Ein magischer Realist und seine Verstrickungen – zum detaillierten Katalog „Der Maler Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus“

Diese Worte könnten auch heute als Motto für den Umgang mit dem Maler Franz Radziwill (1895-1983) dienen; dennoch sind diese Zeilen einem Zeitungsartikel von 1931 entnommen. Der vorliegende Katalog vereint auf komplexe Weise die Diskussionen, Dokumente und das Werk eines umstrittenen Künstlers, ohne eigene Urteile zu Dogmen zu erheben. Franz Radziwill steht in seiner widersprüchlichen Biografie und Künstlerlaufbahn für viele Deutsche, die sich in den finsteren Jahren des Nationalsozialismus ambivalent verhielten.

„Franz Radziwill hat viele Facetten: Zunächst naiver Expressionist wird er fanatischer Realist, aus dem Überzeugten wird ein vom Zeitgeschehen Enttäuschter. Er ist kein äußerer, aber auch kein innerer Emigrant, mehr als ein Mitläufer, aber immer auch ein Eigenbrötler. Vor allem aber ist er einer, der selbst bestimmen wollte, was seine Kunst ist.“ Schreibt Brigit Neumann-Dietzsch in ihrem Kapitel „Franz Radziwill im Nationalsozialismus“. Auseinandersetzen musste er sich selbst mit diesem Kapitel seiner Geschichte, rückblickend war die Zeit des dritten Reiches eine produktive für ihn, Radziwill schuf ca. 170 Gemälde in diesen zwölf Jahren. Hier sei nur angeschnitten, wie sich die wechselvolle Biografie des Malers auf sein Werk auswirkte – als Ausdruck seiner wachsenden Enttäuschung über die Kultur des Hitler-Staates schuf der Maler 1938 ein Stillleben mit Fuchsien, das eine harmonische friesische Landschaft in einem Fensterausschnitt zeigt, im Vordergrund steht eine verblühende Fuchsie auf einem Tisch. Etwa fünfzig Abbildungen aus dem Oeuvre sind in diesen Katalog aufgenommen worden, jedem Bild steht ein analytischer Text bei, was diesen Teil des Bandes aufs Neue spannend und ereignisreich gestaltet. Auf die Farbgebung und überhöht realistische Malweise des Malers sei hier nur am Rande eingegangen. Der Himmel Radziwills ist entweder dunkel, bewölkt und angsteinflößend drückend oder aber hell und golden, beinahe durchsichtig. Mit Erscheinungen übersät. Da kreuzen Flugzeuge und Geister herum, irrlichtern Luftspiegelungen und Erscheinungen. Nicht ist eindeutig bei Radziwill, auf besonders ruhigen Landschaftsansichten lauern Kampfschiffe im Hintergrund oder brennt eine Stadt am Horizont. Der „Bombenangriff auf Wilhemshaven“ von 1941 ist ein solches Ölgemälde, nur 100 x 82 cm groß und von erschütternd apokalyptischer Farbigkeit. Hier kleidet das Höllenrot eines Hieronymus Bosch den Himmel, die Mondsichel leuchtet silbrig über schmutzig gelbem Schnee. Über allem schweben rote Leuchtkörper auf schwarzblauem Grund, erst spät bemerkt das verzückte Auge den Sinn der Illumination, es handelt sich um Bombermarkierungen”¦

Abgerundet wird der faszinierende Katalog durch eine Dokumentation von Originaldokumenten zum Leben des Malers, die neben Aussagen und Briefen auch Zeitungsartikel, Fotografien und Dokumente (Parteiausweis) enthält.

Fazit: Umfassender kann kaum angeregt werden, sich mit dem Werk eines viel zu wenig bekannten Malers auseinanderzusetzen, hervorragend!

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellungen Der Maler Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus, Franz Radziwill Haus, Dangast, 13.3.2011 – 15.01.2012/ Kunsthalle Wilhelmshaven (-Mai 2011).

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Der Maler Franz Radziwill in der Zeit des Nationalsozialismus, hrsg. von Birgit Neumann-Dietzsch und Viola Weigel, 167 S., Kerber ART, 2011, 35 €

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