Ein Mann wie Locke war zu verlockend – Auf Abwehrprobleme reagieren die Berliner Eisbären überraschend mit einer Stürmer-Verpflichtung

Screenshot der Website der Eisbären mit dem Abbild von Corey Locke (16.01.2013). © WELTEXPRESS

Nach gut zwei Drittel der 52-er-Spiele-Hauptrunde rangiert der Titelverteidiger auf Platz fünf. Weit enteilt und bis zum Ende der Normalrunde kaum einholbar sind die Adler Mannheim und die Kölner Haie. Von den letzten sechs DEL-Partien haben die Eisbären nur eine und das mühsam 3:2 gegen Augsburg gewinnen können. Und dann sind durch die Rückkehr der beiden Stars Daniel Briere und Claude Giroux in die nordamerikanische NHL zwei Ausländerlizenzen frei geworden.

Eine hat nun der 28-jährige Locke erhalten. Entgegen aller Erwartungen im Umfeld der Hauptstädter kein Defensivabräumer, sondern "ein kreativer Spielmacher mit vielen Qualitäten", wie Eisbären-Manager Peter John Lee die Qualitäten des neuen Kanadiers beschreibt.

Locke kam mit Frau, sechs Monate alter Tochter und seinem Hund direkt aus Turku. Dort hatte man dessen Vertrag nicht verlängert. "Weil die derzeit vier verletzte Verteidiger ersetzen müssen und so an Locke nicht so sehr interessiert waren." Jener war schon als Junior als Talent aufgefallen. Sammelte dann an vier Stationen unterhalb der NHL Erfahrungen und Erfolge. Glänzte als Passgeber und Torschütze, tat sich aber in der Arbeit nach hinten nicht sonderlich hervor. Ein knappes Dutzend Mal durfte er sogar in der NHL auflaufen, konnte sich aber da nicht durchsetzen. Auch weil er körperlich nicht gerade der Robusteste ist bei 1,78 m und 75 kg. Ein schmaler Bursche bei Gegnern mit 15 oder 20 kg Masse mehr auf den Rippen.

Nun haben die Eisbären aber seit Saisonbeginn fast durchweg Probleme in der Abschirmung des eigenen Tores. Hatten auch dank der Phase mit Briere und Giroux die meisten Treffer erzielt. Rangieren jedoch zugleich bei der Zahl der Gegentore im Hinterfeld des 14-er Feldes.

Cheftrainer Don Jackson, ein Mann mit ruhmreicher Verteidiger-Vergangenheit in der NHL, hat die offensichtlichen Defizite – mitverursacht durch langwierige Verletzungsausfälle von Nationalverteidiger Constantin Braun und des jungen Dominik Bielke – durch den Einsatz junger Kräfte vom Kooperationspartner FASS Berlin sowie die Umschulung von Julian Talbot vom Stürmer zum Defensivmann zu kompensieren versucht.

Doch die ständigen Wechsel auch in den Sturmreihen, der kurzfristige Einbau der Stürmer Briere und Giroux – all das hat nicht die Stabilität und die Erfolge gebracht, die das so wichtige Selbstvertrauen einer sportlichen Interessengemeinschaft wachsen lassen.

Das Personalpuzzle der Eisbären im Abwehrblock war zum Teil selbst verursacht, weil man mit Kapitän Richie Regehr einen der wertvollsten und besten Verteidiger vor der Saison nach Schweden hat weggehen lassen. Und der Abräumer-Typ Nick Angell überraschend seine Karriere als Profi aus beruflichen Gründen – anderer lukrativer Job – beendete.

Weil aber derzeit gute Abwehrspezialisten auf dem Markt absolute Mangelware sind, hat Lee die Chance nicht verpassen wollen, einen so guten Mann wie Locke in das Eisbären-Camp zu holen.

Von den Vorleistungen und Statistiken her, dürfte jener im Leistungsvermögen wohl zwischen den erwähnten Stars und den Saison-Neulingen Mark Katic (Defensive), Jamie Arniel und Matt Foy (beide Angreifer) liegen. Und was die Defensivprobleme des aktuellen Kaders angeht, da sagt der Eishockey-Lehrer in treuer Loyalität zum Manager: "Peter verpflichtet die Spieler, die er für gut hält, und ich versuche sie besser zu machen. Auch in der Verteidigung."

Und Locke, angesprochen, wie er seine Rolle als  offensivstarke Neuverpflichtung in einer Mannschaft mit bekannten Abwehrschwächen sieht, meinte: "Oh, natürlich weiß ich, dass Abwehr zu den Aufgaben eines Stürmers gehört. Und ich arbeite daran, da noch effektiver für mein Team zu werden."

Turku war seine erste Station als Profi außerhalb von Nordamerika. Und weil er sehr viel Gutes von der Organisation der Eisbären gehört hatte und Positives über Berlin, "war ich sehr froh über das Angebot der Eisbären."

Da bis zum 31. Januar aber noch etwas Zeit ist, will der Manager weiter Ausschau nach einem starken Verteidiger halten. Und was die Vorrunde angeht, da sagt Lee: "Wir werden darum kämpfen, auch wegen des Heimvorteils in der ersten Play-off-Runde unter die Top vier zu kommen. Und das die wechselhaften Leistungen unserer Mannschaft betrifft: Die Meisterschaft wird in den Play-offs entschieden. Da zählt nicht, wie gut oder wie schlecht man vorher ausgesehen hat."

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