Ein schöner Rücken kann auch entzücken – Am Arsch der Welt: Dian Hansons „The Big Butt Book“ im Taschen Verlag

„I like big butts and I can not lie

You other brothers can’t deny

That when a girl walks in with an itty bitty waist

And a round thing in your face

You get sprung“

(MC Hammer)

Zugegeben, der Leitbegriff eröffnet das „Big Butt Book“ nur phonetisch denn statt „butt“ führt das gleich klingende englische Wort für „aber“ das erste Kapitel an, und dies nur in der englischen Fassung des dreisprachig erscheinenden Hochglanzwerks. Manchmal muss man eben etwas schummeln, um einen optimalen Eindruck zu erzielen. Davon berichtet das Eröffnungskapitel, welches von der Venus Kallipygos der Antike, einer für ihren schönen Hintern verehrten Verkörperung der Liebesgöttin, bis zu den Gesäßoperationen der Gegenwart von der Verehrung des Hinterns erzählt. Da hat er schon über ein Dutzend ganzseitiger Abbildungen geziert, die achtzehn schwarz-weiß Fotos der Einbandinnenseiten nicht mitgezählt. So alt wie die Wertschätzung des Allerwertesten ist die Geschichte der Kunstgriffe, mittels derer besonders Frauen ihn tatsächlich oder dem Anschein nach formen wollen. Da vier Buchstaben nicht immer ausreichen, widmet Hanson sich von der sexuellen Praktik des Spanking über Po-Modells bis zum filmischen Oevre des bekennenden Hintern-Verehrers Tinto Brass allem, was nicht nur Pygomanen – so der Fachbegriff für Po-Fetischisten – glücklich macht. Eigene Kapitel kombinieren Selbstzeugnisse und Bilder des Akt-Modells „Buffie the Body“, ihrer Kolleginnen „Watermelon Woman“ und Coco sowie dem Comic-Künstler Robert Crumb zu unterhaltsamen, teils autobiografischen Intermezzi.

Über 400 Bildzeugnisse zeigen auf 372 Seiten erotische Motive von der Jahrhundertwende bis zur Gegenwart, von den Aktfotografien Ja Saudeks und Ellen von Unwerths bis zu den Schnappschüssen Elmer Batters. Gemeinsam ist den Aufnahmen der Körperteil im Fokus der Kamera, den Hanson mit den Augen einer Kennerin betrachtet. Die amerikanische Autorin war ein Vierteljahrhundert lang als Herausgeberin diverser Herrenmagazine tätig, bevor sie den Taschen-Verlag um ihre Serie Sexy Books bereicherte. Neben der großartigen „History of Men ´s Magazines“ umfasst die Reihe „The Big Book of Breasts“ und „The Big Book of Legs“. Sie erzählen anhand der titelgebenden Körperteile von der unterschiedlichen Fetischisierung des weiblichen Körpers. Galt in den Zwanzigern das Bein als Zentrum des erotisierten Blicks, verschob sich das Augenmerk in den folgenden Jahrzehnten auf eine üppige Oberweite, wie sie Jane Russel und Mamie Van Doren zur Schau trugen. Die Gegenwart ist für Hanson die Ära des Hintern. Rapper feiern ihn, String-Tangas umspielen ihn, Arschgeweihe krönen ihn. Diese Verehrung und Vermarktung betrachtet Hanson mit dem nötigen Humor und ironischer Distanz, ohne dabei tragische Fakten auszublenden. Zu letzten zählt die Biografie der Sarah Baartman, „Saartije“ genannt, die aufgrund einer Gesäßanomalie in Europa zur Schau gestellt wurde. Ebenso die Frauen, welche an Komplikationen missglückter Schönheitsoperationen starben.

Anders als es ein oberflächlicher Eindruck glauben machen könnten, stellt sich Hanson einem apodiktischen Schönheitsdiktat selbstbewusst entgegen. Die in ihrem Buch abgebildeten Hintern mögen frech, frivol, sexy oder sündig sein – makellos sind sie nicht. „The Big Book of Butts“ setzten mit einen Kontrapunkt zum geläufigen Schönheitsideal. Schlank sind die wenigsten der Modelle. Dafür spricht Robert Crump freimütig über seine Leidenschaft für füllige weibliche Formen und Porno-Regisseur Tinto Brass schwärmt von der Verführungskraft der in seinen Filmen favorisierten reifen Darstellerinnen. Hansons eindeutigen Bildbände präsentieren ihre frivolen Fotografien in dem für Taschen charakteristischen großzügigen Format. Erotisches und Egozentrisches, was auf alten Heft-Seiten zerknittert oder Photographien vergilbt, wird in ihren Hochglanzbänden für unzähliges Ansehen konserviert. Wie schon „The Big Book of Breasts“ und „The Big Book of Legs“ tritt „The Big Butt Book“ im neckischen Plastikgewand auf: der transparente Kunststoffumschlag mit aufgedrucktem Kleinen Schwarzen (Slip) verdeckt ein nacktes weibliches Gesäß züchtig – bis die letzte Hülle beim Öffnen des 372 Seiten starken Bandes fallen. Eine anregende Lektüre ist „The Big Butt Book“ nicht nur „For those who think the end is just the beginning“. Und am Ende des genüsslichen Blättern stellt sich die Frage, welchen weiblichen Körperteil Hansons nächster Bildband sich zu Inspiration und Inspektion vornimmt. Zwischen Beinen und Hintern ist noch ein wenig Terrain.

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Titel: The Big Butt Book

Herausgeberin: Dian Hanson

Verlag: Taschen

Jahr: 2010

Seiten: 372

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