzahl noch erhöhen.

Trotz vieler Indizien wollte sich Innenminister Hamed Bakayoko, die Nummer zwei im Kabinett nach Premierminister, Wirtschafts- und Finanzminister Daniel Duncan, nicht darauf festlegen, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt habe.

Präsident Assane Ouattara besuchte den Tatort und lobte die militärischen und Sicherheitskräfte, besonders die Spezialkräfte, die die sechs Angreifer „neutralisiert“ hätten. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus und versprach, alles für die 22 Verletzten zu tun. Die Situation sei wieder unter Kontrolle und man werde alles unternehmen, um die Sicherheit im ganzen Land zu verstärken.
Das „Koral Beach Annexe“ liegt an der Ecke von der parallel zum Strand verlaufenden Hauptstraße Route d’Azuretti und am Boulevard Gouverneur Angoulvant, die über die Brücke in das Stadtzentrum führt. Möglicherweise wollten die Todesschützen sich doch einen Fluchtweg offenhalten.
Das „Étoile du Sud“ ist ein Viersternehotel mit 42 Zimmern direkt am breiten, palmenbesäumten Strand.

Groß-Bassam hat immerhin 84.000 Einwohner und war vor 1960 in der Kolonialzeit Hauptstadt. 2012 ist sie in der UNESCO-Welterbe-Liste wegen der gut erhaltenen Architektur aus der französischen Zeit. Es gibt eine Kathedrale du Sacré-Couer, ein Keramikzentrum und das Musée National du Costume, Moscheen und Kirchen sowie ein Kino, das Cinema „Congo“ und mehr als zehn Hotels, die nicht von der sonntäglichen Gewalt betroffen waren.

Die Anschläge in der Elfenbeinküste machen viele Bemühungen um Fremdenverkehr kaputt. Was nützt es, wenn man sich als Ökotourismus-Destination profiliert, wenn die Reisenden sich als Zielscheibe fühlen? Entspannung und ständiges Auf-der-Hut-sein schließen sich aus.
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