Ein Lebensbogen zwischen Jäglack und Wacken – Arno Surminski wird 87

Arno Surminski. © Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Aufnahme: Stralsund, 26.4.2017

Berlin, Deutschland (Weltexpress). 20. August 1934: Im ostpreußischen Jäglack, Kreis Angerburg, freut sich das Schneidermeister-Ehepaar Surminski über die Geburt des Sohnes Arno. „Polen“ nennt Wikipedia als sein Geburtsland. Ein Blick auf die Karte des Freistaates Preußen von 1922 – 1939 korrigiert eindeutig diese Falschaussage: Jäglack, das heutige Jeglawki, liegt zu der Zeit zweifelsfrei in der Provinz Ostpreußen. Damit ist auch Arno Surminski kein Pole. Aber er hat aus dieser „Vereinnahmung“ keine Anklage gemacht, sondern sucht mit seinen inzwischen 32 literarischen Werken vielmehr die Versöhnung. Auch durchaus humorvoll. Selbst wenn er über die Flucht von Ostpreußen schreibt wie in seinem Debütroman „Jokehnen“, der 1974 erschien und 1987 verfilmt wurde und über 20 Auflagen erreichte.

Zur damaligen Zeit des Kalten Krieges wurde ihm unterstellt „politisch“ zu schreiben. Das habe er nie gemacht, sagt er, „aber so wurden meine Bücher betrachtet“. Ihm ging und geht es darum, „mit den Menschen, die heute dort leben, wo wir lebten, gut zusammenzuleben“. Dieser Satz könnte als Credo Surminskis über seinem Werk stehen. Gleichwohl wurde nicht nur ihm unterstellt: Wer über Ostpreußen schreibt, ist ein Revanchist, der ist verdächtig! So etwas kann nur sagen, wer Surminskis Bücher nicht gelesen hat Vertreibung ist für ihn „mehr als nur die Wegnahme von Grund und Boden“. Was ihm nahe gegangen ist, das war „das Töten auf der Flucht, die Deportationen der vielen Zivilisten wie seiner Eltern nach Sibirien, die Vergewaltigungen – die kommen gar nicht vor.“ Ihm hingegen habe die Vertreibung „das Leben gerettet, denn als nur elfjähriger Junge hätte ich den eisigen Winter 1945 wohl nicht überlebt“.

Seine Erzählungen und Romane drehen sich meistens um die ostpreußische Heimat – deswegen kann man ihn auch als Heimatschriftsteller im besten Sinne des Wortes bezeichnen – und das Schicksal der Vertriebenen und Flüchtlinge. Um es noch einmal zu betonen, es geht ihm nie um Rache, sondern um die Erinnerung an glückliche Kindertage. „Es war mir ein besonderes Anliegen, die beiden Generationen zu versöhnen, sie dahin zu bringen, dass sie sich besser verstehen“. So nachzulesen im „Ostpreußenblatt“ vom 30. Oktober 1999.

Während seine Eltern in die Sowjetunion verschleppt wurden und auch dort starben, schlug sich Arno nach Trittau in Schleswig-Holstein bei Hamburg durch. In seinem Roman „Kudenow“ (1978, verfilmt 1981) hat er Flucht und Nachkriegszeit aufgegriffen, lernte nach Schulabschluss in einem Anwaltsbüro und suchte sein Glück von 1956 bis 1957 als Holzfäller in Kanada. Diese abenteuerliche Zeit hielt er in seinem Roman „Fremdes Land oder Als die Freiheit noch zu haben war“ (1980, verfilmt) fest. Wieder zurück in Deutschland, arbeitete er von 1962 bis 1972 in der Rechtsabteilung einer Hamburger Versicherungsgesellschaft, seit 1982 neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch als freier Wirtschaftsfachjournalist.

Zwischen 1978 und 2015 wurde der mittlerweile letzte große Ostpreußen-Schriftsteller neun Mal mit Kultur- und Literaturpreisen ausgezeichnet, 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz.

Die Wochenenden verbringt er mit seiner Frau Traute, manchmal auch mit seinen drei Kindern und mehreren Enkeln, im schleswig-holsteinischen Wacken. „Da fühle ich mich an Ostpreußen erinnert“, lächelt er und greift zum Spaten, um wieder einen Baum auf seinem Waldgrundstück am Ortsrand zu pflanzen. Über 10.000 sind es inzwischen geworden, die das Surminski´sche Anwesen umgeben, darunter auch viele von Freunden und Bekannten. „Das ist mein persönlicher Beitrag zum Klimaschutz“, erklärt der Ex-Holzfäller seine wahrhaft grüne Leidenschaft.

Zurück in ihrem Haus in Hamburg-Barmbek, kann er sich wieder ganz seiner geliebten Schreibarbeit widmen, denn „meine Frau hält mir dafür den Rücken frei“. Sie findet ihn auch häufig im Keller, wo er in seinem riesigen Archiv nach neuen Stoffen stöbert, „denn die gehen mir noch lange nicht aus“, schmunzelt der Bestsellerautor. Dazu tragen auch viel „meine Leser bei, die mir Briefe schreiben und mich zu neuen Schreibideen anregen“.

Wir wünschen ihm eine stabile Gesundheit und ungebrochene Schaffenskraft für weitere literarische Surminskis!

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