Ein Friedhof zum Totlachen – Mit Humor dem Tod die Zähne zeigen

© Dr. Bernd Kregel

Gerade noch mitten im Leben und im nächsten Augenblick schon nicht mehr. So eng können Zeit und Ewigkeit beieinander liegen. Lapidar und ohne Umschweife berichtet die Grabinschrift: „Hier fiel Jakob Hosenknopf vom Hausdach in die Ewigkeit“. Eine andere, ähnlich kurz und in Tiroler Mundart: „Bruckle gonga, Bruckle brocha, obigfolla und versoffa“. Noch kürzer eine dritte über einen Obstpflücker: “Aufiggschtieg’n, obagfall’n, hin gwes’n“. Schließlich ereilte auch einen Bergwanderer sein unerwartetes Schicksal: „Der Weg in die Ewigkeit ist nicht weit. Um 4 Uhr ging er fort, um 10 Uhr war er dort“.

Es sind Nachrufe, die den dramatischen Unglücksfall auf den Punkt bringen. Und die zusätzlich mit einer einfachen aber ausdrucksstarken Illustration im Stil der Bauernmalerei die Fantasie des Friedhofsbesuchers in die richtigen Bahnen lenken. Kein nichtssagendes „Ruhe sanft“ in der Absicht, dem persönlichen Todesdrama wohlwollend seinen Schrecken zu nehmen. Stattdessen dies: „Er maß sieben Schuh’/ Gott gib ihm die ew’ge Ruh’/ ein unglücklicher Ochsenstoß/ öffnete ihm das Himmelsschloß“. Fürwahr ein unwürdiger Tod, für die Angehörigen nur abgemildert durch den Trost aus dem Jenseits.

Keine „schönen Leichen“

© Dr. Bernd KregelAllesamt waren sie sicherlich keine besonders „schöne Leich“, wie man sie in Österreich bis heute schätzt und so standesgemäß wie möglich zu Grabe trägt. Pietätvoll, mit lackiertem Leichenwagen und Trauerstimmung verbreitender Musikkapelle. In der Tiroler Provinz des 19. Jahrhunderts, der diese Grabinschriften entstammen, mögen die Leichen nicht ganz so schön gewesen sein. Denn in dieser ländlichen Region ging es, wie die Todesanlässe zeigen, nicht um Repräsentation, sondern ums Überleben. Und das fiel in der unwegsamen Hochgebirgslandschaft oftmals schwer genug, in der der Sensenmann ein täglicher Begleiter war: „Der Tod mit seinen Knochen / hat den Johann Stembo erstochen“.

Nur auf einen Luxus wollte man hier offenbar nicht verzichten: die schmiedeeisernen Grabkreuze mit ihren Gedenktafeln. Die meisten von ihnen in handwerklicher Feinarbeit kunstvoll gestaltet und wenn schon nicht  Kunstwerke für die Ewigkeit, so doch zumindest Erinnerungsstücke für die nächsten Jahrhunderte. Steinmetz und Kunstschmied Hans Guggenberger aus Kramsach am Inn hat sie aus der ganzen Region zusammengetragen und einen Teil von ihnen in einem stillen Winkel auf seinem Grundstück unter schattigen Bäumen neu aufgestellt.

Sich im Grab umdrehen

© Dr. Bernd KregelSchnell wird klar, was die Grabinschriften miteinander verbindet: ihr Humor. Warum dem Tod nicht lachend die Stirn bieten. Selbst wenn diesem hin und wieder von menschlicher Seite zugearbeitet wurde: „Hier ruht mein lieber Arzt Herr Grimm – und alle, die er heilte, neben ihm“.  Nicht verwunderlich, dass die Volksseele ein wirkungsvolles Ventil fand, um in der denkbar kürzesten Form die Lebensumstände  der voraus Gegangenen mit Ironie oder liebevollem Spott bis ins Jenseits hinein zu kommentieren: „Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang“.

„Über die Toten nur Gutes!“ Diese bewährte Grundregel der Pietät ist hier außer Kraft gesetzt. Mögen sie sich für ihre irdischen Verfehlungen und Absonderlichkeiten doch ruhig noch einmal im Grab umdrehen. Zum Beispiel dafür: „Hier ruht Franz Josef Matt, der sich zu Tod gesoffen hat. Herr gib ihm die ewige Ruh und ein Gläsle Schnaps dazu“.
 
Sprachwitz und menschliche Abgründe

© Dr. Bernd KregelAb und zu lassen, wen wollte es wundern, auch die Kurzkommentare zu Ehe und Familie menschliche Abgründe erahnen, die wohl nur aus der Distanz des Betrachters heraus lustig erscheinen: „Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug“, heißt es lapidar, die raue Wirklichkeit hinter Sprachwitz verbergend. Und auch die männliche Retourkutsche ist nicht bequemer abgepolstert: „Hier liegt mein Weib, Gott seis gedankt, oft hat sie mit mir gezankt. O lieber Wanderer geh gleich fort von hier – sonst steht sie auf  und zankt mit Dir“.  

Zum Glück schimmern zuweilen aber auch traute Zweisamkeit und Bedauern durch den Abschiedsschmerz hindurch: „Oh liebe Rosina! So manche Nacht, haben wir mitsammen zugebracht, bis der liebe Heiland kam und dich wieder zu sich nahm.“ Herzzerreißend!  Doch wie sind dagegen die unverschlüsselt vorgetragenen Hintergedanken der anderen Inschrift einzuordnen: „Es liegt begraben die ehrsame Jungfrau Nothburg Nindl, gestorben ist sie im siebzehnten Jahr, just als sie zu brauchen war.“ Auch ohne Detailkenntnis in politischer Korrektheit bleibt spätestens an dieser Stelle das Lachen im Hals stecken. Ob damit auch für die zeitgenössische Betrachtung die Grenze zum Humor bereits überschritten war?

Heitere Note der Todeserfahrung

© Dr. Bernd KregelZu Herzen gehend auch eine Lebensgeschichte, die genügend Stoff bieten würde für eine griechische Tragödie: „Hier liegt die Jungfer Rosalind, geboren als unerwünschtes Kind. Ihr unbekannter Vater war Kapuziner-Pater.“ So bedauernswert das Einzelschicksal der Jungfer Rosalind auch war, so gut tat es sicherlich den Gemeindemitgliedern, mit diesem dezenten Schlusshinweis der Kirche als Hüterin der Moral einmal ordentlich eins auszuwischen.

Bleibt die Frage, ob – wie vielfach behauptet – damals auf Beerdigungen mehr gelacht wurde als auf Hochzeiten. Der Beweis dafür kann heute nicht mehr erbracht werden, doch zumindest verleihen Zynismus, Ironie und Humor der Todeserfahrung eine heitere Note, manchmal sogar bis an die Grenze zur Pietätlosigkeit. Für uns heute vielleicht ein „Friedhof zum Totlachen“, wenn die Todesumstände in der Phantasie wie Slapstickfilme vor unserem geistigen Auge ablaufen. Für die Menschen jener Zeit jedoch war Humor vielmehr der beste Weg, dem Tod lachend die Zähne zu zeigen und dadurch die eigene Todesangst zu überwinden.

Reiseinformationen „Alpbachtal Seenland“

Anreise

Flug: Innsbruck, weiter mit Zug nach Brixlegg, weiter mit kostenlosen Bussen; Auto: über München, Rosenheim, Kufstein, Autobahnausfahrt Kramsach; Zug: München – Rosenheim – Wörgl, umsteigen in Regionalzug nach Brixlegg – oder bis Jenbach (Schnellzugstation), von dort direkte Buslinie ins Alpbachtal

Reisezeit

Wintersaison: 7. Dez. – 1 Woche nach Ostern, neu: Zusammenschluss der Skigebiete Alpbachtal und Wildschönau zum „Ski Juwel“; Sommersaison: 1. Mai – 31. Oktober

Reiseziele

Insgesamt 10 Orte, u.a.: Alpbach („schönstes Dorf Österreichs“), Reith („schönstes Blumendorf Europas“), Kramsach („Seendorf“), Rattenberg („mittelalterliche Glasstadt“)

Reiseveranstalter

Günstig: Schmetterling Reisen, Website: www.schmetterlingreisen.de, Email: reise@schmetterlingreisen.de, Telefon: 09197-6282-540 oder 0800-7246-388

Urlaubskarte

Jeder Gast erhält die „Alpbachtal Seenland Card“ zur Benutzung der öffentlichen Busse sowie im Sommer der 3 Bergbahnen, Badeseen und Schwimmbäder.

Unterkunft

Kombiniert mit Hildegard-von-Bingen-Angebot: Hotel Pirchner Hof, Neudorf 42, 6235 Reith, Website: www.pirchnerhof.at; Email: info@pirchnerhof.at; Telelefon: +43-(0)5337-62749

Auskunft

Tourismusverband Alpbachtal Seenland, Zentrum 1, 6233 Kramsach, Website: www.alpbachtal.at; Email: info@alpbachtal.at; Telefon: 0043-5337-21200

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